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Rapperswil-Jona
10.10.2023
23.10.2023 10:06 Uhr

Der China-Deal könnte noch kippen

Zankapfel in Rapperswil-Jona: Die vom Stadtrat an die Chinesen verkaufte 2'000 m2 grosse Wiese im Schachen.
Zankapfel in Rapperswil-Jona: Die vom Stadtrat an die Chinesen verkaufte 2'000 m2 grosse Wiese im Schachen. Bild: Linth24
Nach dem kürzlichen Bekanntwerden der Landwert-Schätzung steht der China-Deal rechtlich schlecht da. Jetzt ist das St.Galler Verwaltungsgericht am Zug. Von Bruno Hug

Die kürzlich neu aufgetauchte Schätzung zur China-Deal-Parzelle im Joner Schachen könnte den Verkauf von 2'000 m2 städtischem Land an die Chinesen zum Scheitern bringen. Das Verwaltungsgericht prüft den Fall.

Neue Sicht auf den Deal

Die jetzt einsehbare Schätzung vom 20. April 2021 (siehe PDF am Berichtsende) zum China-Land trübt die Sicht auf den Landverkauf weiter ein. Als dieser im  März 2023 nach fast zwei Jahren Geheimhaltung öffentlich wurde, teilte der Stadtrat mit, der Verkehrswert des Landes habe mit 1.4 Mio. unter der Schwelle von 2 Mio. Franken gelegen. Deshalb habe er den Deal ohne fakultatives Referendum durchziehen dürfen.

Keine rechtskräftige Schätzung

Nun weiss man aber: Die erwähnte Schätzung war zum Zeitpunkt des Landverkaufs vom 21. April 2021 nicht rechtskräftig. Das Grundbuchamt legte sie erst am 23. Juni 2021 vor, mit 30-tägiger Einsprachefrist. Die Schätzung war damit erst drei Monate nach dem Landverkauf gültig.
Der Verkaufsvertrag mit den Chinesen wurde von der Stadt somit ohne eine verbindliche Schätzung abgeschlossen, also, ohne dass klar war, ob der Stadtrat zum Verkauf die Kompetenz hat.

Referendum für China-Deal

Und diese ist stark umstritten. In der Gemeindeordnung von Rapperswil-Jona steht in Artikel 6.1, die Finanzkompetenz des Stadtrates beim Kauf von Grundstücken richte sich, wörtlich, nach dem Kaufpreis. Da ist es nicht mehr als logisch, dass beim Verkauf ebenfalls der Verkaufspreis zählt.

Entsprechend muss Artikel 6.2 der Gemeindeordnung interpretiert werden. Darin ist der Verkauf von Grundstücken geregelt. Hier steht, die Kompetenz des Stadtrates richte sich bei der «Veräusserung» (beim Verkauf) von Grundstücken und der «Begründung von Baurechten» nach dem «Verkehrswert oder den Anlagekosten». (Siehe PDF am Berichtsende)
Für Fachleute ist damit klar: Für den Landverkauf ist der «Verkehrswert» gültig. Und dieser ist identisch mit dem Verkaufswert, der 2.4 Mio. Franken betrug. Damit hätte das Geschäft zweifellos dem Referendum unterstellt werden müssen.

Angedichtetes «amtlich»

Eine nächste Fallgrube zum Landhandel besteht in der Umdeutung der Gemeindeordnung durch den Stadtrat. In Artikel 6.2 steht unmissverständlich, beim Verkauf von Grundstücken zähle der «Verkehrswert».
Nun aber stellt sich der Stadtrat auf den Standpunkt, es sei der «amtliche Verkehrswert» massgebend. Von «amtlich» steht in der Gemeindeordnung jedoch kein Wort. Und es zählt in gesetzlichen Grundlagen wohl das, was geschrieben ist, und kaum das, was jemand glaubt.
Auch aus dieser Perspektive hätte der Verkauf dem fakultativen Referendum unterstellt werden müssen.   

Verwaltungs- oder Bundesgericht

Der China-Deal liegt nun am St.Galler Verwaltungsgericht. Es wird interessant sein, ob es, oder später allenfalls das Bundesgericht, das Volksrecht oder den Stadtrat schützt.

Weitere Besonderheiten im China-Deal

Nicht nur auf der rechtlichen, sondern auch auf der moralischen Ebene erstaunt der China-Deal:

  • Der Stadtrat stimmte dem Landverkauf im Februar 2021 zu, obwohl er damals über keine aktuelle Schätzung des China-Landes verfügte. Und somit nicht wissen konnte, ob er für den Landverkauf auch die Finanzkompetenz hat.
  • Der Stadtrat hielt den China-Deal fast zwei Jahre geheim, obwohl ihm das gemäss Gemeindeordnung untersagt wäre.
  • Das Grundbuchamt schätzte den Wert für zwei Teilflächen auf der China-Parzelle in derselben Zone mit zwei unterschiedlichen m2-Preisen ein: Einmal mit Fr. 500.-/m2, einmal mit Fr. 1’000/m2. Der Stadtrat stellte damit dann eine Mischrechnung an, um so auf den falschen m2-Preis von Fr. 700 Franken zu kommen und daraus den falschen Liegenschaftswert von 1.4 Mio. festzulegen. 
  • Der Stadtrat hat den Landverkauf ohne rechtskräftige Schätzung getätigt und dabei die Gemeindeordnung nach eigener Logik interpretiert.
  • Aufgrund der Korrespondenz ist wahrscheinlich, dass die Stadt dem Kanton für dessen Beurteilung des China-Deals nicht alle Schätzungsdokumente zukommen liess.
  • Die (zum Verkaufszeitpunkt nicht rechtskräftige und nicht schriftlich vorliegende) Landschätzung, auf die sich der Stadtrat beruft, traf einen Tag vor dem Landverkauf ein. Es mag Zufall gewesen sein, glauben aber mag man das nicht so recht. Und wie traf die noch gar nicht gültige Schätzung ein? Mündlich? Per SMS?
  • Als der China-Deal öffentlich wurde, verbreitete der Stadtpräsident falsch, die Chinesen würden kein Baurecht kennen.
  • Im Land-Verkaufsvertrag verpflichtete sich die Stadt gegenüber den Chinesen, «sämtliche notwendige Baugesuchsunterlagen ohne Verzug zu unterzeichnen». Damit gab die Stadt im Baubewilligungsverfahren unnötig und unüblich ihre Hoheit ab.
  • Nie hat der Stadtrat erklärt, wie der China-Deal nach Rapperswil-Jona kam. 
Bruno Hug