Home Region Sport Schweiz/Ausland Rubriken Agenda
Rapperswil-Jona
04.04.2023
04.04.2023 06:30 Uhr

Der China-Deal ist rundum faul

Die verkaufte Wiese, das verkaufte Volk: Auf Basis des Öffentlichkeitsgesetzes muss der Stadtrat jetzt zum dubiosen Geschäft Antworten liefern.
Die verkaufte Wiese, das verkaufte Volk: Auf Basis des Öffentlichkeitsgesetzes muss der Stadtrat jetzt zum dubiosen Geschäft Antworten liefern. Bild: Linth24
Dass der Stadtrat beim China-Deal die Volksmitsprache unterlief, ist unverständlich. Doch das ganze Geschäft stinkt. Linth24 deckt weiter auf und verlangt Antworten. Von Bruno Hug

Den vom Stadtrat geheim durchgeführte Verkauf von wertvollem Land an einen chinesischen Grosskonzern hinterfragen viele Schweizer Medien – und sind befremdet. Genau an China, das spioniert und sich überall einnistet! 20 Minuten titelte dazu: «Stadtpräsident verkauft heimlich Millionen-Grundstück an Chinesen».

Letzten Freitag dann breitete Stadtpräsident Martin Stöckling seine Sicht zum ominösen Geschäft in der Linth-Zeitung aus. Er sagte, der Stadtrat habe den Landverkauf nicht dem Volks-Referendum unterstellen müssen. (Dieses habe somit zum Deal nichts zu sagen.)

Politisch das Dümmste

Vielleicht hat Stöckling recht, vielleicht nicht, siehe Kasten unten. Doch einen Landverkauf im Geheimen abzuschliessen, ihn 22 Monate verdeckt zu halten, erst zu veröffentlichen, wenn die Medien nachfragen und zugleich ein Volksrecht zu unterlaufen, ist politisch in etwa das Dümmste, was eine Regierung tun kann.

Insbesondere, da das Geschäft rundum übel riecht. Linth24 hat den Stadtrat deshalb gemäss Öffentlichkeitsgesetz aufgefordert, Akten offenzulegen und Fragen zu beantworten. Es geht um folgende Themen:

Wer ist die dritte Partei?

Im Verkaufsvertrag vom 21. April 2021 zwischen Stadt und SinoSwiss sind wichtige Stellen geschwärzt. Wer ist die dritte Partei? Sogar jemand, der am Deal verdient? Der Vertrag ist im Interesse der Bürger umgehend ungeschwärzt offenzulegen.

Zur Information, weshalb der Stadtrat den Deal fast 2 Jahre geheim hielt, sagte Stöckling gegenüber TVO: Die Stadt habe über den Landverkauf nicht wegen der Anfrage von Linth24 informiert, sondern weil man bis dahin auf Gewissheit bezüglich Baueingabe durch die Chinesen gewartet habe.
Dass dies – nach 22 Monaten – exakt mit der Frage-Mail von Linth24 zusammenfiel, kommt einem Wunder gleich. Wer’s glaubt… Man erinnere sich an die (nicht verschwundenen) Sonnenschirme, die Götti-Hecke, das (nicht) kaputte Lido-Schwimmbecken, die Unwahrheit zum Eishallen-Abbruch usw.

Zusammenarbeit China und Stadt

Die städtische Information zum China-Deal erstaunt auch sonst. Nach der Linth24-Anfrage informierte die chinesische SinoSwiss per Mail am 21. Februar 2023 um 10 02 Uhr. Die Stadt eine (!) Minute später, um 10 03 Uhr.
Der Stadtrat ist gefragt: Wer koordiniert diese brüderliche Zusammenarbeit zwischen China und Stadt?

Genauso unheimlich wird es einem beim Landverkaufs-Vertrag mit Artikel 8. Darin verpflichtet sich die Stadt, «sämtliche notwendige Baugesuchunterlagen (der Chinesen) ohne Verzug zu unterzeichnen».
Hat in dieser Stadt schon je ein Bauwilliger eine derart flotte, faktisch vertraglich fixierte Bauzusage erhalten?

Wer ist die «Firma»?

Gemäss Stadtpräsident Stöckling recherchierte für die Stadt «eine Firma» zur chinesischen Käuferschaft. Wer war das? Was kam heraus? Auch diese Akten sind offenzulegen. Genauso wie die Protokolle zu den Recherchen, welche die Stadt offenbar noch selbst zum China-Konzern tätigte.
Offenzulegen ist auch das Gesuch von SinoSwiss zum Landkauf. Gemäss Stadtverwaltung braucht es zu einem Landkauf immer ein Gesuch des Interessenten.  Man ist auf dasjenige der China-Firma gespannt. 

Falschaussage zum Baurecht

Stöckling sagte letzte Woche mehrfach, die Chinesen würden «das Baurecht nicht kennen», weshalb man das der Öffentlichkeit gehörende Land den Chinesen verkauft habe. Stöcklings Aussage aber ist falsch. In China gibt es nur das Baurecht.

Der Stadtrat muss offenlegen, weshalb er als Gremium einem Landverkauf zustimmte und nicht ein Baurecht forderte.
Weiter interessiert noch, wer wann den Landpreis im Schachen auf 700 Franken pro m² schätzte, derweil das Land mindestens das doppelte Wert ist.

Durfte der Stadtrat geheim verkaufen?

Ob der Stadtrat das Land an die China-Firma ohne das Volk einzubeziehen verkaufen durfte, ist in Rapperswil-Jonas Gemeindeordnung unter Anhang 2, «Finanzbefugnisse», geregelt.

Gemäss Artikel 6.2 darin müsste ein Verkauf von über 2 Millionen Franken dem fakultativen Referendum unterstellt und bei 500 Unterschriften dem Volk vorgelegt werden.
Das unterlief der Stadtrat, weil gemäss Stöckling beim Landverkauf (im Gegensatz zum Kauf) nicht der effektive Handelspreis, sondern der Schätzwert zähle.

Dazu die Details aus den «Finanzbefugnissen»:
In Artikel 6.1 steht beim Kauf von Land durch die Stadt, für die Stadtrats-Kompetenz zähle der «Kaufpreis».
Beim Verkauf von Land steht in Artikel 6.2: «Veräusserung und Begründung von Baurechten (Verkehrswert oder Anlagekosten)»

Sachverständiger gegen Stöckling 

Ein Sachverständiger sagt zu dieser Formulierung gegenüber Linth24: Der Zusatz «Verkehrswert oder Anlagekosten» beim Land-Verkauf beziehe sich logischerweise auf das Baurecht. Und nicht auf den Verkaufs-Preis, wie Stöckling ausführe.
Nur beim Baurecht mache es Sinn, den «Verkehrswert (Schätzwert) oder die Anlagekosten» als Basis zu nehmen, da es hier keinen fixen Preis gebe.

Manipulierbarer Schätzwert

Ausserdem macht es wenig Sinn, dass beim Land-KAUF durch die Stadt für die Ratskompetenz der effektive Kaufpreis zählt, beim VERKAUF jedoch der Schätzwert.
Insbesondere auch deshalb nicht, weil der Schätzwert manipulierbar und unzuverlässig ist. Wie gerade das Beispiel Schachen zeigt, wo der m²-Preis – von wem wird man noch erfahren – auf die Hälfte des effektiven Wertes geschätzt wurde.
Somit wird klar: Mit Stöcklings Schätzwert, möglicherweise sogar noch von der Stadt selbst ermittelt, kann der Stadtrat die Volksmitsprache gezielt ausmanövrieren.

Was sagt die Gemeindeordnung?

Offenbar liegt zur Ratskompetenz somit eine Unsicherheit vor. Linth24 hat deshalb von der Stadt die Unterlagen zur heute gültigen Gemeindeordnung vom 1. Dezember 2005 und die Vernehmlassung dazu angefordert. Die Antwort steht aus.

So oder so, und wie erwähnt, ist es politisch dumm, im Geheimen städtisches Land an bester Lage an einen China-Konzern zu verkaufen, darüber zu schweigen bis die Medien kommen und obendrein erst noch ein Volksrecht zu unterlaufen.

Bruno Hug