Barbara Dillier, frisch gewählte Stadtpräsidentin von Rapperswil-Jona, und der ebenfalls neu gewählte Stadtrat Joe Kunz haben «frischen Wind im Stadthaus» versprochen. Sie halten Wort.
In seiner ersten Sitzung hat der neu zusammengesetzte Stadtrat die sogenannte «Abwahlversicherung» beerdigt:
«Der Stadtrat hat an seiner ersten Sitzung entschieden, auf den Abschluss einer Nichtwiederwahl-Absicherung zu verzichten. Bisher wurde für die vollamtlichen Mitglieder des Stadtrates eine Versicherung abgeschlossen, die eine finanzielle Absicherung im Falle einer Nichtwiederwahl gewährleistet.»
Es gibt also in Zukunft keine Lohngarantien mehr für vom Volk abgewählte Politiker.
Was das abgeschaffte Privileg war
Bei der gebräuchlichsten Politiker-Versicherung verdient die abgewählte Person im ersten Jahr nach der Abwahl 90% des bisherigen Salärs. Im zweiten Jahr gibt's 80% und im dritten 50%. Sogar vier bis sechs Jahre nach der Niederlage wird der oder die Abgewählte noch immer mit rund 30% des ehemaligen Lohns entschädigt.
Die gut bezahlten Stadtpräsidentinnen oder Stadtpräsidenten mit rund 250'000 Franken Lohn verdienen somit also auch sechs Jahre nach der Niederlage noch immer rund 75'000 Franken im Jahr.
Voraussetzung ist, dass die abgewählte Person mindestens eine Amtszeit hinter sich gebracht hat und erfolglos für eine zweite Amtszeit kandidierte.
Wer in Rapperswil-Jona profitierte
Die Dreirosen-Stadt hat ihren Stadtpräsidenten schon zweimal die Dornen gezeigt.
Vor 8 Jahren trat der damalige Stadtpräsident Erich Zoller trotz einer krachenden Niederlage im ersten Wahlgang nochmals an. Seine zweite Kandidatur war von Anfang chancenlos, denn seine eigene Partei hatte einen neuen Kandidaten aufgestellt und der Gegenkandidat der FDP genoss breite Unterstützung.
Schon damals hiess es, dass Zoller nur wegen der garantierten Lohnsumme dank Abwahlversicherung nochmals antrete. Nach der Abwahl profitierte Zoller ein paar Monate lang, bevor er wieder Gemeindepräsident in einer kleinen Gemeinde wurde.
Diesen Herbst wiederholte sich das Drama. Stadtpräsident Martin Stöckling trat ebenfalls zum zweiten Wahlgang an. Auch bei ihm waren die Chancen nach einer klaren Niederlage im ersten Wahlgang nahezu Null. Auch ihm wurde deshalb vorgeworfen, dass er sich nur wegen der Abwahlversicherung nochmals zur Wahl stellte.
Stöckling dementierte, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass er natürlich auch seine wirtschaftliche Zukunft sichern müsse. Das Ergebnis: Stöcklings Abstand zur siegreichen Konkurrentin Barbara Dillier wurde im zweiten Wahlgang noch grösser.
Warum die Abschaffung richtig ist
Erneuerungswahlen finden üblicherweise 3 Monate vor dem Amtsende statt. Scheitert ein Politiker hat er also eine «Kündigungsfrist» von maximal 3 Monaten.
Dagegen wollen sich Politiker versichern und argumentieren mit der persönlichen wirtschaftlichen Zukunft. Ich halte mit vier Argumenten dagegen:
- Es gibt keine Lebensstellen. In einer Firma oder einem Amt sind es die Aktionäre oder Chefs, die über Sein oder Nichtsein entscheiden. Bei einem Politiker ist es das Volk.
- Eine Kündigungsfrist von 3 Monaten ist kürzer als die üblichen 6 Monate für Kaderstellen. Aber das weiss der Politiker, wenn er sein Amt antritt.
- Ein Politiker, der im Jahr 200'000 – 250'000 Franken verdient, darf in seiner Amtszeit auch etwas auf die Seite legen. Das würde es ihm ermöglichen, eine Durststrecke zu überwinden – neben der Arbeitslosenentschädigung.
- Jeder Profi-Politiker in Exekutivfunktionen sagt, dass er hochqualifiziert ist, weil das Amt derart viele Anforderungen stelle. Für einen so gut qualifizierten Menschen dürfte es ein Leichtes sein, eine angemessene Stelle in der Privatwirtschaft zu finden.
Seltsame Kommunikation
Die Mitteilung zum Versicherungs-Entscheid hat die Stadt verbreitet über «Linkedin», bei dem 908 Abonnenten die «News aus dem Stadthaus» erhalten, sowie über «Instagram». Das ist eine fragwürdige Info-Politik. Aber es ist davon auszugehen, dass der «frische Wind» im Stadthaus auch die städtische Kommunikation verbessern wird.