Home Region Sport Schweiz/Ausland Rubriken Agenda
Rapperswil-Jona
10.04.2024
25.07.2024 07:49 Uhr

Meier will ins Stadtpräsidium: «Alles oder nichts»

Schätzt seine Wahlchancen als «gut» ein: Stadtpräsidiumskandidat Boris Meier.
Schätzt seine Wahlchancen als «gut» ein: Stadtpräsidiumskandidat Boris Meier. Bild: Linth24
Seit dreieinhalb Jahren sitzt Boris Meier (46) für die GLP im Stadtrat von Rapperswil-Jona. Nun kandidiert er fürs Stadtpräsidium und sagt im Linth24-Interview, warum.

Boris Meier, mit Ihrer Präsidiums-Kandidatur lösen Sie in der beschaulichen Politlandschaft am Obersee einen Knall aus. Was bewog Sie zu diesem Schritt?
Es ist eine Kombination aus diversen Aspekten. Mit Blick auf die Verkleinerung des Stadtrats von sieben auf fünf Mitgliedern erachte ich es als einen guten Zeitpunkt, eine neue Führung einzusetzen. Ich bezeichne mich als gute Mischung aus einem etablierten Stadtrat, der Kontinuität sicherstellen kann, und jemandem, der von aussen kommt und frischen Wind ins Amt bringen kann.

Also die eierlegende Wollmilchsau…
… (lacht) so kann man es vielleicht sehen.

Man könnte auch sagen: Sie treten die Flucht nach vorne an. Schliesslich könnte Ihnen im verkleinerten Rat auch die Abwahl drohen…
Wenn es mir nur darum gehen würde, im Stadtrat zu bleiben, könnte ich mich auch auf die Stadtrats- und die Präsidenten-Liste setzen lassen. Aber ich werde voll auf die Kandidatur fürs Stadtpräsidium setzen. So gesehen könnte man sagen: Ich spiele alles oder nichts.

«In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat sich etwas angestaut.»
Boris Meier

Das heisst: Ein mit immerhin 200'000 Franken dotiertes Stadtratsmandat interessiert Sie nicht.
Grundsätzlich ist mir sehr wichtig, dass ich mich für etwas Sinnvolles einsetzen kann. Als gestalterische Persönlichkeit habe ich den Drang, etwas zu entwickeln. Und in dieser Beziehung hat sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren etwas angestaut. Als nebenamtlicher Stadtrat hatte man bisher kein eigenes Ressort – und ist damit eingeschränkt. Dies führte nun dazu, dass ich mich aufs Präsidium fokussiere.

Ihre Kandidatur wird von den Grünliberalen getragen. Viele sind davon ausgegangen, dass ihr Präsident Andreas Bisig ins Rennen steigt. Stand dies zur Diskussion?
Wir sind verschiedene Optionen durchgegangen. Dann kamen wir zum Schluss, dass meine Erfahrung aus dem Stadtrat sowie diejenige aus der Wirtschaft und dem Bildungswesen ein Gesamtpaket ausmachen, das mich zu einem valablen Kandidaten macht.

Sie stehen auf dem ersten Ersatzplatz für den Kantonsrat. Käme es für Sie in Frage, gleichzeitig Stadtpräsident und Kantonsrat zu sein?
Nein, ich würde bei einer Wahl zum Stadtpräsidenten nicht in den Kantonsrat nachrücken. Ich will mich voll für die Stadt einsetzen. Ich finde Ämteranhäufung suboptimal. Ich aspiriere auch nicht auf eine kantonale Karriere. Es geht mir darum, der Stadt Rapperswil-Jona zu dienen.

«Bald kommt der Zeitpunkt für Neuwahlen.»
Boris Meier

Ihre Kandidatur fürs Präsidium ist ein Frontalangriff auf Ihren Chef Martin Stöckling…
… ich würde es nicht als Angriff bezeichnen. Es hat auch nichts mit Illoyalität zu tun. Es sind bald Neuwahlen. Und in der Schweizer Demokratie ist es so, dass man mit einem Vierjahresvertrag gewählt wird – und dann werden die Karten neu gemischt.

Aber wenn Martin Stöckling für Sie und Ihre Partei ein starker Stadtpräsident wäre, würden Sie kaum antreten. So gesehen, ist ihre Kandidatur als Aussage zu verstehen, dass man mit Stöcklings Stadtführung nicht zufrieden ist.
Ich möchte betonen: Wir haben im Stadtrat gut und konstruktiv zusammengearbeitet.

Die Fragen sind: Haben Sie gut gearbeitet – oder nur gut zusammengearbeitet?
Wir sind ein Kollegialgremium – mit unterschiedlichen Meinungen. Man fällt eine Entscheidung – und trägt sie gemeinsam.

«Darauf kann ich nicht eingehen.»
Boris Meier

Alle Entscheidungen?
Ja, so funktioniert unser politisches System.

Bei wie vielen Entscheidungen waren Sie anderer Meinung als die Mehrheit im Stadtrat?
Darauf kann ich nicht eingehen.

Im Interview mit der Linth-Zeitung streichen Sie hervor, dass sie anders «ticken» als Stöckling. Wo sind die grössten Unterschiede?
Es sind zwei Ebenen. Politisch haben wir eine andere Ausrichtung. Aber die noch grössere ist die Persönlichkeit. Ich kann mich eher zurücknehmen und suche nicht das Zentrum der Aufmerksamkeit. Ich sehe mich eher als Orchesterleiter und Taktgeber. Es wäre ein idealer Moment für mich, um diese Rolle als Präsident des Stadtrats zu übernehmen, wenn das Gremium neu aufgestellt wird und die vier Stadträte neue Rollen übernehmen und mehr Sichtbarkeit erhalten. Ein anderer Unterschied ist sicherlich meine berufliche Herkunft. Ich bin gelernter Maschineningenieur – und habe lange auf diesem Beruf gearbeitet.

Wo unterscheiden Sie sich am stärksten von Martin Stöckling?
Da ist sicher das Auftreten. Ich kann mich besser zurücknehmen und auch andere zu Wort kommen lassen. Da spreche ich auch von Verwaltungsmitarbeitenden. Ich bin eine Persönlichkeit, die grossen Wert auf Transparenz und klare Kommunikation legt.

«Kommunikativ hätte man noch mehr erreichen können.»
Boris Meier

Das hat Ihnen bisher gefehlt?
Ich bin der Meinung, dass man kommunikativ noch mehr hätte erreichen können.

Sie sind ein höflicher Mensch. Wenn Sie mit allem anderen zufrieden wären, würden Sie aber wohl nicht kandidieren…
Ich bin der Meinung, dass der Stadtrat viel erreicht hat. Man sieht dies in der Anzahl von Geschäften, die in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchgekommen sind.

Was war das Wichtigste, das der Stadtrat erreicht hat?
(überlegt) Da denke ich beispielsweise an die langfristige Gestaltung des Entwicklungsgebiets im Lido.

Was habt Ihr sonst noch erreicht?
Es sind ungefähr 30 Projekte, die der Stadtrat durchgebracht hat. Eine Auflistung befindet sich im aktuellen Stadtjournal. 

«Grundsätzlich darf man sagen, der Laden läuft.»
Boris Meier

Aber wenn Sie durch Rapperswil-Jona gehen – wo hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren verbessert?
(denkt nach) Beispielsweise ist in den Schulen vieles entstanden. Da denke ich an die Digitalisierung. Auch das Zeughausareal, der Grünfelspark mit dem PumpTrack oder das Tunnelprojekt kamen vorwärts. Grundsätzlich darf man sagen: Der Laden läuft.

Apropos Stadttunnel. Da waren Sie dagegen…
… ich vertrete die Meinung des Stadtrats. Und dieser hat sich für den Tunnel ausgesprochen. Ich bin Teil des Kollegialgremiums – und ich trage den Entscheid mit.

Aber jetzt sind Sie Kandidat für das Stadtpräsidium. Da ist es wichtig, dass die Wähler wissen, woran sie sind.
Ich bin aktuell aber auch Teil eines Kollegialgremiums – da gilt das Prinzip der Loyalität. Deshalb trage ich die Entscheide mit. Ausserdem gab es eine Volksabstimmung – und diese ist ein Auftrag an uns Politiker. «Im Kollegialgremium gilt das Prinzip der Loyalität»

Sie würden es uns also nicht sagen, wenn Sie gegen den Tunnel wären?
Nein – weil ich mich an die Spielregeln in einem Kollegialgremium halte.

Aber wird es so nicht schwierig, sich für die Wähler zu positionieren?
Meine Kandidatur – oder der Wahlkampf – wäre deutlich einfacher, wenn ich nicht im Stadtrat sitzen würde und frisch von der Leber weg sprechen könnte. Ich nehme mich dieser Herausforderung aber gerne an.

Aber Sie kommen nicht darum herum, sich vom aktuellen Stadtpräsidenten abzugrenzen. Was würde sich ändern, wenn Sie ins Präsidium kämen?
Ich habe diverse Guidelines, die mir sehr wichtig sind: Transparenz, klare durchdachte Kommunikation, Nachhaltigkeit – nicht nur in Sachen Umwelt, auch bei der Infrastruktur und bei den Finanzen.

Was heisst dies bezüglich der Infrastruktur?
Dass man sie nicht verlumpen lässt, sondern sie im Schuss hält, um der nächsten Generation eine funktionierende Stadt zu übergeben.

«An den Wahlen vor dreieinhalb Jahren schnitt kaum ein Stadtrat mit einem wirklich guten Resultat ab.»
Boris Meier

Was sind die weiteren Punkte?
Beispielsweise Fairness gegenüber den verschiedenen Ansprechgruppen. Es geht nicht nur darum, auf die Mehrheit zu hören – man muss zu allen fair sein. Unabhängigkeit, Effizienz und wenig Bürokratie. Dafür stehe ich zu 100 Prozent.

Sie sind im Verwaltungsrat der Wasserversorgung Rapperswil-Jona. Seit zwei Jahren steht das Wasserpumpwerk still und Sie sind als Stadtrat und Verwaltungsrat der Wasserversorgung in Mitverantwortung dieser ungelösten Situation. Weshalb ist es Ihnen nicht gelungen, eine Lösung zu finden?
Der Stadtrat hat sich intensiv für eine aussergerichtliche Lösung des Konflikts eingesetzt, indem er etliche Verhandlungsrunden moderiert hat. Die Wasserversorgung ist dabei einen grossen Schritt auf die Gegenpartei zugegangen. Trotzdem sind die Verhandlungen am Schluss geplatzt. Ich bedaure es sehr, dass keine aussergerichtliche Einigung zustande gekommen ist.

In Ihrer Pressemitteilung sprechen Sie von einem Vertrauensproblem der Stadtregierung. Woran machen Sie dies fest? Wie wollen Sie dieses Vertrauen wieder herstellen?
Bei den Wahlen vor dreieinhalb Jahren kam dies zum Ausdruck. Kaum einer der bisherigen Mitglieder des Stadtrats schnitt mit einem wirklich guten Resultat ab. Der Schlüssel zu vielem liegt in der richtigen Kommunikation…

... aber geht es nicht auch um die fachliche Planung? Wenn man sieht, wie beim Hallenbad vorgegangen wird, kann man sich wundern. Am 15. Mai findet eine Bürgerinformation statt – und am 6. Juni wird abgestimmt. Kann man als seriöser Politiker hinter einem solch kurzfristigen Prozess stehen?
Wie gesagt, trage ich diesen Prozess mit. Beim Lido sind wir auf Kurs – bei der Kommunikation gäbe es aber durchaus Luft nach oben.

Was sagen Sie zum China-Deal, einem anderen grossen Projekt?
In diesem Fall sind zwei Beschwerden hängig. Der Stadtrat hat seine Einschätzung abgegeben.

«Ich trage den Entscheid beim China-Deal mit.»
Boris Meier

Würden Sie Ihre Hand nochmals aufheben, wenn es darum geht, chinesischen Investoren Land zu verkaufen?
Ich muss dazu nochmals das gleiche sagen: Ich trage den Entscheid des Stadtrats mit.

Themawechsel. Barbara Dillier, die Gemeindepräsidentin von Fischenthal, hat ihre Kandidatur zwar noch nicht bekanntgegeben, aber man kann davon ausgehen, dass sie antritt. Wie grenzen Sie sich zu ihr ab?
In unserer Stadt, mit ihren spezifischen Bedürfnissen und den Anliegen der Bevölkerung, braucht es jemanden von hier – jemanden, der sich genau auskennt und seit Jahren hier lebt. Ich wohne seit 20 Jahren in Rapperswil-Jona – und habe meine politischen Erfahrungen hier gemacht. Deshalb stehe ich dem Experiment mit einer Kandidatin aus einer kleinen Zürcher Landgemeinde skeptisch gegenüber.

Aber Stöckling oder auch Würth waren nicht mal Gemeindepräsidenten, als sie hier antraten.
Stöckling kommt aus der Stadt – war politisch engagiert und kannte die Situation. Zu Frau Dillier kann ich noch sagen: Ich kenne sie persönlich nicht. Grundsätzlich ist es aber immer positiv, wenn es in einer Demokratie eine Auswahl gibt.

«Es braucht Mut, gerade auch wegen Linth24.»
Boris Meier

Aber in dieser Stadt würden noch 27'000 andere Leute leben…
… da sind wir bei einem anderen Thema. Weshalb hat es nicht mehr Kandidaten für das Präsidium und den Stadtrat? Es braucht Mut – gerade auch wegen Linth24. Das könnte mitunter auch einen Grund sein, weshalb die Hürde für viele so hoch ist, um zu kandidieren.

Wegen Linth24? Da bringen Sie uns nun aber eine grosse Ehre entgegen…
Ja, wegen der angriffigen Art. Ich bin der Meinung, dass die Medien sehr wichtig sind – und auch Kritik ist willkommen. Sie gehört zu unserem politischen System. Aber diese angriffige Art kann abschreckend wirken. Da stellt sich auch mir die Frage: Habe ich einen so breiten Rücken? Will ich dies mir – und meiner Familie – antun?

«Das ist ein möglicher Grund, weshalb wir nicht mehr Kandidaten haben.»
Boris Meier

Die Rolle der Medien ist es, den Politikern auf die Finger zu schauen – und Falschinformationen aufzudecken. Und deren gab es zuletzt viele. Da kann man doch nicht sagen, dass es sich um eine angriffige Art handelt – das ist Journalismus.
Es ist ein möglicher Grund, weshalb wir nicht mehr Kandidierende haben.

Dann dürfen wir das als Aufruf an die anderen Parteien verstehen, noch mehr Kandidaten aufzustellen?
(lacht) Nein, schliesslich will ich gewählt werden. Da kann ich nicht noch weitere Kandidaten brauchen.

Sie vertreten die Grünliberalen – just in einer Phase, in der die grüne Welle abflaut. Ist ihr Politprogramm noch aktuell?
Das wird die Wählerschaft entscheiden. Aber das grüne Gedankengut ist einer meiner wichtigen Werte. Es ist entscheidend für mich, dass wir die Klimaziele beharrlich weiterverfolgen und auf nachhaltigere Lösungen hinarbeiten.

«Der Artikel zum Klimaschutz ist unser grösster Hebel.»
Boris Meier

Sie sind der Meinung, dass die Stadt Rapperswil-Jona grüner werden müsste?
Das wichtigste ist die Gemeindeordnung mit dem Artikel zum Klimaschutz. Das ist unser grösster Hebel. Und da wiederum ist die Energieversorgung mit Fernwärme der wichtigste Punkt. Das wird ein entscheidender Beitrag sein, den die Stadt leisten kann. Biodiversität ist ein anderes entscheidendes Thema. Aber natürlich gibt es immer Luft nach oben. Es gibt viele kleine Punkte, die sich letztlich zu einem grossen Ganzen zusammenfügen.

Wie stehen Sie beispielsweise zur Kernkraft?
Da sind wir aber schon sehr weit weg vom zentralen Thema. Jetzt verlieren wir den Lokalbezug.

Aber was ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Wir brauchen ein sicheres Energiesystem. Deshalb bin ich für eine sichere Energieversorgung – und ich bin für alle Massnahmen, die dies klimaneutral sichern.

Also? Sind Sie für oder gegen AKWs?
Genau aus dem Grund, damit keine neuen AKW nötig sein werden, entwickle ich mit meinem Team an der OST saisonale Energiespeicher.

Letzte Frage: Als wie gross schätzen Sie ihre Wahlchancen ein?
Ich erachte meine Chancen als gut.

Interview: Bruno Hug und Thomas Renggli

Persönliches

Boris Meier (46) stammt aus der Stadt St.Gallen und wohnt seit 20 Jahren in Rapperswil-Jona. «Dadurch kenne ich die Stadt und ihre Potenziale, bin aber unabhängig und nicht mit alten Seilschaften verbandelt», so der Grünliberale. Der dreifache Familienvater doziert an der Fachhochschule OST zu Energiethemen und wohnt gleich nebenan im Südquartier. Ursprünglich studierte er an der ETH Zürich Maschinenbau.

Bruno Hug und Thomas Renggli, Linth24