Hennric Jokeit, Leiter des Instituts für Neuropsychologische Diagnostik am Schweizerischen Epilepsie-Zentrum, und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Rebecca Johannessen haben eine App entwickelt, mit der schnell und zuverlässig getestet werden kann, ob die Wahrnehmung von Emotionen gestört ist.
Solche Störungen sind angeborene oder durch Krankheit oder Unfall verursachte Fehlfunktionen des Gehirns und können die Lebensqualität Betroffener, aber auch ihrer Angehörigen wesentlich beeinträchtigen. Sozialkompetenz und Empathie werden in unserer komplexen und sozial instabilen Welt immer wichtiger. Mobbing, Beziehungsprobleme und Streitigkeiten im Beruf prägen oft unseren Alltag. Eine Ursache dafür kann auch das Unvermögen sein, soziale Signale richtig lesen zu können. Mögliche Folgen sind Missverständnisse und Konflikte mit negativen Konsequenzen für die Lebensqualität aller Beteiligten.
Die Störung sozialer Wahrnehmung kann durch Hirnschädigungen wie Hirnschlag oder traumatische Hirnverletzung, Epilepsie, multiple Sklerose, Parkinson, Drogenmissbrauch, aber auch durch Depression und Schizophrenie ausgelöst werden. Die Erforschung solcher Wahrnehmungsdefizite bei neurologischen und psychiatrischen Patientinnen und Patienten steckt noch in den Kinderschuhen, weil sie nicht die grosse Mehrzahl der Patientinnen und Patienten betrifft. Anders als bei Menschen mit autistischen Störungen, wo diese Defizite heute gut erforscht sind. Jokeit und sein Team möchten hier eine wichtige diagnostische Lücke schliessen und die Ursachen und Folgen dieser häufig übersehenen Defizite in der sozialen Wahrnehmung besser verstehen.
App analysiert Reaktionen
Die App «Cosimo» zeigt kurze Videosequenzen, in welchen jeweils zwei Personen miteinander interagieren. Einer der beiden Personen soll das richtige Attribut aus drei vorgeschlagenen zugewiesen werden, z.B. aus den Auswahlmöglichkeiten «nervös», «liebevoll», «entspannt». Die Teilnehmenden sollen jeweils mit einem Klick auf den Bildschirm den passenden Begriff zuordnen.
Die App steht zurzeit für Testanwendungen auf deutsch, englisch, spanisch und norwegisch zur Verfügung. Ein Tool für Therapiezwecke befindet sich in Planung. Die App, die auch ethnische und sexuelle Diversität berücksichtigt, wird ständig weiterentwickelt.