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Essen & Trinken
11.08.2025
12.08.2025 09:01 Uhr

UrDinkel – Revival eines Getreides

Die ältesten bekannten Dinkelvorkommen Europas werden aus der späten Steinzeit (ca. 2400–2300 v. Chr.) datiert.
Die ältesten bekannten Dinkelvorkommen Europas werden aus der späten Steinzeit (ca. 2400–2300 v. Chr.) datiert. Bild: IG Dinkel
Um 1900 war Dinkel wichtigstes Brotgetreide der Schweiz, verlor danach wegen des Weizens an Bedeutung. Die IG-Dinkel-Gründung mit Marke «UrDinkel» vor 30 Jahren führte zum Revival.

Die Interessengemeinschaft Dinkel, kurz IG Dinkel, feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum. Seit 1995 setzt sich der Verein für den Anbau und die Vermarktung von Schweizer Dinkel ein. Die Initiative zur Rettung des damals fast vergessenen Korns begann im Emmental und wurde mit Unterstützung des Bundes sowie der wichtigsten Anbaukantone bald auf die ganze Schweiz ausgeweitet.

Eingetragene Marke

1996 entstand die Marke UrDinkel, welche alte Schweizer Dinkelsorten fördert und ökologische Standards setzt. Das Logo und die Bezeichnung UrDinkel wurde als Marke eingetragen. Es gelang dem Verein damit, das Interesse der Bäckerfachleute und Konsumenten zu wecken und die Marke UrDinkel als Synonym für regionalen und ökologischen Genuss zu etablieren.

Die Marke UrDinkel steht u.a. für alte, nicht mit Weizen gekreuzte Schweizer Dinkelsorten, extensiver Anbau auf IP-SUISSE und BIO SUISSE anerkannten Betrieben, für die Herkunft aus angestammten Anbaugebieten sowie eine kontrollierte Reinheit auf allen Handelsstufen.

Heute 3'300 Vereinsmitglieder

Die IG Dinkel arbeitet seit eigenen Angaben mit mittlerweile über 3'300 Vereinsmitgliedern aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Züchtung zusammen. «Gemeinsam mit allen Marktakteuren engagiert sich die IG Dinkel auch in Zukunft dafür, den UrDinkel, der während 3'000 Jahren unser Hauptbrotgetreide war, als typisch schweizerische Getreide Kultur zu erhalten und weiterzuentwickeln», schreibt die IG in ihrer Jubiläumsbroschüre.

UrDinkel ist seit 1996 eine eingetragene Marke. Der Anbau unterliegt strengen Richtlinien. Bild: IG Dinkel

Die Dinkelkultur Europas

Die ältesten bekannten Dinkelvorkommen Europas werden gemäss IG UrDinkel aus der späten Steinzeit (ca. 2400–2300 v. Chr.) datiert. Die ältesten Funde des Dinkels aus der Schweiz kommen von einer Fundstelle nördlich des Lac de Neuchâtel (Cortaillot-sur-les-Rochettes-Est).

Der Dinkel ist vermutlich als natürliche Kreuzungen aus Emmer und Zwergweizen (einem Saatweizen) hervorgegangen. Schon während der frühen Bronzezeit, also zwischen 2200 und 1500 v. Chr., insbesondere aber ab der mittleren Bronzezeit (ab 1500 v. Chr.), als das Klima feuchter und kühler wurde, setzte sich der widerstandsfähige Dinkel mehr und mehr durch.

Das Korn der Alemannen

Gegen Ende der Bronzezeit (1100–800 v. Chr.) dehnten sich die Anbaugebiete über ganz Europa aus, von den Karpaten bis zu den Vogesen, von Schweden über England bis weit in den Süden.

In der Zeit vor 800 v. Chr. bis Christi Geburt erreichte der Dinkel seine grösste Verbreitung in Europa. Mit Beginn der römischen Vorherrschaft wurde der Dinkel gebietsweise bevorzugt angebaut, dies vor allem in den römischen Provinzen nördlich der Alpen. Für die Alemannen war der Dinkel das wichtigste Getreide. Er wird deshalb auch heute noch das «Korn der Alemannen» genannt.

Blüte im Mittelalter

Im Moselland wurde von 890 n. Chr. an während des ganzen Mittelalters Dinkel angebaut. Dort muss die Äbtissin Hildegard von Bingen den Dinkel kennen und schätzen gelernt haben. Sie schreibt: «Der Dinkel ist das beste Getreide, es ist warm, nährend und kräftig; und es ist milder als die andern Getreidearten. Es bereitet dem, der ihn isst, rechtes Fleisch und gutes Blut, er macht frohen Sinn und Freude im Gemüt».

Es gibt sogar Ortsnamen

Ortsnamen wie Dinkelsbühl, Dinkelhausen, Dinkelacker oder der Familienname Dinkelmann weisen auf die Verbreitung des Dinkels hin. Aus Ertragslisten ist ersichtlich, dass die Schweiz ein wichtiges Anbaugebiet war. Dinkel war ein begehrtes Zahlungsmittel für die Einnahme des Zehnten und der Steuern für Klöster und Vögte.

Der UrDinkel ist sehr robust und gedeiht selbst auf kargen Böden und in Höhen von bis zu 1400 m ü. M. Bild: IG Dinkel

Niedergang im 20. Jahrhundert

Die Wandlung vom Agrar- zum Industriestaat im 19. Jahrhundert legte die Grundlage für eine veränderte Landwirtschaft. Die Mechanisierung, der Einsatz von Handelsdünger und Pestiziden sowie die gezielte Züchtung von neuen ertragsreicheren Sorten liessen die Ernten wachsen.

Weizen gedieh nun ebenso gut im Gebiet nördlich der Alpen und lieferte erst noch höhere Hektarerträge. Der Dinkel entwickelte sich weit weniger rasant. Mit Neuzüchtungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen zwar leicht ertragsreichere Sorten auf den Markt, den Siegeszug des pflegeleichteren Weizens vermochten sie aber nicht zu bremsen.

Nach über 2'000 Jahren Hochkultur drohte der Dinkel am Ende des 20. Jahrhunderts beinahe ganz von der Bildfläche zu verschwinden.

Umdenken bei den Konsumenten

«Dass der Dinkel überlebt hat, ist den Bauern und Müllern in klimatisch benachteiligten Getreidegebieten zu verdanken», so die IG Dinkel. Sie waren gezwungen, Qualität vor Quantität zu stellen. Zu Gunsten eines qualitativ hochwertigen Getreides nahmen sie kleinere Erträge und einen grösseren Arbeitsaufwand in Kauf.

«Aufgeklärte und kritische Konsumenten machen sich zunehmend wieder Gedanken darüber, was sie täglich essen und was ihnen wirklich gut tut. Dank ihnen wird der Dinkel im 21. Jahrhundert wieder die Bedeutung erlangen, die er während drei Jahrtausenden genossen hat: Das wertvollste Grundnahrungsmittel zu sein, das uns die Natur bietet.»

Nährstoff-Kraftwerk und Schlankmacher

Dinkel ist nicht nur ein Ur-Getreide, sondern hat auch Eigenschaften, die gerade in der heutigen Ernährungsphilosophie von Bedeutung sind: «Dinkel ist bekömmlich, kräftigend, stimmt heiter, liegt im Gourmet-Trend und ist von Natur aus ein Öko-Getreide», so die IG Dinkel, «vorausgesetzt, man wählt die alten, echten Sorten, den 'UrDinkel'.»

«Der Dinkel ist das beste Getreide, es ist warm, nährend und kräftigend; und es ist milder als die anderen Getreidearten. Der Dinkel bereitet dem, der ihn isst, rechtes Fleisch und Blut, er macht frohen Sinn und Freud im Gemüt» soll einst die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179) geschrieben haben.

Wertvoller Proteinlieferant

Neuste Analysen bestätigen die historischen Beobachtungen von Bingens und die besondere Stellung des UrDinkels innerhalb der Getreide: Er ist ein hervorragender Proteinlieferant und eine wichtige Quelle essentieller Aminosäuren. Beeindruckend ist auch der gegenüber Weizenmehl deutlich erhöhte Mineralstoffgehalt, speziell Zink und Magnesium.

Im Weiteren zeichnet sich UrDinkel durch ein optimales Fettsäuremuster mit einem im Vergleich mit Weizen deutlich höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, insbesondere der Linolensäure (Omega-3), der Linolsäure (Omega-6) und der Ölsäure (Omega-9), aus. Schliesslich ist UrDinkel, selbst in Form von hellem Mehl, reich an Nahrungsfasern.

UrDinkel macht länger satt

Der hohe Anteil an komplexen Kohlenhydraten, ungesättigten Fettsäuren und Nahrungsfasern macht Dinkel zur idealen Ernährung für Linienbewusste und (Spitzen-)Sportler, so die IG Dinkel. Das Geheimnis: Sein Sättigungsgefühl hält länger an, weil Dinkelvollkorn viel Energie liefert, aber trotzdem einen sehr tiefen glykämischen Index, kurz Glyx oder GI, hat. Nahrungsmittel mit einem tiefen Glyx werden im Organismus nur langsam zu Zucker abgebaut, was für einen ausgeglichenen Blutzuckerspiel führt und länger satt hält.

Als Vergleich: Der Glyk von Dinkelvollkorn beträgt 35 und ist damit etwa so tief wie der von rohen Karotten. Weizenvollkorn hat einen Glyx von 40, Haferflocken 50, Teigwaren 55 und weisser Reis 70.

Wer auf eine basische Ernährung achtet, ist mit UrDinkel ebenfalls gut bedient: Das basische Getreide wirkt neutralisierend und erhöht die Verdaulichkeit.

Für alle Blutgruppen geeignet

Wer seine Ernährung auf seine Blutgruppe ausrichtet, soll mit UrDinkel ebenfalls gut bedient sein: Dr. Peter J. D’Adamo, geboren 1956 in New York, hat als Arzt und als einer der bedeutendsten Naturheilmediziner der USA über viele Jahre hinweg die Zusammenhänge zwischen Blutgruppe, Lebens- und Ernährungsweise, Gesundheit und Krankheiten erforscht. Dinkel – im Gegensatz zu Weizen – stuft er für alle Blutgruppen als besser verträglich ein, während Weizen für die Blutgruppen 0, A und B zu vermeiden seien.

Besser vor Pilzkrankheiten geschützt

Dank seiner Höhe sind die Ähren besser vor Pilzkrankheiten gefeit, der Spreu (Spelz) schützt die Körner vor Schadstoffen. Die langen Halme verunmöglichen einen intensiven Anbau mit viel Dünger. Sie fördern die natürliche Reife des Kornes aus pflanzeneigenen Reserven, die im langen Halm gebildet wurden.

Voraussetzung für all diese Vorteile ist jedoch, dass wirklich alte, nicht mit Weizen gekreuzte Sorten gewählt und diese ohne Halmverkürzer schonend angebaut werden. Dinkel, der all diese Anforderungen erfüllt, wird in der Schweiz mit der Marke «UrDinkel» ausgezeichnet.

Mittlerweile gibt es über 3'000 UrDinkel-Produzenten in der Schweiz, darunter über 260 im Kanton Zürich. Bild: IG Dinkel

Über 40 Produzenten im Kanton St.Gallen

Schweizweit zählt die IG Dinkel über 3'000 Produzenten, davon befinden sich 41 im Kanton St.Gallen (Stand 2021). Das Getreide ist in etlichen Verkaufsstellen erhältlich. Auf der Homepage der IG Dinkel findet man ein Verkaufsstellen-Verzeichnis mit Adressangaben sowie Rezepte.

Info-Quellen für diesen Beitrag: IG DinkelIG Dinkel Jubiläumsbroschüre

Zürioberland24/bt / Linth24