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Gast-Kommentar
Kanton
12.10.2023

Wahl23: Listenverbindung (un)fair

Bruno Eberle ist ehemaliger Stadtparlamentarier von St.Gallen.
Bruno Eberle ist ehemaliger Stadtparlamentarier von St.Gallen. Bild: Thomas Hary
An den Schweizer Nationalratswahlen gilt das System Hagenbach-Bischoff, eine Variante des d’Hondt-Verfahrens. Polit-Experte Bruno Eberle erklärt, warum das nicht immer fair ist.

Dies sind Verfahren, um den Parteien proportional die entsprechende Sitzzahl in den Kantonen zuzuteilen. Allgemein wird es als zweckmässig und gerecht betrachtet. Nur hat es einen Fehler: Bei der Verteilung der Restmandate werden die grössten Parteien bevorzugt.

Die Vollmandate werden einfach verteilt: Die Anzahl aller Parteistimmen geteilt durch Anzahl Mandate plus 1. Dies rechnet man bei allen Listen bzw. Listengruppen. Dieses «plus 1» hat man übrigens eingeführt, damit die Verteilung schneller geht. Auf diese Weise werden im Kanton St.Gallen bei der ersten Verteilung in der Regel 10 von 12 Sitzen zugeteilt.

Nun geht es zu den Restmandaten. Das ist nichts Minderwertiges, sondern die verbleibenden Mandate, die noch verteilt werden müssen. Und hier liegt der Konstruktionsfehler des Systems. Wenn eine grosse Partei beispielsweise 6,5 Mandate erreicht, hat sie einmal die 6 Vollmandate. Eine kleine Partei, die nur 0.84 Mandate hat, kein Vollmandat. Bei der Zuteilung der Restmandate werden aber nicht die Listen mit dem grössten Quotienten berücksichtigt, sondern Parteistimmen geteilt durch Vollmandate plus 1. Hier würde die grösste Partei ein Restmandat erhalten.

Die Erfinder des Systems Hagenbach-Bischoff haben ausdrücklich auf diese Ungerechtigkeit hingewiesen und die Möglichkeit der Listenverbindung geschaffen. Dies ermöglicht es zwei kleineren Parteien, sich zu verbinden und wenigstens ein Mandat zu erreichen.

Einen Murks hat sich vor Jahren der Kanton St.Gallen geleistet und die Listenverbindungen nur noch innerhalb der gleichen Parteien erlaubt. Dies wurde damals von einer Mehrheit von CVP und FDP beschlossen, aber profitieren tut nun hauptsächlich die SVP als grösste Partei im Kanton.

Es gäbe eine einfache Lösung: Die Einführung des Doppelproporz-Systems, umgangssprachlich der «doppelte Pukelsheim» genannt. Dabei werden über das ganze Wahlgebiet, bei den Nationalratswahlen die Schweiz, bei Kantonsratswahlen der Kanton, die Wähleranteile und die Mandate ermittelt und dann den Parteien und Wahlkreisen wieder zugeteilt. Dies wäre gerecht und würde niemanden bevorzugen.

Bruno Eberle, Präsident Pro Bahn Ostschweiz und Politexperte