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Kultur
31.05.2024

Als Mönche Tuggen verfluchten

Der Heilige Gallus predigt den Alemannen am Bodensee das Evangelium.
Der Heilige Gallus predigt den Alemannen am Bodensee das Evangelium. Bild: Wikimedia Commons
Der Überlieferung nach versuchten die Heiligen Kolumban und Gallus, die Bevölkerung Tuggens zum Christentum zu bekehren. Der Versuch scheiterte und Kolumban verfluchte den Ort.

Nicht immer waren die Schwyzer gute Christen. Einst war die Bevölkerung noch heidnisch. So auch in Tuggen, als die Bevölkerung im Jahr 610 nach Christus zwei irische Mönche verjagt haben soll, die sie bekehren wollten. Es soll sich dabei um keine Geringeren als Kolumban und Gallus gehandelt haben. Kolumban gilt als der wichtigste irische Klostergründer auf dem europäischen Kontinent, sein Schüler Gallus legte den Grundstein für das Kloster St.Gallen. Beide wurden später von der Kirche heiliggesprochen. Wie viel Wahrheit steckt in dieser Geschichte?

Germanische Götter

Klar ist, Tuggen war zu jener Zeit nicht christianisiert. Denn gegen Ende der römischen Herrschaft auf dem Gebiet der heutigen Schweiz war zwar die Mehrheit der städtischen Bevölkerung christlich – in ländlichen Gebieten wurden aber weiterhin pagane Kulte praktiziert. Teilweise waren diese auch mit der römischen Religion verschmolzen, bei der es mehrere Götter gab, erklärt Franz Mali. Er ist Priester, Theologe sowie Universitätsprofessor für griechische Patristik, Geschichte der Alten Kirche und Sprachen des christlichen Orients an der Katholisch-Theologischen Universität Freiburg.

Durch den Abzug der römischen Verwaltung sowie auch die Einwanderung des germanischen Stammes der Alemannen von Norden her seien zudem die zivilen Verwaltungsstrukturen zusammengebrochen und viele kirchliche Einheiten gingen damit unter. Nur Restgemeinden überdauerten die Einwanderung des grossmehrheitlich nichtchristlichen Germanenstammes in die Schweiz.

Der kürzeste Weg

Aber warum sollten Kolumban und Gallus gerade nach Tuggen wollen? Zu jener Zeit waren die irischen Missionare laut der Überlieferung zusammen mit ihren Gefährten vom heutigen Metz in Richtung Italien unterwegs, auf dem Weg wollten sie auch missionieren. Die Gruppe bewegte sich wohl im Grenzgebiet zwischen Franken (Christen) und Alemannen, so Mali. Als Kolumban und Gallus den Rhein und die Limmat aufwärts zogen, gab es hier noch sogenannte romanische Kontinuitätsinseln, wie Oberwinterthur oder Zürich. Man kann vermuten, dass die beiden diese Städte bevorzugten, wenn sie das romanischsprachige Frankenreich in Richtung Italien verliessen.

«Ausserdem ist der Weg aus dem Elsass den Rhein und die Limmat aufwärts, über den Zürichsee, durch die March und das Linthtal entlang auf den ersten Blick wohl der kürzere und weitaus einfachere Weg, um nach Italien zu kommen», sagt Mali – zumindest aus Sicht der damaligen Zeit. Laut Mali ist es für die Forscher durchaus glaubhaft, dass Kolumban mit Gallus nach Italien ziehen wollte. Auch das scheint demnach für die Geschichte zu sprechen, dass die Mönche während ihrer Reise an Tuggen vorbeigekommen sein könnten.

Im See versenkt

Der Überlieferung nach sollen die Mönche bei ihrer Ankunft in Tuggen nicht zimperlich mit den Heiligtümern der Heiden umgegangen sein. Gallus zündete in Tuggen das heidnische Heiligtum an und versenkte ihre geweihten Gaben im See, heisst es. Daraufhin wollten die Einwohner von Tuggen Gallus töten. Die Mönche ergriffen die Flucht und Kolumban verfluchte den Ort.

Aber war das tatsächlich die Art und Weise, wie man damals versuchte, Andersgläubige zu bekehren? «Diese Art der Bekehrung beziehungsweise des Umgangs mit einem vorhandenen, als schwächer eingestuften Kult war durchaus die übliche Vorgehensweise, auch schon vorchristlich», sagt Mali. Für die Christen waren die paganen Götter nur «Götter von Menschenhand». Auch in diesem Punkt scheint die Geschichte also glaubhaft zu sein.

Einiges spricht also für die Geschichte. Ob die beiden Mönche nun aber tatsächlich in Tuggen waren, bleibt wohl mangels handfester Beweise und Fundstücke für immer ein Rätsel.

Martin Bruhin, Redaktion March24 & Höfe24 / Linth24