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Kanton
08.07.2023
07.07.2023 19:41 Uhr

Reaktionen zur Tempo-30-Abkehr

Nach der Vernehmlassung ist die Kantonsregierung von Tempo 30 auf einer Hauptverkehrsachse der Stadt St.Gallen abgerückt. (Symbolbild)
Nach der Vernehmlassung ist die Kantonsregierung von Tempo 30 auf einer Hauptverkehrsachse der Stadt St.Gallen abgerückt. (Symbolbild) Bild: TCS
Den Regierungsentscheid gegen Tempo 30 auf einer Hauptverkehrsachse der Stadt St.Gallen nennt der VCS «einen Kniefall vor der Autolobby», die SP «mutlos»; TCS und FDP sind erfreut.

VCS: Rückzieher der Regierung ist Kniefall vor Autolobby

Mit Genugtuung hat der VCS im Herbst 2022 zur Kenntnis genommen, dass Stadt und Kanton gemeinsam ein 4-Phasenkonzept zur Einführung von Tempo 30 in der Stadt umsetzen wollen. Das ist eine zeitgemässe Entscheidung, die wenig kostet und sofort positive Auswirkungen hat auf Lärmschutz, Sicherheit, Mobilitätsverhalten, Verflüssigung des Verkehrs, Schadstoff-Belastung und Klimaschutz.

In der Vernehmlassung und mit politischen Vorstössen haben sich leider die ewiggestrigen Bewahrer vehement gegen dieses sinnvolle Konzept gewehrt. Dass die Regierung nun vor der Autolobby einknickt und ausgerechnet in der Stadt St.Gallen, die dem Klimaschutzgesetz mit 70,3% zugestimmt hat, vom gemeinsam erarbeiteten Konzept «Temporegime» abweichen will und damit der Stadtregierung in den Rücken fällt, macht betroffen und löst Enttäuschung aus.

Da macht es die Thurgauer Regierung besser, indem sie gleich in 6 kleineren Städten auf Kantonsstrassen Tempo 30 einführt.

VCS-Präsident Blumer hält fest: «Ich bin überzeugt, dass die St.Galler Regierung nach der in Aussicht gestellten Abklärung der Auswirkungen dieses mutlosen Entscheides wieder zum verantwortungsvollen Führen zurückfindet und Tempo 30 im Stadtzentrum auch auf Hauptverkehrsachsen unterstützen wird.»

Der VCS bleibt am Thema dran und erwartet von der Kantonsregierung bis Ende Jahr ein Bekenntnis zu Tempo 30 zum Wohl von Stadtbevölkerung und Umwelt, damit im kommenden Jahr mit Phase eins «generell Tempo 30 innerorts in der Nacht» gestartet werden kann.

VCS St.Gallen/Appenzell

SP: Mutlose Regierung will an Tempo 50 festhalten

An den verkehrsreichen Strassen der St.Galler Ost-West-Achse, namentlich an der Zürcher Strasse, Rosenbergstrasse und Rorschacher Strasse, leben viele Menschen – auch viele Familien mit Kindern. Sie leiden besonders unter der Lärmbelastung. Das Konzept der Stadt und des Kantons St.Gallen zur schrittweisen Temporeduktion weckte Hoffnung auf baldige Verbesserung der Lebensqualität in diesen besonders lärmgeplagten Gebieten. Doch nun ist die Regierung gegenüber der bürgerlichen Autolobby eingeknickt. Die SP von Stadt und Kanton St.Gallen bedauert dies sehr.

Dass die Parteien von Mitte, FDP und SVP die freie Fahrt für Autofahrer:innen höher gewichtet als die Lebensqualität in den Quartieren, ist nicht überraschend. Dass die Regierung dem bürgerlichen Aufschrei nun aber folgt, umso mehr.

Erstaunt ist die SP auch über die dürftige Kommunikation der Regierung. So erwähnt diese in ihrer Mitteilung nicht, welche Stellungnahmen und Argumente sie dazu bewegt haben, nun diese besonders belasteten Strassen von der ursprünglichen Planung auszunehmen. Für die SP gibt es keine Begründung, die diesen Schritt rechtfertigen würde. Es wird schlicht mutlos den lautesten Gegenstimmen Gehör verliehen.

Die SP wird sich weiterhin für Tempo 30 auch auf den Hauptachsen einsetzen und wehrt sich entschieden gegen eine Ausnahme auf den am meisten belasteten Strassen. Die Lebensqualität aller Bürger:innen ist klar höher zu gewichten als die Bedürfnisse einzelner Automobilist:innen

SP Kanton St.Gallen & SP Stadt St.Gallen

TCS: Kehrtwende der St.Galler Regierung

Aufgrund der Ergebnisse aus der Vernehmlassung zum Konzept Temporegime in der Stadt St.Gallen verzichtet die Regierung des Kantons St. Gallen nun doch auf die Einführung von Tempo 30 auf der Hauptverkehrsachse Zürcher Strasse-Rosenbergstrasse-Unterer Graben-Torstrasse-Rorschacher Strasse.

Die TCS Sektion St.Gallen – Appenzell i.Rh. ist sehr erfreut über diesen Entscheid. Er zeigt, dass die Regierung die Strassenhierarchie ernst nimmt und einen effizienten Verkehrsfluss sicherstellen will. Der Entscheid ist allerdings erst ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt weitere Hauptverkehrsachsen in der Stadt St.Gallen, auf denen auf Temporeduktionen zu verzichten ist.

Volkswille gegen Tempo 30

Der TCS fordert insbesondere von der Stadt St.Gallen, den Meinungsumschwung ebenfalls zu vollziehen und von Temporeduktionen auf Hauptverkehrsachsen Abstand zu nehmen. Eine vom TCS beim LINK-Institut in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zeigt ein klares Bild: LINK hat eine Befragung unter der Bevölkerung der Städte Basel, Bern, Freiburg, Genf, Lausanne, Luzern, Lugano, Sion, St.Gallen und Zürich durchgeführt. Die Resultate sind eindeutig: 66% der Städter sind gegen ein generelles Tempo 30. Genauer gesagt ist die Mehrheit – zwischen 58% und 79% in neun von zehn Städten – gegen ein generelles Tempolimit von 30 km/h für alle Strassen im Stadtzentrum. Die Ausnahme bildet Lugano, wo nur 49% dagegen sind. In St.Gallen ist der Anteil der «Nein»-Antworten mit 79% am höchsten. Ein Festhalten der Stadtregierung würde somit eindeutig gegen den Volkswillen verstossen.

Wirkung über die Stadt St.Gallen hinaus

Der Entscheid der St.Galler Regierung hat Wirkung über die Stadtgrenzen hinaus. Aktuell werden im Kanton St.Gallen in verschiedenen Gemeinden diverse Anpassungen der Temporegime auf Kantons- und Gemeindestrassen 1. Klasse projektiert.

Der TCS fordert auch hier, die Strategie vor dem Hintergrund des klar geäusserten Volkswillens grundsätzlich zu überdenken. Erfahrungen aus der Anwendung von Verkehrsmodellen zeigen: Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen innerorts kann zu Verkehrsverlagerungen in Bereiche führen, in denen Durchgangsverkehr nicht erwünscht ist, z.B. in Wohnquartiere.

TCS-Sektion St.Gallen-Appenzell I.Rh.

FDP: Druck zeigt Wirkung

Aufgrund diverser kritischer Stellungnahmen zum Konzept Temporegime in der Stadt St.Gallen soll auf der Hauptverkehrsachse in Ost-West-Richtung weiterhin Tempo 50 gelten.

Diesen Regierungsentscheid nimmt die FDP des Kantons und der Stadt St.Gallen erfreut zur Kenntnis. Gemeinsam haben sie sich vergangenen Herbst in einer unmissverständlichen Vernehmlassungsantwort gegen die Einführung von flächendeckend Tempo 30, insbesondere auf Hauptverkehrsachsen, gewehrt. Zusammen mit weiteren Fraktionen wurden im Kantonsrat zudem eine Motion sowie zwei Interpellationen eingereicht.

Kein Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen

Dass die Regierung nun von ihrem ursprünglichen Vorhaben abweicht und eine erneute Prüfung durchführt, ist grundsätzlich positiv, jedoch nicht ausreichend. Da die Erkenntnisse aus dem ersten Bericht des Konzepts Temporegime Stadt St.Gallen aufgrund des Vernehmlassungsverfahrens revidiert werden mussten, sollte sich die Öffentlichkeit auch zum zweiten geplanten Bericht zu den Auswirkungen der nun vorgeschlagenen Veränderungen äussern können.

Unabhängig davon setzen sich die Freisinnigen weiterhin gegen Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen ein. Die Kantonsratsfraktion wird in diesem Zusammenhang auch an der bereits eingereichten Motion festhalten.

Auch die Stadt muss über die Bücher

Auch der Stadtrat der Stadt St.Gallen wird aufgrund der revidierten Einschätzungen der Regierung über die Bücher gehen müssen. Einerseits gilt es die Interessensabwägung neu vorzunehmen, andererseits müssen die geplanten zusätzlichen Strecken zur Lückenfüllung und zum Schutz der Parallelachsen neu beurteilt werden.

Trotz des Entgegenkommens von kantonaler Seite würde Tempo 30 gemäss jetzigem Stand nach wie vor auf wichtigen verkehrsorientierten Strassenabschnitten der Stadt eingeplant werden. Vor diesem Hintergrund wäre es unverständlich, wenn der Stadtrat am unveränderten Konzept festhalten würde.

Entscheid mit Signalwirkung

Der Entscheid der Regierung, nach sorgfältiger Interessensabwägung auf der Hauptverkehrsachse in St.Gallen weiterhin Tempo 50 beizubehalten, hat über die Stadt- und Kantonsgrenze eine erfreuliche Signalwirkung.

Die FDP hofft, dass dieser Grundsatzentscheid auch bei zukünftigen Vorhaben massgeblich berücksichtigt wird und von solch schädlichen Temporeduktionen auf verkehrsorientierten Strassen abgesehen wird. Dass Tempo-30-Zonen in Wohnquartieren durchaus Sinn ergeben können, wird damit jedoch keinesfalls bestritten.

FDP Kanton St.Gallen & FDP Stadt St.Gallen

Redaktion Linth24