Die Gewerbler beantragen in einem Brief an die Regierungsrätin Susanne Hartmann und Stadtpräsidentin Maria Pappa, die Umsetzung der flächendeckenden Einführung von Tempo 30 in der Stadt St.Gallen ausrücklich zu verzichten und die darin aufgeführten Massnahmen ersatzlos zu streichen. Folgende Gründe nennen sie für diese Haltung (im Wortlaut wiedergegeben):
1. Keine ausreichende Informationsgrundlage
Der bestehende Konzeptbericht wird der Öffentlichkeit und den Teilnehmern der vorliegenden Vernehmlassung derzeit vorenthalten. Die fehlende Informationsgrundlage erschwert bzw. verunmöglicht in unverständlicher Art und Weise das Vernehmlassungsverfahren. Auf eine Mitwirkung
der Bevölkerung wird verzichtet, weil zum jetzigen Zeitpunkt der Handlungsspielraum gering sei. Es ist zwingend, dass die bestehenden Informationen veröffentlicht und eine breite Mitwirkung angestrebt wird. Zum Konzeptbericht und allenfalls weiteren vorenthaltenen Informationen muss ausdrücklich Stellung genommen werden können.
2. Einseitige Fokussierung auf das Thema Lärm
Der Schutz der Bevölkerung vor Lärm ist zweifelsohne ein wichtiges Anliegen. Der Lärmschutz ist aber nicht das einzige öffentliche Interesse, welches die Behörden zu wahren haben. Zudem setzen Stadt und Kanton bei der Lärmbekämpfung auf das falsche Mittel, wenn sie einseitig das ganze Stadtgebiet betreffende Geschwindigkeitsreduktionen verfügen wollen.
Diese Massnahme ist nicht bloss sachlich falsch, sondern widerspricht auch dem Willen des Kantonsrates. Der Kantonsrat hat bekanntermassen beschlossen, dass Lärmsanierungen an Kantonsstrassen durch raumplanerische Massnahmen sowie den Einbau lärmarmer Beläge erfolgen sollen und auf Geschwindigkeitsreduktionen (Abweichung von Tempo 50 innerorts) zu verzichten ist.
3. Fehlende Sorgfalt bei der Prüfung der gegebenen Lärmsituation
Stadt und Kanton St.Gallen behaupten, eine Gesamtsicht vorgenommen zu haben. Dies trifft nicht zu. Die verkehrsplanerische Perspektive fehlt ebenso wie die Gewichtung anderer öffentlicher Interessen. Die gegebene Lärmsituation wurde nicht hinreichend sorgfältig abgeklärt. Das Konzept basiert allein auf dem Lärmbelastungskataster, ohne dass konkret geprüft wurde, wo überhaupt welche Lärmbelastungen vorhanden sind.
Unklar ist ferner, welchen konkreten Einfluss die vorgesehene flächendeckende Temporeduktion auf die Lärmbelastung hätte. Schliesslich bleibt nach dem Konzept ungeprüft, ob im Einzelfall nicht andere Massnahmen zielführend wären. Vielmehr soll - gestützt auf ein einziges Gutachten - als erste Stufe nachts in der ganzen Stadt Tempo 30 eingeführt werden. Die weiteren Stufen 2-4 würden damit präjudiziert, ohne dass die Ergebnisse von Stufe 1 auf ihre Wirksamkeit evaluiert würden.
4. Keine flächendeckende Sanierungspflicht
Eine Sanierungspflicht gilt gemäss LSV nur in bestimmten Fällen. Das Konzept zeigt nicht auf, wo überhaupt eine solche Pflicht besteht. Überdies verzichtet das Konzept auf alle anderen, ebenfalls dem Lärmschutz dienenden raumplanerischen Massnahmen, auf Massnahmen an der Quelle (Flüsterbeläge, Massnahmen an den Fahrzeugen etc.), Massnahmen am Ausbreitungsweg (Lärmschutzwände etc.) und Ersatzmassnahmen an Gebäuden (schalldämpfende Fenster, räumliche Anordnung lärmsensibler Innenräume etc.).
Ob überwiegende Interessen der angedachten Temporeduktion entgegenstehen, wurde nicht geprüft. Ebenso wenig wurde geprüft, ob im Einzelfall Erleichterungen von der Sanierungspflicht gewährt werden könnten. Das Konzept verletzt damit geltendes Bundesrecht.