Es war das letzte Refugium der freundeidgenössischen Normalität, quasi die Trutzburg des gesunden Menschenverstands: das Schwingen, Schweizer Nationalspiel seit Gotthelfs Zeiten.
Die Bösen sind die Guten
Hier sind die Bösen die Guten, der Sieger wischt dem Verlierer das Sägemehl vom Hemd, in der Mittagspause gibt’s Hackbraten und Kartoffelstock – und bei der Preisverteilung übergeben die Ehrendamen die Lorbeerkränze.
Das Gendern schien in dieser Welt so weit weg wie das Emmental vom Mond oder der Brünig vom Disneyland. Doch nun machen ausgerechnet die Glarner – Veranstalter des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2025 ernst – und das so richtig.
Doppelpunkt und Genderstern
Sie führen den Doppelpunkt und den Genderstern ein. In einem Aufruf heisst es: «Gastgeber:in werden. Einmal im Leben das ESAF hautnah erleben und ein wichtiger Teil davon sein. Als Helfer:in oder Gastgeber:in, wie wir es nennen, ist genau das möglich.»
Damit orientieren sich die Organisatoren der grössten Schweizer Sportveranstaltungen an der neuen olympischen Realität. Dort inszenierten in Paris am Freitag an der Eröffnungsfeier Drag-Queens und Transvestiten das Abendmahl.
Demokratischer Entscheid
Auf der Geschäftsstelle des ESAF lässt man sich vom Aufschrei der Entrüstung im Sägemehl nicht bodigen. Geschäftsstellenleiterin Daniela Heussi erklärt den Genderstern mit organisatorischem Pragmatismus: «Es ist kein Selbstläufer, 6'000 bis 7'000 Helfende zu finden. Deshalb wollen wir bei der Suche niemanden ausschliessen». Der Entscheid, auf Homepage und Helfer:innen-Aufruf die Gendersprache zu verwenden, sei demokratisch im OK gefällt worden.
Aufruf zu Toleranz
Am Sitz des Eidgenössischen Schwinger-Verbands in Burgdorf nimmt Geschäftsstellenleiter Rolf Gasser die leidenschaftlich geführte Debatte mit freundeidgenössischer Gelassenheit zur Kenntnis: «Jedes OK kann das so handhaben, wie es will. Verbindliche Richtlinien existieren nicht.»
Gasser ruft zu Toleranz auf – und outet sich selber als schwingerischer Gender-Pionier: «Am Oberaargauischen Verbandsfest vor einem Jahr verwendeten wir ebenfalls die Gendersprache. Und ich war damals OK-Präsident.» Zu Schaden gekommen sei niemand, sagt Gasser augenzwinkernd: «Deswegen geht weder die Welt unter noch erleidet die Tradition Schiffbruch».
WC nur für zwei Geschlechter
Derweil kommen auch aus dem Glarnerland beschwichtigende Töne. Daniela Heussi verspricht, dass weder Genderstern noch Doppelpunkt auf dem Festgelände in Mollis Ende August 2025 zu sehen sein werden. Und auch in anderer Beziehung bleibe die Kirche im Dorf: «Wir werden WC-Anlagen für zwei Geschlechter installieren – und nicht für drei».