In vielen Schweizer Regionen stellt der Bahn-Ausbauschritt 2035 von Bund und SBB mehr Züge und mehr Sitzplätze in Aussicht und ist ein Grund zur Freude. Doch im Glarnerland herrscht die Befürchtung, abgehängt zu werden. Die Planungen sehen zwischen Linthal und Ziegelbrücke einen exakten Halbstundentakt vor. Im Gegensatz zu heute sollen die Züge aus dem Glarnerland aber ab Ziegelbrücke nicht mehr direkt nach Zürich (S25 ZVV) oder durch das Linthgebiet nach Rapperswil (S6 Ostwind) weiterfahren. Künftig ist dafür immer ein Umstieg in Ziegelbrücke notwendig.
Wirtschaftsstandort und Tourismusdestination in Gefahr
Für den grünen Glarner Ständerat Mathias Zopfi ist das eine «inakzeptable» Verschlechterung. Der Kanton Glarus würde als Wirtschaftsstandort und Tourismusdestination durch den Entfall der Direktverbindungen deutlich an Attraktivität verlieren. Ob Zupendler, Wegpendler oder auswärtige Freizeitreisende: Alle wären negativ betroffen und könnten dazu neigen, stattdessen das Auto zu nehmen.
Zopfi reichte darum im letzten Herbst eine Motion für den Erhalt der Direktzüge nach Zürich und Rapperswil ein. In der Ratsdebatte warnte er vor einem Rückschritt in die 1850er-Jahre – und hatte damit Erfolg: Der Ständerat nahm seinen Vorstoss mit 33 zu 1 Stimme an (Bericht). Der Bundesrat hatte eine Ablehnung empfohlen und kündigte an, bei der geplanten Überarbeitung des Bahn-Ausbaukonzepts die Direktzüge zu prüfen, allerdings ohne Garantie für die Umsetzung.
Anklang bei der Bevölkerung und sogar bei der SVP
Der Vorstoss stiess in der Glarner Bevölkerung auf grossen Anklang. Er habe noch nie so viel Unterstützung für einen Vorstoss erhalten, sagte Zopfi kürzlich gegenüber «Züri Today». Das Bedürfnis nach Direktverbindungen wird auch von Pro Bahn Schweiz bestätigt, der Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs. Diese bezeichnet Strecken mit Umstieg und allfälliger Reisezeitverlängerung als «abschreckend» für Pendler, Touristen mit viel Gepäck oder Ausflügler mit kleinen Kindern.
Sogar auf der anderen Seite des politischen Spektrums konnte der grüne Ständerat Zopfi laut «Züri Today» einen Verbündeten für sein Anliegen gewinnen: den Glarner SVP-Nationalrat Markus Schnyder. Schnyder befürchtet bei einem Wegfall der Direktverbindungen einen Wechsel aufs Auto und damit noch häufigere Staus auf den bereits überlasteten Strassen.
Steuerausfälle und Umwelt als freisinnige Gegenargumente
Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen. Eine davon ist der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Aus seiner Sicht machen direkte Züge nach Zürich das Wohnen im Glarnerland und damit das Pendeln attraktiv, was für Zürich aber Steuerausfälle bedeute. Gleichzeitig zahle sein Kanton am meisten in den Finanzausgleich ein. Aber auch wegen der Umwelt sähe es Portmann lieber, wenn Berufstätige dort wohnten, wo sie auch arbeiteten.
Am 11. Juni behandelt der Nationalrat Zopfis Motion. Weil es in der Verkehrskommission keine Gegenstimmen gegeben habe, sieht Nationalrat Schnyder gute Chancen, dass der Nationalrat zustimmt. Doch ob der Bund tatsächlich eine fahrplantechnische Lösung findet, damit sich das Glarnerland nicht von Zürich und Rapperswil abgehängt fühlt, scheint alles andere als sicher.