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30.01.2024
30.01.2024 17:07 Uhr

Regierungsrat Tinner: «St.Gallen ist bei mittleren Einkommen nicht konkurrenzfähig»

Regierungsrat Beat Tinner zu Wölfen, Verkehr, Wasser- und Windkraft, Start-ups, Berufslehre (der Königsweg) und vielen Fragen mehr.
Regierungsrat Beat Tinner zu Wölfen, Verkehr, Wasser- und Windkraft, Start-ups, Berufslehre (der Königsweg) und vielen Fragen mehr. Bild: who-s-who.ch
Beat Tinner (FDP) ist als Volkswirtschaftsdirektor seit 2020 Mitglied der St.Galler Regierung. Er erläutert, wo er bei Verkehrs- und Bildungsfragen steht, wie er Wind- und Flusskraft beurteilt – und was er von Wolfsabschüssen hält.

Beat Tinner, wie stehen Sie zu den bewilligten Abschüssen von Wolfsrudeln im Kanton St.Gallen?
Die Abschussverfügung des Calfeisentalrudels, die mein Amt für Natur, Jagd und Fischerei erliess, unterstütze ich selbstverständlich. Vor der Ausstellung solcher Verfügungen erfolgt stets eine eingehende Prüfung des Sachverhalts. Die Abschusserlaubnis ist zeitlich begrenzt und auf ein Gebiet beschränkt. Verhaltensauffällige Tiere müssen zum Schutz der Landwirtschaft entfernt werden. Folglich soll auch ein Wolf im Schilstal entnommen werden, der im November 2023 noch Schafe gerissen hat.

Wie stehen Sie zum Projekt Wil West: Soll es weitergeführt werden, vielleicht nur im Thurgau, nachdem das St.Galler Stimmvolk 2023 dazu Nein gesagt hat?
Wil West löst Verkehrsprobleme im Raum Wil und setzt bodensparend die Bereitstellung von Arbeitszonenflächen auf dem Hoheitsgebiet des Kantons Thurgau um. Diese Arbeitsflächen befinden sich an geografisch wichtigen Orten. Die Fokussierung auf strategische Arbeitsplatzgebiete trägt dazu bei, dass die Wirtschaft nicht unkoordiniert wächst und es nicht zu Zersiedelung kommt. Eine überregionale Planung ist unerlässlich. Bezüglich Nachhaltigkeit schneidet Wil West vorbildlich ab. Unter anderem wird die Verwendung von Photovoltaik-Anlagen geprüft und es werden neue Fuss- und Velowege eingerichtet.

Unterstützen Sie den neuen Autobahnanschluss bzw. die Engpassbeseitigung auf der A1 in der Stadt St.Gallen?
Die Engpassbeseitigung, die 3. Röhre im Rosenberg sowie die Entwicklung des Güterbahnhofareals sind wichtige Infrastrukturprojekte – nicht nur für die Stadt St.Gallen, sondern auch für die Ostschweiz. Die Autobahn A1 ist eine der wichtigsten Verkehrsrouten auf der Ost-West-Achse und muss entsprechend instand gehalten werden. Der neue Autobahnanschluss und der Rosenbergtunnel werden dazu beitragen, Verkehr aus der Stadt auf die Autobahn zu verlagern. Zudem wird der ÖV nicht behindert.

«SBB im Linthgebiet und Rheintal und Ausbau Busverbindungen»

Wie soll der ÖV im Kanton St.Gallen verbessert werden?
Mit dem SBB-Doppelspurausbau zwischen Uznach und Schmerikon konnte bereits eine Verbesserung erreicht werden. Die Passagiere profitieren mit kürzeren Reisezeiten vom Linthgebiet nach St.Gallen. Im Rheintal folgt ein halbstündlicher Takt zwischen St.Gallen und Chur auf 2024. Dies geht einher mit dem Ausbau der Busverbindungen, die sich auf das attraktive Bahnangebot im Rheintal, Werdenberg und im Sarganserland anpassen. Zusätzlich gibt es auch im grenzüberschreitenden Verkehr Verbesserungen. Bereits heute können Theaterbesucher mit einem gültigen Eintrittsticket gratis nach St.Gallen fahren.

Und wie sieht es beim Strassenverkehr aus, was soll gegen Staus und Verkehrsbehinderungen unternommen werden?
Die Umfahrungen im Toggenburg wurden abgeschlossen und verbessern die Anbindung an das übergeordnete Strassennetz erheblich. In Wil, Rorschach und in Rapperswil sind Planungen im Gang, um Stausituationen entgegenzuwirken. Zudem schreiten die Arbeiten an der Stadtautobahn und dem neuen Autobahnanschluss in St.Gallen voran.

Wie kann sich der Kanton St.Gallen weiterhin als attraktiver Wirtschaftsstandort profilieren?
Die Regierung unterstützt mit ihrer Schwerpunktplanung Aktivitäten, um Innovationen zu fördern. Der Innovationspark konnte erfolgreich umgesetzt werden. Mit einem ETH-/Empa-Lehrstuhl in St.Gallen wird der Wissenstransfer in der Biomedizintechnik gefördert und jüngst fasste die Regierung einen Beschluss, die Start-up-Szene mit zusätzlichen Mitteln zu unterstützen. Damit wollen wir für die Gründerszene, die derzeit in Zürich, Berlin und München angesiedelt ist, einen zusätzlichen Hotspot in St.Gallen schaffen. Unsere Universität St.Gallen, die Fachhochschulen, das Kantonsspital mit seinen Forschungsaktivitäten sowie die Empa bieten ein ausgezeichnetes Umfeld für Neugründungen.

«Die Berufslehre ist der Königsweg und bietet essentielles Praxiswissen»

Soll der Kanton St.Gallen noch mehr Maturanden produzieren – oder wieder vermehrt auf die Berufslehre setzen?
Die Maturitätsquote im Kanton St.Gallen ist im interkantonalen Vergleich eher tief. Die Berufslehre ist weiterhin der Königsweg und bietet essenzielles Praxiswissen für den Arbeitsmarkt. Dank der Berufsmatura und einer Ergänzungsprüfung können interessierte Studierende sich an einer Universität einschreiben oder sich für einen Fachhochschulweg entschliessen. Die praxisbezogenen Ausbildungswege helfen, dass Arbeitskräfte entsprechend den Bedürfnissen der Wirtschaft ausgebildet werden.

Wie sehen Sie Steuersenkungen auf Kantonsebene?
Der Kanton St.Gallen ist im mittleren Einkommenssegment nicht konkurrenzfähig. Weitere Massnahmen sind notwendig. Dennoch konnten wir als Regierung in den vergangenen Jahren einige Verbesserungen erreichen – wie die Abschaffung der ergänzenden Vermögenssteuer oder die Reduktion des Kantonssteuerfusses.

«Tempo 30 dort wo zielführend aber nicht als Ideologie»

Wie stehen Sie zu Tempo 30 auf Hauptstrassen?
Ich setze mich für eine pragmatische Umsetzung ein. Auf Hauptstrassen in der Nähe von Zentren oder Schulen kann Tempo 30 zielführend sein. Es darf aber nicht dazu führen, dass aus ideologischen Überlegungen auf verkehrsorientierten Strassen solche Massnahmen flächendeckend umgesetzt werden. Es besteht auch das Risiko, dass der ÖV durch eine uneingeschränkte Umsetzung von Tempo 30 unnötig verlangsamt wird und damit Mehrkosten für zusätzliche Busumläufe entstehen.

Wie soll die Volksschule weiterentwickelt werden – Stichwort: «Perspektiven der Volksschule 2023»?
Die angestossene Totalrevision des Volksschulgesetzes ist anspruchsvoll und wird nur gelingen, wenn alle Interessengruppen rechtzeitig einbezogen werden. Es wird von allen eine Bereitschaft abverlangt, sich auf Veränderungen einzustellen. Die Schule muss sich den gesellschaftlichen Veränderungen und den wandelnden Anforderungen der Wirtschaft, beispielsweise hinsichtlich der Digitalisierung, anpassen.

Wie stehen Sie zu einem Rheinkraftwerk?
Auf Bundesebene ist der Schutz der Trockenwiese, die durch ein Wasserkraftwerk beeinträchtigt würde, zu lösen. Gespräche zu diesem Geschäft sind im 1. Quartal geplant. Eine Realisierung unterstütze ich, denn zur Erreichung des Netto-Null-Ziels des Bundes sind wir auf eine weitere Stromproduktion aus erneuerbaren Energien angewiesen

«Nur ein Mix aus erneuerbaren Energien hilft, die Klimaziele zu erreichen»

Und wie zu Windkraftwerken im Kanton St.Gallen?
Wasser, Wind und Sonne sind Energieträger, die wir nutzen müssen. Deshalb unterstütze ich auch Windkraftanlagen am richtigen Ort. Letztlich können wir nur durch einen Mix aus erneuerbaren Energien unsere Klimaziele erreichen.

Wie sehen Sie die Zukunft der St.Galler Spitäler, die jährliche Millionendefizite produzieren?
Das Spitalwesen muss dringend dem Einflussbereich der Politik entzogen werden. Ein erster Schritt ist das Zusammenlegen der Spitalverbunde in ein einziges Unternehmen, ausgestaltet als öffentlich-rechtliche Anstalt.

Soll das KSSG St.Gallen trotzdem eine Herzchirurgie erhalten?
Ja, da der Bedarf an Patientinnen und Patienten in der Ostschweiz ausgewiesen ist.

Stephan Ziegler, stgallen24