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14.08.2022

Wohin mit all den unerwünschten Tieren?

In der Schweiz leben zwischen 100'000 bis 300'000 herrenlose Katzen.
In der Schweiz leben zwischen 100'000 bis 300'000 herrenlose Katzen. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
Die Tierheime sind übervoll. Weder Tierschutzorganisationen noch Veterinärämter wissen, wohin mit unerwünschten Katzen. Das Problem liegt nicht zuletzt auch bei den KatzenhalterInnen, sagt NetAP.

«Die Schweiz versinkt immer mehr im Katzenelend, doch die Politik bleibt passiv», schreibt das Netzwerk für Tierschutz (NetAP) in ihrer Mitteilung. Das Katzenelend werde zwar nicht bestritten, dennoch weigere sich die Politik weiterhin, gegen das Katzenleid vorzugehen. Sie überlasse es vielmehr einfach den Tierschutzorganisationen wie NetAP, das auszubügeln, was verantwortungslose Tierhalter anrichten würden.

Tierschützer am Anschlag

«Der Monat Juli hat uns schier zur Verzweiflung gebracht», sagt Esther Geisser, Präsidentin und Gründerin von NetAP. Unzählige Meldungen über Katzenmütter mit Nachwuchs oder andere unterwünschte Katzen seien eingegangen, weit mehr, als die Organisation habe bewältigen können. «Viele Melder haben zuvor schon vergeblich versucht, bei lokalen Vereinen oder Tierheimen Hilfe zu bekommen, aber die Tierheime sind voll, ebenso die Pflegestellen. Und so werden die Hilfesuchenden meist weitergereicht, bis sie irgendwann aufgeben», befürchtet Geisser.

Die wenigen ausgebildeten Helfer seien täglich im Einsatz, um Katzen einzufangen, unterzubringen, Kastrationen zu veranlassen und schwerkranke Tiere in Kliniken einzuweisen. Ein Ende des Elends sei nicht in Sicht. Einziger Hoffnungsschimmer: Wenn die Ferienzeit vorüber ist, haben einige Tierheime wieder etwas mehr Kapazität, weil die Ferientiere wieder nach Hause gehen. So könnten sie dann wieder die eine oder andere Katze aufnehmen.

Bis 300'000 herrenlose Katzen in der Schweiz

In der Schweiz leben laut NetAP zwischen 100'000 und 300'000 herrenlose Katzen. Hinzu kommen ebenso viele vernachlässigte Katzen.

Aufgrund der fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten müssen viele Tiere ihrem Schicksal überlassen werden, so das Netzwerk weiter. Das bedeute nicht selten, dass die Katzen qualvoll sterben oder aktiv getötet werden. Die Tötung überzähliger Tiere stelle aber nicht nur keine nachhaltige Methode zur Populationskontrolle dar, sie sei bei nicht fachgerechter Ausführung gesetzeswidrig und aus Tierschutzsicht ohnehin klar abzulehnen.

Problem: Nicht kastrierte Tiere

Eine der Hauptursachen der Streunerproblematik in der Schweiz liege darin, dass die Halter ihre Freigänger-Katzen nicht kastrieren liessen und diese dann zusammen mit anderen herrenlosen, unkastrierten Tieren ständig und unkontrolliert für weiteren Nachwuchs sorgen.

Dies, obwohl die Tierschutzverordnung ausdrücklich festhält, dass Tierhaltende alles Zumutbare tun müssen, um zu verhindern, dass sich ihre Tiere übermässig vermehren.

Paarungsverhalten nicht kontrollierbar

Das Paarungsverhalten unkastrierter Freigänger-Katzen zu kontrollieren, ist für deren Halter aus faktischen Gründen aber unmöglich. Eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen würde eine verhältnismässige Massnahme darstellen, um einen weiteren Anstieg der Streunerpopulation zu verhindern, das Katzenleid zu verringern und den Katzenbestand in der Schweiz nachhaltig zu regulieren.

«Leider lehnen die Politiker bisher jeden Vorstoss in diese Richtung vehement ab und stützen sich dabei auf ein Schreiben aus dem Jahre 2018 des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, welches längst widerlegt wurde. Das BLV selbst hat bestätigt, dass sich seine damals gemachten Aussagen lediglich auf Vermutungen stützten», so NetAP in ihrer Mitteilung.

«Eine Kastrationspflicht würde den Halter und somit den Verursacher des Elends direkt in die Pflicht nehmen. Ohne eine Kastrationspflicht werden aber genau diese verantwortungslosen Personen geschützt», sagt Geisser und bemängelt, dass schliesslich der Allgemeinheit und insbesondere den Tierschutzorganisationen überlassen wird, das von den Politikern tolerierte Elend zu lindern, obschon eine Kastrationspflicht die Staatskasse nicht belasten würde.

Halter oft uneinsichtig

Immer wieder würden die NetAP-Einsatzkräfte an Orte gerufen werden, wo sie zu guter Letzt nichts ausrichten könnten, weil die Halter uneinsichtig sind und sich weigern, den Kreislauf des Elends zu unterbrechen und lieber töten als kastrieren. Dann stossen die Tierschützer auf ein weiteres Problem: Wenn der unerwünschte Nachwuchs nämlich plötzlich und regelmässig verschwindet, tragen die Tierschützer die Beweislast dafür, dass etwas Widerrechtliches geschehen ist. Das heisst, sie müssen beweisen, dass die Kätzchen nicht fachgerecht getötet worden sind. «Als ob wir danebenstehen würden, um zu dokumentieren, wie die Katzen ertränkt, erschlagen oder erschossen werden», sagt Geisser. Getötet werde weiterhin häufig, ist sich Geisser sicher. Etwa 100'000 «überschüssige» Kätzchen pro Jahr, hatte NetAP vor einigen Jahren hochgerechnet.

Die Situation habe sich seither sogar eher verschlimmert. Regelmässig bekomme NetAP auch Meldungen von Veterinärämtern mit der Bitte, einen Katzenbestand einzufangen und kastrieren zu lassen. Und dies nicht etwa auf Kosten des Staates oder des Tierhaltenden, sondern auf Kosten der Tierschutzorganisation. Unterstützung vom Staat gebe es keine. Geisser ist sich sicher, wenn es so weitergeht, werden wir auch in der Schweiz bald eine Situation antreffen, die den Zuständen in Ost- oder Südeuropa in nichts nachstehen werden.

NetAP / Zürioberland24