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Weesen
03.05.2020
03.05.2020 06:58 Uhr

«Mittelalterliches Pompeji der Ostschweiz»

Das Weesner Seeufer mit einem Teil des Hafens.
Das Weesner Seeufer mit einem Teil des Hafens. Bild: Stefan Knobel, Linth24
Der namenkundliche Streifzug auf Linth24 führt heute nach Weesen: Riviera am Walensee, Römerkastell und Mittelalterstadt.

Die Gemeinde Weesen schmiegt sich an das Westufer des Walensees und den Linthkanal. Sie zeichnet sich durch ihr malerisches Städtli und die Seepromenade aus. Terrassierte Rebberge und südländische Palmen vermitteln einen Hauch von Riviera. Über 1700 Menschen bewohnen heute diesen Ort, der auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurückblickt.

Linthkorrektion und Maag

Weesens Erscheinungsbild präsentierte sich vor der Linthkorrektion (1807–1823) anders: Der Walenseespiegel lag ca. 5 Meter höher und bedeckte weite Teile der heutigen Promenade. Der See entwässerte in die Maag; diese traf bei Ziegelbrücke auf die Linth, die in vielen Windungen vom Glarnerland in den Obersee floss. Teile der Linthebene waren versumpft und oft kam es zu Überflutungen, auch in Weesen.

Aussicht vom Weesner Chapfenberg in Richtung Linthebene, Linthkanal und Glarnerland.

Während sich die Gewässersituation stark verändert hat, erweist sich das zugehörige Namengut als beständiger, teils seit vorrömischer Zeit. So lässt sich der Name der Maag – heute ein Bächli – vordergründig auf gallisch *Magā «die Grosse» (zu *magos «gross») zurückführen. Doch da wir uns auf der Linthebene befinden, wäre es nicht unplausibel, dass bei der Benennung auch ein keltisches Wort für «Feld, Ebene» (*magos-) hineingespielt haben könnte.

Der Name Maag erscheint ferner als Hinterglied von gallisch *Lindomagos bzw. *Lindomagā (weiblich) «Linth-Maag», dem aus Linth und Maag gespeisten Wasserlauf und Zürichsee-Zufluss. Auf einem römischen Fluchtäfelchen aus Kempraten finden wir eine unklare Ortsbezeichnung Lindomagus, die indirekt mit diesem Gewässer zusammenhängen kann.

An dieser Stelle ein kurzer Einschub: Wie wir gesehen haben, lässt sich die Linthmaag von *Lindomagos/*Lindomagā herleiten. Interessanterweise haben die Gallier anscheinend auch einen Abfluss des Zürichsees so genannt, er ist heute als Limmat bekannt.

Von der Jungsteinzeit übers Mittelalter bis heute

Die strategisch und verkehrstechnisch günstige Lage zog Menschen seit jeher an die Walensee-Mündung. Weesen war Brücken- und Hafenstandort an jener Transitroute, die von Zürich zu den Bündner Pässen und von dort weiter nach Süden führte.

Das heutige Parkhotel Schwert war bereits im 14. Jahrhundert ein Gasthof.

Früheste Funde stammen aus der Jungsteinzeit, später errichteten die Römer ein Kastell (Rosengärten, 4. Jh. n. Chr.). Im Mittelalter wuchsen zwei Hofsiedlungen zu einem ummauerten Städtchen, das die Habsburger mit Privilegien ausstatteten. Doch am 9. April 1388 gipfelte der Konflikt zwischen Eidgenossen und Habsburgern dramatisch: Die Weesner brannten die eigene Stadt nieder, die Wüstung blieb bis ins 19. Jahrhundert fast unberührt – ein Glücksfall für die Archäologie, die in Alt-Weesen ein «mittelalterliches Pompeji der Ostschweiz» sieht.

Weesens Ortsname ist vom Mittelalter an bezeugt: 1232 (1225?) als Wesin, bald darauf als Wesen und vereinzelt als Guixna (1292). Ursprünglich lag eine althochdeutsche Ortsbezeichnung *zi wasin «beim Rasen, beim Sumpf» zugrunde. Das Wort waso bezeichnete ein feuchtes Stück Land und lebt auch im Begriff Wase(n) für «Rasen» (Schweiz, Österreich) weiter.

Erläuterungen

*: Eine unbezeugte, aber erschliessbare Form.

Gallisch: Die Sprache der antiken Kelten in weiten Teilen der Schweiz und Frankreichs.

Althochdeutsch: Die Vorstufe der heutigen deutschen Sprache.

Ressourcen

ortsnamen.ch: https://www.ortsnamen.ch/

Historisches Lexikon der Schweiz (HLS): https://hls-dhs-dss.ch/

Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: https://www.dwds.de/

Delamarre, Xavier: Dictionnaire de la langue gauloise. Une approche linguistique du vieux-celtique continental. 2e édition revue et augmentée, Paris 2003: éditions errance.

Frei-Stolba, Regula/Koch, Pirmin/Lieb, Hans W.: Eine neue Fluchtafel aus Kempraten (Kt. St. Gallen / CH), in: Scholz, Markus/Horster, Marietta (Hrsg.): Lesen und Schreiben in den römischen Provinzen. Schriftliche Kommunikation im Alltagsleben, Mainz 2015: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, S. 113–122.

Greule, Albrecht: Deutsches Gewässernamenbuch. Etymologie der Gewässernamen und der dazugehörigen Gebiets-, Siedlungs- und Flurnamen. Unter Mitarbeit von Sabine Hackl-Rößler, Berlin/Boston 2014: Walter de Gruyter.

Schindler, Martin Peter: Das 1388 zerstörte Alt-Weesen. Eine archäologische Fundgrube, in: Mittelalter. Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins 6, 2001, S. 19–25.

Stefan Knobel, Linth24