Home Region Sport Schweiz/Ausland Rubriken Agenda
Immo & Bau
21.01.2025
21.01.2025 16:58 Uhr

Beton als Kohlenstoffspeicher

Beton ist für die Aufnahme von Kohlenstoff prädestiniert, da er enorme Mengen aufnehmen kann.
Beton ist für die Aufnahme von Kohlenstoff prädestiniert, da er enorme Mengen aufnehmen kann. Bild: Empa / Adobe Stock
Für das Klima will die Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere» der Atmosphäre überschüssiges CO₂ entnehmen und in Baumaterialien wie Beton speichern. Die Empa sieht Potenzial.

Um die CO₂-Konzentration auf das Niveau von 1988 (350 ppm) zu senken, müssten schätzungsweise 400 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt werden. Empa-Forschende haben berechnet, dass dieser überschüssige Kohlenstoff bis Mitte des nächsten Jahrhunderts in Baumaterialien wie Beton gespeichert werden könnte. Dies setzt voraus, dass nach 2050 ausreichend erneuerbare Energie zur CO₂-Entnahme zur Verfügung steht. Ziel der «Mining the Atmosphere»-Initiative ist es, CO₂ nicht nur zu binden, sondern als wertvollen Rohstoff zu nutzen.

Baumaterialien sind entscheidend

Überschüssige erneuerbare Energie wird genutzt, um CO₂ in Methan oder Methanol umzuwandeln, die wiederum zu Polymeren, Wasserstoff oder festem Kohlenstoff weiterverarbeitet werden. «Selbst wenn genügend erneuerbare Energie verfügbar ist, bleibt die zentrale Frage, wie diese riesigen Mengen Kohlenstoff langfristig gelagert werden können. Beton scheint dafür prädestiniert, da er enorme Mengen aufnehmen kann», erläutert Pietro Lura, Leiter der Empa-Abteilung Beton und Asphalt.

Die Forschenden verglichen deshalb die Masse der weltweit verwendeten Materialien wie Beton, Asphalt oder Kunststoffe mit der Menge an Kohlenstoff, die aus der Atmosphäre entfernt werden muss – einschliesslich der schwer vermeidbaren Emissionen. «Die weltweit benötigte Masse an Baumaterialien übersteigt den überschüssigen Kohlenstoff in der Atmosphäre bei weitem. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, wie schnell und effizient Kohlenstoff in diese Materialien eingebracht werden kann, ohne deren Eigenschaften zu verschlechtern», so das Fazit von Lura.

Hohe Speicherdichte von Kohlenstoff

Im Vergleich zu anderen CO₂-Minderungsmassnahmen wie unterirdische Speichermethoden bietet der «Mining the Atmosphere»-Ansatz mehrere Vorteile: Er sorgt für langfristige Stabilität sowie eine hohe Speicherdichte von Kohlenstoff und ermöglicht eine dezentrale Umsetzung. Gleichzeitig lassen sich so herkömmliche CO₂-emittierende Baumaterialien ersetzen. «Kohlenstoff muss in stabile Materialien eingebunden werden, da eine direkte Lagerung gefährlich sein kann – beispielsweise durch Brandgefahr. Idealerweise werden diese mit Kohlenstoff angereicherten Baumaterialien über mehrere Recyclingzyklen verwendet, bevor sie schliesslich sicher deponiert werden», so Lura.

Laut dem Empa-Forscher soll dieses Konzept nicht nur zur Reduktion von CO₂ beitragen, sondern auch eine kohlenstoffbindende Wirtschaft ermöglichen, die sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bietet. «Kohlenstoff aus der Atmosphäre kann beispielsweise für die Herstellung von Polymeren, Bitumen für Asphalt oder keramischen Materialien wie Siliziumkarbid genutzt werden. Ausserdem könnten weitere hochwertige Materialien wie Karbonfasern, Kohlenstoffnanoröhren und Graphen den gesamten Prozess wirtschaftlich tragfähig machen – wobei Beton eindeutig den grössten Anteil am Kohlenstoffspeicher ausmachen wird.»

Beton könnte ganz erhebliche Mengen an CO₂ speichern, wenn herkömmliche Gesteinskörnungen z.B. durch Pellets aus Pflanzenkohle ersetzt würden. Bild: Empa

Harte Gesteine aus Kohlenstoff als Beschleuniger

Wie lange würde es somit dauern, das gesamte überschüssige CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen? Bei einem optimalen Szenario könnten Baumaterialien wie Beton jährlich bis zu zehn Gigatonnen Kohlenstoff binden. Dieses Potenzial würde jedoch erst ab 2050 voll ausgeschöpft werden, wenn nach der Energiewende genügend erneuerbare Energie vorhanden ist.

Neben den überschüssigen 400 Gigatonnen Kohlenstoff müssten bis 2100 zusätzlich mindestens 80 Gigatonnen aus schwer vermeidbaren Emissionen entfernt werden. Gemäss den verschiedenen Szenarien liesse sich damit innerhalb von 50 bis 150 Jahren das überschüssige CO₂ vollständig in Baumaterialien unterbringen – was das CO₂-Niveau wieder auf das angestrebte Niveau von 350 ppm bringen würde.

Der Schlüssel zu den optimistischsten Szenarien liegt in der Herstellung von Siliziumkarbid, das als Füllstoff in Baumaterialien genutzt werden kann. «Siliziumkarbid bietet enorme Vorteile, da es den Kohlenstoff praktisch für immer bindet und mechanisch hervorragende Eigenschaften besitzt. Allerdings ist die Herstellung äusserst energieintensiv und stellt eine der grössten Herausforderungen dar, sowohl in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit als auch auf eine nachhaltige Umsetzung», so Pietro Lura.

Kombination aus porösem Kohlenstoff und Siliziumkarbid

Allein mit Kohlenstoff in Form von poröser Gesteinskörnung würde es mehr als 200 Jahre dauern, den gesamten anthropogenen Kohlenstoffüberschuss zu beseitigen. Eine Kombination aus porösem Kohlenstoff und Siliziumkarbid bietet sich deshalb als praktikable Lösung an. Dadurch könnten grosse Mengen Kohlenstoff in Beton gespeichert werden, der zudem dauerhafter und stabiler wäre als herkömmlicher Beton.

«Ziel sollte es dennoch sein, möglichst viel CO₂ pro Jahr aus der Atmosphäre zu entfernen, um zusammen mit anderen Massnahmen in einem realistischen Zeitrahmen auf 350 ppm CO₂ zu kommen. Gleichzeitig ist es entscheidend, fortlaufend unsere Emissionen zu minimieren, damit der Rückholprozess nicht umsonst ist», so der Empa-Forscher.

Empa/gg / Linth24