Vor mir im Wald riecht es penetrant nach Maggi, schreibt Jürg Vollmer vom Landwirtschaftlichen Informationsdienst LID. Genau genommen nach dem Aromastoff Sotolon, der wie die Maggi-Würzsauce oder Liebstöckel, auch Maggikraut genannt, riecht. Hinter den Büschen essen aber keine Pfadfinder ihre Suppe aus den Gamellen – dort verstecken sich Wildschweine.
Wenn Wildschweine aggressiv sind, werden sie im wörtlichen Sinne stinkig. Und hinter den Büschen steckt ein Problem: Ein Muttertier, Bache genannt, mit ihren Jungtieren. Ein Problem, das 150 Kilogramm schwer ist, mit einem kräftigen Gebiss und scharfen Eckzähnen – und mit 40 Kilometer pro Stunde so schnell wie ein E-Bike.
Rechtsumkehrt! Zurück zur Landwirtin, auf deren Äckern im Kanton Zürich der Rest der Wildschweinrotte wütet. Mit Rüssel und Eckzähnen wühlen die Wildschweine nach Engerlingen, Würmern und Mäusen. Sie sind scharf auf das tierische Eiweiss unter dem Boden. Und auf die landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais und Kartoffeln, Weizen und Raps sowie Zuckerrüben.
Die Landwirtin hat ihren Weizen mit einem dreifach gespannten und mit 10'000 Volt extra starken elektrischen Weidezaun gesichert. Dessen blauen Litzen berührt man besser nicht, das fitzt saumässig. Und vom akustisch-optischen Wildschwein-Schreck am Feldrand bekommen Wanderer fast einen Herzinfarkt, die Wildschweine lassen sich aber nicht beeindrucken. «Nichts kann die Wildschweine aufhalten», klagt die Landwirtin, «es kommen immer mehr!»
Nicht einmal Autobahn kann Wildschweine aufhalten
Dabei galten die Wildschweine in der Schweiz im 20. Jahrhundert als ausgerottet. Abholzung und Übernutzung der Wälder sowie die Jäger machten den Wildschweinen den Garaus. Gejagt wurde das Schwarzwild, wie die Tiere wegen ihrer Fellfarbe auch genannt werden, weil die Jäger mit einem einzigen erlegten Tier ihre Familien wochenlang ernähren konnten. Ein Überläufer – ein einjähriges Wildschwein – mit 60 Kilogramm Lebendgewicht bringt 24 Kilogramm bestes Fleisch und dazu bis zu 10 Kilogramm Speck.
Erst in den 1920er-Jahren kamen aus Frankreich, Deutschland und Italien wieder Wildschweine in die Schweiz. In den 1980er-Jahren stieg der Bestand stark an und ab dem Jahr 2000 explodierte die Population regelrecht. Die bevorzugten Reviere vom Schwarzwild in der Schweiz sind im Malcantone im Kanton Tessin, im Unterwallis, entlang des Jurabogens in den Kantonen Waadt, Neuenburg, Jura und Bern sowie im Mittelland in den Kantonen Solothurn, Aargau, Zürich und Thurgau. Im Mittelland wurden die Wildschweine lange von der Autobahn A1 zurückgehalten. Seit einigen Jahren nutzen sie aber frech Unterführungen und Autobahnbrücken, um auf die Südseite der A1 zu kommen.
Wie gross die Schwarzwildpopulation in der Schweiz heute ist, kann nur geschätzt werden. Sicher ist, dass es immer mehr werden. Fachleute gehen davon aus, dass sich die Zahl seit dem Jahre 2000 von 10'000 auf über 30'000 Wildschweine erhöhte.