An sich sollten Strukturen, Regeln und Weisungen den Arbeitsalltag vereinfachen, Prozesse sollten einfacher, Arbeitsroutinen beschleunigt, Schnittstellen nachvollziehbar und Fehler reduziert werden. Tatsächlich zeigen Praxis und Forschung, dass die Wirklichkeit anders aussieht.
«Mit der Einladung zum ersten Symposium für Unternehmen & Führung haben wir Unternehmen befragt, wie sie zur Bürokratie stehen», sagte Lukas Scherer, Professor und Leiter des Instituts für Organisation und Leadership der OST – Ostschweizer Fachhochschule, am Montagabend einleitend. «82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Bürokratie ihre Arbeitseffizienz ‹erheblich beeinträchtigt›. 18 Prozent geben an, sie seien ‹mässig beeinträchtigt›. Und null sind es, die sich kaum oder gar nicht an der Bürokratie stören», so der OST-Professor.
Auch Thomas Metzger, Leiter a.i. des Departements Wirtschaft an der OST, gab am Symposium zu bedenken, dass Bürokratie einen schlechten Ruf habe und für Trägheit stehe. «Auf der anderen Seite gibt die Bürokratie aber auch Struktur und Ordnung. Mit Bürokratie lassen sich Prozesse kontrollieren, sie gibt Rechtssicherheit und führt zu Gleichbehandlung», so Metzger.
Entlastend oder belastend?
Diese «Janusköpfigkeit» stellte Sibylle Olbert-Bock, Leiterin des Kompetenzzentrums Leadership und HR, ins Zentrum ihres Referates. «Bürokratie ist eine organisatorische Struktur und ein System von Regeln, Verfahren und Hierarchien, um komplexe Aufgaben zu verwalten oder zu regeln», erklärte die OST-Professorin.
Wenn Bürokratie gelinge, könne sie entlastend für eine Organisation sein, wenn nicht, dann sei sie eine Belastung. Aktuelle Schätzungen aus verschiedenen Forschungsarbeiten zeigten, dass zwischen 30 und 60 Prozent der Arbeitszeit kontraproduktiv sei – etwa, weil steigende Anforderungen von externen Stellen die Prozesse beeinflussten oder weil die Technisierung zu «unsichtbaren Aufgaben» führe.
Sibylle Olbert-Bock regte deshalb an, die Bürokratie sowohl auf der Ebene der Organisation als auch auf der Ebene des Individuums genau zu analysieren: «Es braucht ein Controlling des administrativen Aufwands, eine sinnvolle Automatisierung und eine mitarbeiterbezogene Organisationsstruktur».