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Kaltbrunn
05.11.2023
06.11.2023 06:06 Uhr

Gravierende Personalprobleme

Hinter den Fassaden des Gemeindehauses i Kaltbrunn rumort es.
Hinter den Fassaden des Gemeindehauses i Kaltbrunn rumort es. Bild: Archiv Linth24
Der Gemeindeschreiber von Kaltbrunn geht nach nur 6 Monaten, Stellen im Bauamt sind nicht besetzt und Dienste sind eingeschränkt. Linth24 mit exklusiven Informationen.

Auf den ersten Blick sind die beiden Stelleninserate auf der Webseite der Gemeinde Kaltbrunn harmlos. Gesucht werden «Gemeindeschreiber/in (80-100%)» und «Fachperson Bauwesen 60-80%».

Die beiden Inserate sind nur die Spitze des Eisbergs. Bekanntlich befinden sich 5/6 eines Eisberges unter Wasser und «unter Wasser» ist Kaltbrunn tatsächlich in Sachen Personal.

Noch vor einem Jahr schien in Kaltbrunn alles seinen gewohnten Gang zu nehmen, doch dann folgten Schlag auf Schlag Negativmeldungen aus der Gemeindestube und dem Bauamt.

Das Problem Gemeindeschreiber

Zum Verständnis: Ein Gemeindeschreiber ist oft viel entscheidender und einflussreicher als die Gemeindepräsidenten und Gemeinderäte.

26.12.2023: Thomas Wey kündigt nach 8 Jahren als Gemeindeschreiber.

4.3.2023: Pierluigi Chiodini aus Heiligkreuz wird neuer Gemeindeschreiber von Kaltbrunn und damit Nachfolger von Thomas Wey.

Arbeitsbeginn: 1. Juni 2023.

4.11.2023: Gemeindepräsidentin Daniela Brunner bestätigt Linth24, dass Pierluigi Chiodini seinen letzten Arbeitstag Ende Februar des nächsten Jahres hat.

Das Problem Bauverwaltung

17.2.2023: Die Leiterin der Kaltbrunner Bauverwaltung hat gekündigt, eine Nachfolgelösung gibt es nicht. Die Gemeinde machte einen ungewöhnlichen Schritt und lagerte die Bauverwaltung an das private Büro «ewp AG» in Altendorf aus.  

1.5.2023: Die Öffnungszeiten der Bauverwaltung werden verkürzt und die Bearbeitung von Anträgen verzögert sich. Die externe Unterstützung «kann die Vakanzen nur teilweise kompensieren», schreibt der Gemeinderat.

22.5.2023: Bekannt wird, dass zwei Mitarbeiterinnen die Bauverwaltung verlassen und Ersatz für sie und ein neuer Lehrling gesucht wird.

16.7.2023: Der Gemeinderat meldet kurzfristig, dass die Bauverwaltung «trotz personeller Verstärkung» in drei Tagen für zwei Wochen schliesst und zwar vom 19.Juli bis zum 4.August.

Zwei Probleme – eine Ursache

Linth24 hat die Gemeindepräsidentin Daniela Brunner am 4.November gefragt, wie sie die Situation einschätzt. Hier ihre Originalantwort:

«Pierluigi Chiodini hat am bei uns am 1. Juni 2023 in der Funktion als Gemeindeschreiber gestartet. Mit einer einmonatigen Einarbeitungszeit durch Thomas Wey wurde er gut in das Aufgabengebiet eingearbeitet und konnte von den Erfahrungen seines Vorgängers profitieren.

Bei einer Gemeinde dieser Grösse ist das Aufgabengebiet sehr vielfältig und umfassend. Aktuell laufen viele Projekte in der Gemeindekanzlei, die auch Wissen zum Planungs- und Baurecht erfordern. Um einige Beispiele zu nennen: Ortplanungsrevision, Erarbeitung Gemeindestrassenplan, Ausscheidung der Gewässerräume, Erlass des Gemeinderates von Sondernutzungsplänen etc. Die Federführung in diesen Projekten hat der Gemeindeschreiber in enger Zusammenarbeit mit der Bauverwaltung und dem Bereich Liegenschaften-Tiefbau.

Pier Chiodini ist zur Überzeugung gelangt, dass die in seinem Bereich anhängigen nicht unerheblichen Tätigkeiten im Bau- und Planungsrecht nicht seinen Kompetenzen und Interessen entsprechen. Und hat sich nach reiflicher Überlegung entschieden, die Anstellung als Gemeindeschreiber in Kaltbrunn nicht seinen Vorstellungen entspricht. Aus diesem Grund hat Pierluigi Chiodini seine Anstellung auf Ende Februar 2024 gekündigt. Wir bedauern seinen Entscheid, können die Gründe gleichwohl verstehen und bedanken uns bei ihm für seinen Einsatz in den letzten sechs Monaten.»

Daniela Brunner (die Mitte), Gemeindepräsidentin von Kaltbrunn Bild: Linth24 (Archiv)

Daniela Brunner: «Ich werbe niemanden ab»

Daniela Brunner, Gemeindepräsidentin von Kaltbrunn und «Mitte»-Parteimitglied, beantwortete die Fragen von Linth24 und ergänzte sie mit einer persönlichen Anmerkung.

Kaltbrunn hat Mühe die Bauverwaltung mit genügend qualifizierten Leuten zu besetzen und nun die erneute Suche nach einem Gemeindeschreiber. Sehen Sie da einen Zusammenhang?

Ihre Frage nach der Schwierigkeit qualifizierte Personen zu finden, kann ich nur bestätigen. Der Arbeitsmarkt für Verwaltungsangestellte insbesondere im Bauwesen, auf den Grundbuchämtern und das Amt der Gemeindeschreiber ist sehr ausgetrocknet und diese Stellen sind sehr schwierig zu besetzen, dies bestätigen mir auch meine Gemeinde-Präsidenten-Kollegen in der Region Zürichsee-Linth. Und wenn Sie auf Publicjobs.ch blicken, sehen Sie wie viele Stellen offen sind. Auch die Kantonsverwaltungen kämpfen damit.

Was unternehmen Sie als Gemeindepräsidentin in dieser Sache?

Wir haben attraktive Rahmenbedingungen mit einer konkurrenzfähigen Entlöhnung, Jahresarbeitszeitmodell, Gratisparkplätze, eine gute Teamkultur etc. aber es braucht immer auch persönliche Kontakte in der Branche.

Dennoch werbe ich keine Mitarbeitende von anderen Gemeinden aktiv ab.

 

Im Gegenteil, ich unterstütze jegliche Zusammenarbeit. Nur gemeinsam meistern wir diese Situation des Fachkräftemangels. 

«Meine Sorge: Die Regulierungsflut und die komplexe Prozesse.»
Daniela Brunner. Gemeindepräsidentin Kaltbrunn

Bei dieser Gelegenheit möchte ich doch auch noch anfügen, dass das geforderte Wissen durch mehr und neue Gesetzgebungen und Vorgaben in der Verwaltung enorm zugenommen haben und sehr komplex geworden sind. Als Beispiel nenne ich hier gerne die das Planungs- und Bauwesen auf kommunaler Ebene.

Diese Entwicklung auf Gemeindeebene erachte ich auch als Teil des Problems und beobachte dies mit Sorge. Die Regulierungsflut und komplexen Prozesse verlangen auch mehr Detailwissen des Personals. Ich hoffe die Legislative, die gesetzgebende Staatsgewalt, ist sich dessen auch bewusst.

Mario Aldrovandi, Linth24