Die Energieversorgung hat sich in den letzten Jahren zu einem wirtschaftlich und politisch extrem wichtigen Thema entwickelt. Die Herausforderungen für die Schweiz sind gross. Der St.Galler Ständerat Beni Würth setzt sich immer wieder für konkrete, praktikable Lösungen ein. In unserem Interview fordert er, dass ideologische Scheuklappen jetzt dringend abgelegt werden müssen. Mit dem Prinzip Hoffnung sei die Energieversorgungssicherheit nicht zu gewährleisten.
«Ohne Strom geht gar nichts»

Herr Würth, mit ihrem Antrag haben Sie bei der Beratung des Solarexpress im Ständerat die Grundlage gelegt, dass das Solarkraftwerk im stillgelegten Steinbruch am Walensee wieder reaktiviert wird. Worum ging es da?
Der ursprüngliche Schwellenwert für die Jahresproduktion lag bei 20 GWh/a. Aus meiner früheren Tätigkeit als VR-Präsident der st.gallisch-appenzellischen Kraftwerke (SAK) wusste ich, dass wir mit diesem Eckwert das Solarkraftwerk Walensee nicht reaktivieren können. Mein Antrag, diesen Wert auf 10 GWh/a zu senken, hat der Ständerat angenommen. Dadurch hat nun auch das Projekt am Walensee eine Realisierungschance.
Wieso ist das ein wichtiges Projekt für den Kanton St. Gallen?
Wir müssen kurzfristig die Winterstromlücke schliessen. Darum haben wir mit der Solarinitiative die umweltrechtlichen Auflagen befristet gelockert. In diesem Zeitfenster soll nach meiner Überzeugung auch der Kanton St.Gallen die Chance nutzen, eine solche Grossanlage zu realisieren. Denn das Problem der Energiekrise ist immer noch sehr akut. Im worst case können zwei Faktoren zusammen kommen: einerseits zu wenig gut gefüllte Stauseen und anderseits ein strenger Winter, der den Strombedarf von Frankreich deutlich ansteigen lässt. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass Frankreich aufgrund der deutschen AKW-Abschaltung deutlich mehr AKW-Strom nach Deutschland liefert. Schliesslich haben wir ab 2025 auch noch die neue EU-Regulierung zu verdauen, welche Vorhalteleistungen von ihren Energieunternehmen verlangt.
Die Idee stösst bei Landschaftsschützern auf Widerstand. Können Sie diese Bedenken nicht nachvollziehen?
Natürlich kann ich das nachvollziehen. Aber so kommen wir nicht weiter – wir müssen dringend die Winterstromlücke schliessen. Wenn unsere Vorfahren so gedacht hätten, würde keine einzige Staumauer in einem Bergtal stehen. Denn ein unberührtes Tal ist definitiv schöner als eines mit einer Staumauer. Kein Kilowatt Wasserkraft würde produziert! Und heute sind doch auch die Landschaftsschützer stolz auf unsere Wasserkraft. Ich verstehe die Welt nicht mehr, wenn wir mitten in einer grossen Energiekrise nicht einmal in einem still gelegten Steinbruch ein Solarkraftwerk erstellen können.
Sie sind ernüchtert?
Ja, definitiv. Wir haben ein massives Problem. Das Tempo des Zubaus erneuerbarer Energien reicht bei weitem nicht aus, um unsern Strombedarf zu decken. Dieser steigt an, weil die fossilen Träger aus unserem Energiemix verschwinden sollen. Insbesondere brauchen wir sogenannte Bandenergie, um auch im Winter die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Viele sinnvolle Projekte im Bereich Wasserkraft, Solarenergie und Windenergie werden seit Jahren vehement bekämpft, sehr oft auch von grünen Kreisen.
Allerdings ist das Thema im Sorgenbarometer der Bevölkerung etwas abgerutscht. Was sagen Sie dazu?
Tatsächlich sind die Aussichten auf den nächsten Winter dank gut gefüllter Stauseen relativ günstig. Aber die Situation ist wie erwähnt äusserst fragil. Mit dem Prinzip Hoffnung können wir die Energieversorgungssicherheit nicht gewährleisten. Ohne Strom geht gar nichts. Die Energie hält Wirtschaft und Gesellschaft am Laufen.
Was passiert, wenn die AKW in der Schweiz abgestellt werden?
Ich sehe im Moment nicht, wie wir mit diesem langsamen Zubau bei den erneuerbaren Energien die wichtigsten Trends der kommenden Jahre auffangen können. Der Ausstieg aus der Kernkraft bedeutet einen Wegfall von 14 Terawatt, die Dekarbonisierung bis 2050 nochmals 24 Terawatt. Und dann sollten wir unsere Importabhängigkeit um etwa 5 Terawatt reduzieren. Gleichzeitig bedeutet die Neukonzessionierung der Wasserkraftanlagen wegen der Gewässerschutzvorschriften nochmals ein Wegfall von 2 Terawatt. Bei dieser Faktenlage geht es einfach nicht, dass man weiterhin mit ideologischen Scheuklappen diese Diskussion führt.