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Kanton
25.09.2022
27.09.2022 10:31 Uhr

Nein zum Sonderkredit für Wil West: Die Reaktionen

Nach dem Urnen-Nein wird sich der Kanton St.Gallen nicht an der Erschliessung, Vermarktung und dem Betrieb eines Areals von «Wil West» beteiligen.
Nach dem Urnen-Nein wird sich der Kanton St.Gallen nicht an der Erschliessung, Vermarktung und dem Betrieb eines Areals von «Wil West» beteiligen. Bild: sg.ch
Die Stimmbevölkerung des Kantons St.Gallen hat den Sonderkredit für die Arealentwicklung Wil West abgelehnt. Die St.Galler Regierung, das Ja-Komitee, SVP, Grüne und die IHK reagieren darauf unterschiedlich.

Die Reaktion der St.Galler Regierung

Die Stimmbevölkerung des Kantons St.Gallen hat den Sonderkredit für die Arealentwicklung Wil West in der Höhe von 35 Millionen Franken mit 52,58 Prozent abgelehnt.

Als grösster Grundeigentümer im Teilgebiet Münchwilen des Areals Wil West hätte der Kanton St.Gallen mit dem Sonderkredit die Erschliessung, die Entwicklung, die Vermarktung und den Betrieb des Wirtschaftsgebietes vorfinanziert. Dies als Teil des Gesamtvorhabens WILWEST, das neben der Schaffung eines attraktiven Standorts für Gewerbe- und Industriebetriebe weitere Massnahmen im Bereich Verkehr, Mobilität und Nachhaltigkeit umfasst.

WILWEST ist ein gemeinsames Vorhaben der Kantone Thurgau und St.Gallen sowie der Gemeinden der «Regio Wil», das als Teil des Agglomerationsprogramms Wil durch den Bund unterstützt wird.

Nein zum Sonderkredit ist kein Nein zum Gesamtprojekt

Das Nein zum Sonderkredit Wil West bedeutet nicht das Ende für das Gesamtvorhaben WILWEST. Der Kanton Thurgau plant, das Wirtschaftsgebiet gemäss dem Agglomerationsprogramm Wil und dem kantonalen Richtplan einzuzonen. Ebenso waren die Verkehrsmassnahmen (Autobahnanschluss Wil West, Kantonstrasse Thurgau Dreibrunnenallee, Umfahrungsstrasse Netzergänzung Nord, flankierende Massnahmen der Stadt und Region Wil) nicht Teil der Abstimmungsvorlage.

Für diese Vorhaben sind separate Beschlussfassungen auf den Ebenen Bund, Kantone Thurgau und St.Gallen sowie auf kommunaler Ebene erforderlich.

Wie weiter mit St.Galler Grundeigentum?

Durch den Entscheid zum Sonderkredit Wil West ist jedoch klar, dass das Areal auf dem Gebiet der Gemeinde Münchwilen (TG) nicht durch den Kanton St.Gallen erschlossen, entwickelt und vermarktet wird. Der Kanton St.Gallen bleibt jedoch Eigentümer des Areals im Kanton Thurgau. Offen ist, wie es mit diesem Grundeigentum weitergehen soll.

Zwischen den involvierten Projektpartnern – namentlich der Regio Wil, den Kantonen St.Gallen und Thurgau, der Stadt Wil sowie den Gemeinden Münchwilen und Sirnach – gilt es nun zu klären, wie mit dem Projekt weiter verfahren werden soll.

Staatskanzlei Kanton St.Gallen

Ja-Komitee: «Chance für Region und Ostschweiz verpasst»

Die Stimmbevölkerung des Kantons St.Gallen hat den Sonderkredit Arealentwicklung Wil West knapp abgelehnt. Das überparteiliche Komitee ist enttäuscht über das Ergebnis und sieht eine Chance für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Ostschweiz verpasst.

Nach einer jahrelangen interkantonalen Zusammenarbeit muss der Kanton St.Gallen Wil West nun den Rücken kehren. Das überparteiliche Komitee war überzeugt, dass Wil West die Region und den Kanton als Wirtschafts- und Arbeitsstandort gestärkt sowie schnelle und sichere Wege für alle Verkehrsteilnehmenden geschaffen hätte.

Ängste spielten mit

Die aktuelle geopolitische Lage sowie die Themen Wachstum und Zuwanderung waren aus Sicht des Komitees entscheidende Faktoren für die Ablehnung des Sonderkredits. Offenbar ist es ihm nicht gelungen, die positiven Argumente und die Vorzüge dem Stimmvolk näher zu bringen, zumal es auch hochwertige Arbeitsplätze im Inland für eine zukunftsgerichtete und unabhängige Schweiz braucht.

Das überparteiliche Komitee fordert nun, dass der Kanton St.Gallen und die ganze Ostschweiz jetzt aufzeigen müssen, wie die Region bestehenden Unternehmen Perspektiven bieten und jungen Menschen und Fachkräften eine Zukunft in der Region ermöglichen will, um sie nicht an Städte wie Zürich zu verlieren.

Komitee «Wir wollen WILWEST»

SVP: «Guter Tag für die Landwirtschaft»

18 Hektaren Kulturland bleiben in Wil erhalten!

Das Votum der Delegierten an der DV der SVP Kanton St.Gallen war deutlich: Eine klare Mehrheit der SVP-Delegierten lehnte es ab, 18 Hektaren Fruchtfolgefläche zugunsten des Projekts Arealentwicklung Wil West aufzugeben. Auch die Kompensation dieses Kulturlandes mochte die Delegierten nicht zu überzeugen, da diese auf Kosten anderer landwirtschaftich betriebenen Grünflächen geht und somit insgesamt eine negative Bilanz für die Landwirtschaft und letztlich die Selbstversorgung unseres Landes resultiert.

Auch die Mehrheit der St.Galler Stimmbevölkerung sah dies wie die Delegierten der SVP: Ein derartiger Kulturlandverlust wurde heute von der St.Galler Stimmbevölkerung nicht toleriert. Auch wenn die SVP Projekten zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Kantons St.Gallen positiv gegenübersteht, darf diese nicht auf Kosten der Landwirtschaft geschehen. Deshalb fordert die SVP an diesem Abstimmungssonntag, dass bei künftigen Projekten insbesondere auch die landwirtschaftlichen Interessen mehr Gewicht erhalten.

SVP Kanton St.Gallen

Grüne: «Wil West: Jetzt klimagerechten Plan B umsetzen»

Die Grünen freuen sich, dass die Stimmbevölkerung die kantonale Vorlage «Sonderkredit Wil West» abgelehnt hat. Eine Mehrheit will keinen weiteren Verschleiss von Kulturland. Eine Arealentwicklung muss nachhaltig und zukunftsfähig im Sinne der Pariser Klimaziele ausgestaltet sein. Die Bevölkerung hat sich nicht von der blumig formulierten Vorlage des Kantons und den grün-gewaschenen Werbebroschüren täuschen lassen.

Die Grünen waren von Anfang an sehr kritisch gegenüber dem hohen Kulturlandverlust. Gleichzeitig boten sie stets Hand für eine wirklich nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung. Die Anliegen der Grünen wurden aber von der grossen Mitte-Rechts-Mehrheit im Kantonsrat ignoriert. Ein moderater Antrag in der November-Session 2021 des Kantonsrats, wonach sich die Arealentwicklung Wil West mindestens an den Pariser Klimazielen und damit Netto-Null bis 2050 orientieren muss, war chancenlos.

Mit dem heutigen Abstimmungsergebnis ist für die Grünen klar, dass der Kanton als grösster Grundeigentümer das Projekt Wil West nicht weiter unterstützen soll. Zudem lehnen die Grünen einen allfälligen Verkauf des Areals an den Kanton Thurgau ab. Das Wiesland im Eigentum des Kantons St.Gallen soll weiterhin der Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Entsprechend ist das Abstimmungsergebnis zu verstehen und zu respektieren. Hingegen soll nun der von den Grünen vorgeschlagene Plan B zur Autobahnüberdachung als Alternative zu Wil West zum Zug kommen. Die Grünen sind zuversichtlich, dass der in der vergangenen September-Session eingereichte Vorstoss im Rat auf Unterstützung zählen kann.

Grüne Kanton St.Gallen

IHK St.Gallen-Appenzell: «Wil West: Blick nach vorne richten»

Verpasste Chance für Zusammenarbeit

Mit dem Nein zum Sonderkredit ist das Gesamtvorhaben Wil West nicht grundsätzlich in Frage gestellt: Am komplexen Projekt sind zahlreiche Akteure beteiligt. So hält etwa der Kanton Thurgau an der geplanten Einzonung auf seinem Boden fest. Zudem werden weitere Beschlussfassungen folgen, etwa zu den Mobilitätsmassnahmen.

Positiv hervorzuheben ist zudem, dass die Region und insbesondere die Stadt Wil der Vorlage zustimmten, womit das Projekt in der Region selbst auf Anklang stösst. Klar ist aber auch, dass das Areal nicht mehr wie geplant durch den Kanton St.Gallen entwickelt werden wird: «Damit wird die Chance verpasst, ein Ausrufezeichen für die grenzübergreifende Zusammenarbeit in der Ostschweiz zu setzen», so IHK-Direktor Markus Bänziger.

Projekt bleibt für die Region zentral

Nun gilt es, rasch die offenen Fragen zu klären, wie es mit dem Gesamtvorhaben weitergehen soll – insbesondere, wie der Kanton St.Gallen mit seinem Grundeigentum umgehen wird.

Die IHK zeigt sich unverändert überzeugt, dass Wil West eine grosse Chance für die Region ist, wenn damit ein zukunftsträchtiger Entwicklungsraum realisiert wird. «Für eine positive Entwicklung der Region wird etwa eine leistungsfähige Mobilitätsinfrastruktur unverändert eine zentrale Rolle einnehmen», zeigt sich Markus Bänziger überzeugt: «Bei der Gesamtentwicklung wird es derweil umso mehr darauf ankommen, das Innovations- und Wertschöpfungspotenzial der Region zu stärken, und das Projekt wie vorgesehen im Einklang mit hohen ökologischen Anforderungen zu realisieren.»

Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell

PD / Linth24