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Kultur
26.03.2022

«Weltkulturerbe St.Gallen in den Herzen verankern»

Elke Larcher fängt am 1. Juni in St.Gallen an.
Elke Larcher fängt am 1. Juni in St.Gallen an. Bild: Mayk Wendt
Der katholische Administrationsrat wählte Elke Larcher zur neuen Leiterin Museumsbetrieb Stiftsbezirk. Im Interview spricht die Südtirolerin über ihre Liebe zu Klöstern, schwarze Schwäne und benediktinischen Geist.

Am 1. Juni übernimmt die Südtirolerin Elke Larcher, die derzeit noch als Museumsdirektorin und Leiterin Öffentlichkeitsarbeit und Marketing im Unesco-Weltkulturerbe Kloster St.Johann in Müstair im Münstertal tätig ist, die Leitung des Museumbetriebs im Stiftsbezirk. Larcher tritt die Nachfolge von Mandana Roozpeikar an, die als Direktorin ins Textilmuseum St.Gallen wechselt. Das Linth24-Partnerportal stgallen24 hat die 50-Jährige zum Interview getroffen.

Elke Larcher, Sie wurden vom katholischen Administrationsrat als neue Leiterin des Museumsbetriebs im Stiftsbezirk gewählt. Was bedeutet Ihnen das?

Ich habe grosse Freude. Nicht nur die zeitgleiche Aufnahme des Stiftsbezirks St.Gallen und des Klosters St.Johann in Müstair 1983 in die Liste der Unesco-Welterbestätten verbinden die beiden Kulturstätten. Sie sind auch beide vom benediktinischen Geist geprägt und bergen immense kulturelle, geschichtliche und spirituelle Schätze. Die es gilt zu bewahren und zu vermitteln.

So ist meine neue Stelle als Leiterin Museumsbetrieb des Stiftsbezirkes St.Gallen für mich eine Art «Fortführung» meiner derzeitigen Tätigkeit als Museumsleiterin und Leiterin Kommunikation im Kloster St.Johann. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die neue, spannende Herausforderung!

Hatten Sie sich auf die Stelle beworben oder wie kam es?

Meine Bewerbung war ein einschneidender Schritt für mich und meine Familie. 15 Jahre Tätigkeit im Kloster Müstair sind eine lange und intensive Zeit, in der mir das Kloster, die Schwesterngemeinschaft, meine Arbeitskolleginnen und -kollegen, die Stiftung Pro Kloster Müstair, aber auch das Kloster als Weltkulturerbe mit seinen Schätzen und der Forschung, die damit einhergeht, sowie das Val Müstair selbst sehr ans Herz gewachsen sind. Sie alle sind ein Stück «Heimat» geworden. Ich freue mich aber auch sehr auf das Neue, das mich in St.Gallen erwarten wird. Schön wäre es, wenn diese zwei Welterbestätten in Zukunft etwas näher aneinanderrückten.

Das Kloster St.Johann in Müstair Bild: ourheritage.ch

Können Sie uns etwas mehr über Ihre Arbeit in Müstair erzählen?

Ich habe Slavistik und Anglistik/Amerikanistik als Lehramt studiert und war an verschiedenen Schulen als Lehrerin tätig, bevor ich 2001 im Innovationszentrum in Bozen, Südtirol, ein bescheidenes Kongresszentrum aufbauen und führen durfte sowie die Leitung der Kommunikation dort übernahm. Nach meinem Master-Fernstudium der Deutschen Akademie der PR in Berlin zur PR-Beraterin wechselte ich 2007 ins Kloster St.Johann – von der Innovation zur Tradition. Ich begann, mich intensiv mit der Regel des hl. Benedikt zu befassen und dem Leben der Nonnen von Müstair, ebenso entwickelte ich einen neuen Blick auf Archäologie und Kunsthistorik.

Meine Aufgaben in Müstair beinhalten nebst der Leitung des Museums auch die Kommunikation des gesamten Ensembles mit dem Kloster und dem Konvent, dem Museum, der Forschung und der Stiftung Pro Kloster St.Johann. Sämtliche Veranstaltungen werden von mir konzipiert, organisiert und vermarktet.

Was macht diese Aufgaben für Sie so spannend?

Die Gratwanderung zwischen dem Welterbe als kulturell, geschichtlich und kunsthistorisch wichtige Stätte der Menschheit und dem Kloster an sich als Ort des Gebetes, Glaubens und monastischen Lebens im seit 1200 Jahren gleichbleibenden benediktinischen Geist. 

«Gerade diese Spannung zwischen den zwei Welten haben mich stets fasziniert und vor immer wieder neuen Herausforderungen gestellt. Ich sehe mich ein bisschen als 'Scharnier' zwischen Klosterwelt und Aussenwelt.»

Und Ihr Interesse am Benediktinischen stammt woher?

Ich bin in Gries bei Bozen in Südtirol aufgewachsen. Dort befindet sich das Kloster Muri-Gries, auch ein Benediktinerkloster. Als ich in Müstair meine Tätigkeit begann, wurde mir erst bewusst, wie tiefgreifend der Bezug zum Benediktinischen in mir verankert ist. Als Kind und Jugendliche sang ich im Stiftspfarrchor, der von einem Mönch geleitet wurde. Die Welt der Benediktiner und das Kloster war für mich damals einfach selbstverständlich.

Als ich dann in Müstair meine Tätigkeit begann, habe ich eine Woche mit den Nonnen gelebt. Ich habe mit ihnen gebetet, gearbeitet, gegessen und war auch in der Rekreationszeit mit ihnen. Diese Woche hinter verschlossenen Türen im geregelten Rhythmus des «ora et labora et lege» hat mich immens berührt und mir in meiner Tätigkeit als Kommunikationsverantwortliche und Leiterin des Museums sehr geholfen. Die Regel des hl. Benedikt wurde zu einem Leitfaden für mich auch ausserhalb der Klostermauern. Sie gibt Orientierung und Halt in jeder Gemeinschaft, ob Konvent, Familie oder Arbeitsteam.

Wo sehen Sie die Parallelen zwischen St.Gallen und Müstair?

Der Stiftsbezirk St.Gallen wie auch das Kloster St.Johann sind beides Weltkulturerbe seit 1983, es sind beides kulturelle und spirituelle Zentren, die es gilt an die Öffentlichkeit zu bringen. Das Museum und das gesamte Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm bieten hierzu eine gute Möglichkeit. Ausserdem bin ich mir sicher, dass der «Müstairer» benediktinische Geist auch in St.Gallen zu finden ist. 

Ich denke, dass aber sehr vieles neu sein wird – sei es in der Stadt St.Gallen wie im Stiftsbezirk selbst. Darauf freue ich mich auch sehr. Ich bin schon gespannt, was es alles Neues zum Lernen und Entdecken gibt – und lasse mich auch gerne überraschen.

Worin liegen die Herausforderungen im der Repräsentation eines Weltkulturerbes?

Ein Weltkulturerbe ist ein Erbe der gesamten Menschheit. Als solches muss es geschützt und gepflegt, aber auch an die Menschheit vermittelt werden. Es ist äusserst wichtig, dass das Welterbe zuerst in der Bevölkerung «ankommt». Wenn es von den St.Gallerinnen und St.Gallern getragen wird, dann kann es auch nach aussen strahlen. Wenn sich alle Beteiligten verantwortlich fühlen für das Welterbe und sich damit identifizieren, dann hat es auch den notwendigen Schutz. In einem zweiten Schritt ist es schön und wichtig, wenn dieses Erbe auch Aussenstehende, Gäste und Touristen zu schätzen wissen, wenn es Wissenschaftler und Forscher aus nah und fern anzieht und es inspirierend sein kann für Gross und Klein, Jung und Alt, Einheimische und Fremde.

Die letzten zwei Jahre waren für viele Museen nicht gerade einfach. Was hat Sie die Pandemie in Bezug auf Ihre Arbeit gelehrt?

Ich möchte mich hier eines Bildes bedienen, das vor allem in der Wirtschaft vorkommt: der schwarze Schwan. Dabei handelt es sich um ein Ereignis, das völlig unwahrscheinlich ist, gänzliche überraschend eintritt und so Vertrautes und Bewährtes unvermittelt einfach «umwirft».

«Die Pandemie hat einen enormen Schub in Richtung digitaler Angebote mit sich gebracht. Innovativ, flexibel, und inspirierend – das sind für mich drei wichtige Eigenschaften, die in der heutigen Situation angebracht sind.»

Diese Situationen zeigen uns, wie wichtig es ist, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und den Austausch zu pflegen. Die Pandemie hat einen enormen Schub in Richtung digitaler Angebote mit sich gebracht. Innovativ, flexibel, und inspirierend – das sind für mich drei wichtige Eigenschaften, die in der heutigen Situation angebracht sind. Dabei kommt dem Netzwerk und dem Austausch eine grosse Bedeutung zu. Weitere wichtige Aspekte, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, sind Nachhaltigkeit und kulturelle Teilhabe. Wir haben noch grosse Herausforderungen vor uns!

Und was bedeutet dies für Ihren Start, der gleichzeitig auch ein Startschuss für den Touristensommer ist?

Meine erste Zeit möchte ich damit verbringen, mich in meiner neuen Arbeitsstelle einzuleben. Vor allem möchte ich die verschiedenen Menschen, Institutionen und Interessensgruppen rund um den Stiftsbezirk verstehen und kennen lernen. Mir ist wichtig, gemeinsam das Weltkulturerbe St.Gallen in den Herzen der Menschen verankern zu können – das ist das grosse Ziel, das nur in Zusammenarbeit und mit viel Freude, Leidenschaft und Hingabe erreicht werden kann.

Miryam Koc, stgallen24 / Linth24