Die Sondersession hat aufgezeigt, dass das Parlament nicht diskutieren wollte über
- die verfassungsmässigen Kompetenzen und Zuständigkeiten unter «Notrecht»;
- die Tatsache, dass sich das Notrecht nur auf einen echten und unvorhersehbaren Notfall beschränkt und damit die finanzrechtlichen Kompetenzen sehr eng sind;
- die Aufhebung aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen per 18. Mai 2020, selbst nicht einmal unter der Auflage der von der Wissenschaft und Medizin als wirksam empfohlenen Schutzmassnahmen (es lag ein entsprechender Antrag vor).
Im Gegenteil. Das Parlament entwickelte das bundesrätliche «Notrecht à la carte» noch weiter. Neben den bundesrätlichen Sondertöpfen «Kultur», «Sport», und «Luftfahrt» schuf das Parlament mindestens noch die Exklusivtöpfe «Familienergänzende Betreuung», und «Tourismus». Es übergeht damit das Erfordernis der Unvorhersehbarkeit, greift bequem, nach Belieben und willkürlich auf die polizeiliche Generalklausel zurück und missachtet Verfassung und seine gesetzgeberischen Pflichten, vorausschauend im offenen politischen Prozess Probleme anzugehen.
Die Politik unter «Notrecht» läuft völlig aus dem Ruder. Auf der Strecke bleiben all jene Bürgerinnen und Bürger, welche am «Menu à la carte» im Fünfsternhotel nicht teilhaben dürfen und auch keine Möglichkeit haben, über Lobbying am Tisch der Gefrässigen und Selbstherrlichen angehört zu werden.
Fazit
Seit der Erdölkrise sind wir von grösseren, schweizweiten und länger andauernden Krisen verschont geblieben. Dafür können wir dankbar sein. Über Jahrzehnte von Krisen verschont zu sein hat aber einen gewichtigen Nachteil: Wir sind offenbar nicht mehr in der Lage, Krisen als Krisen zu erkennen, im Krisenfall besonnen zu agieren und im Notfall zuerst all jenen zu helfen, welche wirklich existenzielle Probleme haben.