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30.08.2021
30.08.2021 16:58 Uhr

Beizen-Zertifikat bereitet den Wirten Kummer

Gastronomen vom Linthgebiet nehmen Stellung zum Covid-Zertifikat.
Gastronomen vom Linthgebiet nehmen Stellung zum Covid-Zertifikat. Bild: Linth24
Diese Woche entscheidet der Bundesrat, ob die Schweiz andern Ländern nachzieht und ebenfalls eine Zertifikatspflicht u.a. in Restaurants einführt. Wie denken die Gastronomen von Rapperswil bis Amden darüber?

Der Präsident von Gastrosuisse, Casimir Platzer, sagt im Interview mit dem nebelspalter.ch: «Fakt ist, dass in einer repräsentativen Umfrage Ende Mai 94,2 Prozent der Mitglieder den Zutritt zu ihrem Betrieb mit einem Covid-Zertifikat abgelehnt haben. Auch die Kantonalverbände hätten sich alle eindeutig gegen die Ausweitung einer Zertifikatspflicht ausgesprochen. Wie stehen die Gastronomen im Linthgebiet zur 3-G-Regel in Restaurants?

Wirtin Susan Hinder, Kaltbrunner «Speer»:

«Ich muss ehrlich sagen, ein Zertifikat ist keine gute Lösung. Jeder ist selbst verantwortlich für sich. Und wenn man geimpft, genesen oder getestet ist, kann man das Virus genau gleich weitergeben. Darum nützt es an und für sich nichts. Wir auf dem Land, wir ticken anders als die in der Stadt. Viele stellen hier die Impfung in Frage, weil man Langzeitfolgen nicht kennt. Bei uns kommen auch viele Leute einfach zum Kafitrinken vorbei. Deswegen geht sich niemand testen! 

Vom Personal kann ich nicht verlangen, dass es sich impft. Und was ist zum Beispiel mit Chauffeuren und Lieferanten: Müssen die dann alle ein Zertifikat zeigen? Wenn der Bund sowas wirklich durchziehen will, dann brauchen wir Erwerbsersatz.»

Speer-Wirtin Susan Hinder: «Vom Personal kann ich nicht verlangen, dass es sich impft.» Bild: Linth24

Wirtin Caro Rohrer, «Bluemä» Uznach:

«Ob das Zertifikat eine gute Lösung ist, weiss ich auch nicht. Es ist sicher weniger schlimm als das Restaurant wieder ganz schliessen zu müssen. Von unseren Gästen ist vermutlich der grösste Teil bereits geimpft. Cool ist eine Zertifikatspflicht sicher nicht –mir wäre es lieber, die aktuellen Schutzmassnahmen aufrecht zu erhalten. Und wir möchten nicht Polizei spielen müssen. Trotzdem: Es ist eine mega schwierige Situation und ich kann verstehen, dass man nicht zum Lockdown zurück will.»

Bluemä-Wirtin Caro Rohrer: «Das Zertifikat ist weniger schlimm als das Restaurant wieder ganz schliessen zu müssen.» Bild: Linth24

Kilian Senti, Wirt von der «Traube» in Benken:

«Das Zertifikat ist absolut keine gute Lösung. Man sollte doch an einem Ort ansetzen, wo es wirkt, nicht hier in den Restaurants – hier steckt sich ja praktisch niemand an. Und die Zertifikatskontrolle wäre garantiert ein Extraaufwand. Es werden auf jeden Fall weniger Leute ins Restaurant kommen, gerade auch hier auf dem Land, da sich hier viel weniger Leute impfen lassen als in der Stadt.»

Für das Restaurant "Traube" in Benken ist ein Zertifikat keine gute Lösung. Bild: Google Maps

Cony Sutter, «Ahoi»-Chef in Schmerikon:

«Die 3-G-Regel ist für uns keine Lösung. Unsere Gäste und wir Wirte müssen die Versäumnisse des Bundes ausbaden! Viel sinnvoller wäre gewesen, wenn die Leute, welche in die Sommerferien gingen, sich vorher hätten impfen müssen. Viele brachten uns das Virus als Souvenier nach Hause. Das war letztes Jahr schon so.

Natürlich ist mir ein Zertifikat lieber statt eine Schliessung. Die Situation wäre aber wie gesagt zu vermeiden gewesen. Und grundsätzlich finde ich Kontrollen in einem Restaurationsbetrieb nicht eben gastfreundlich. Wir wollen Gäste bedienen und nicht kontrollieren wie am Zoll oder bei der Polizei. Ich denke, es werden weniger Leute kommen und der Umsatz wird auch weniger. Das mag in grossen Städten wie Zürich weniger ins Gewicht fallen, hier auf dem Land sind wir die Verlierer.»

Ahoi-Chef Cony Sutter: «Die 3-G-Regel ist für uns keine Lösung.» Bild: Linth24

Reto Hasler, Wirt im Restaurant «Chrüz» in Eschenbach:

«Die Ansteckungsgefahr in Restaurants ist sehr gering und es gibt die besten Möglichkeiten für Contact Tracing. Deshalb verstehe ich das mit dem Zertifikat nicht so ganz. Das ist mir aber lieber, als wenn wir wieder schliessen müssen. Die Zertifikatskontrolle am Mittag wird ein wenig Zeit kosten und auch dann, wenn grosse Gruppen kommen. Doch dadurch, dass wir auch viele Stammgäste haben, wird sich der Aufwand in Grenzen halten.

Dass wegen der Zertifikatspflicht weniger Gäste kommen, denke ich nicht unbedingt. Die meisten Leute, die bei uns vorbeikommen, sind sowieso schon geimpft. Ich schaue, dass unser Betrieb läuft und mache das, was in dieser Situation möglich ist. Gibt man uns vor, wir müssen etwas so und so machen, dann machen wir das halt. Reklamieren und Jammern kostet mich zu viel Energie.»

Chrüz-Wirt Reto Hasler: «Dass wegen der Zertifikatspflicht weniger Gäste kommen, denke ich nicht unbedingt.» Bild: Linth24

Rocco Delli Colli, Chef «Dieci»Rapperswil:

«Zertifikat oder nicht? Die Lösung bedeutet, dass alles unternommen werden muss, um die Pandemie zu beenden, damit ein normaler wirtschaftlicher Betrieb in der Gastronomie möglich ist. Schliessen würde auch wieder Entlassungen und Ladenschliessungen zur Folge haben. Öffnen bedeutet, dass die Gastrobranche wieder einem wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt wird.

Eine Zertifikatskontrolle bedeutet noch mehr Aufwand im Betrieb. Mit oder ohne Zertifikat werden viel Gäste ausblieben, weil sie in der Gastronomie eine Gefahr sehen und die Beizen bereits unverdient dieses Image haben. Der Bund muss die Gastronomen für den Umsatzverlust und für Kurzarbeit entschädigen.»

Dieci-Chef Rocco Delli Colli: «Mit oder ohne Zertifikat werden viel Gäste ausblieben.» Bild: Linth24

Barbara Rüedi, Geschäftsleitung Hotel-Restaurant «Arvenbüel» Amden:

«In meinen Augen ist ein Zertifikat keine Lösung. Seit Beginn der Pandemie haben sich die Gastrobetriebe an alle Schutzmassnahmen gehalten und teilweise Tausende von Franken für Schutzwände etc. investiert. Deshalb gab es bis anhin kaum Ansteckungen, die nachweislich in einem Restaurant passiert sind. Trotzdem mussten wir während der ganzen Wintersaison und bis in den Frühling die Restaurants komplett schliessen. Es wird auch mit einem Zertifikat keine Veränderung an den Zahlen bringen.

Zertifikat einführen oder Restaurant schliessen? Das wäre das Gleiche, wie wenn man fragt, ob wir lieber Cholera oder die Pest haben möchten. Es darf weder das Eine noch das Andere sein. Unsere Branche wurde in den letzten eineinhalb Jahren derart gebeutelt, dass viele Berufsleute die Branche verlassen haben. Wir haben mit einem grossen Mitarbeitermangel zu kämpfen. Eine Durchführung der Zertifikatskontrollen ist eine Illusion. Es müssten zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Dies kann nicht auch noch finanziert werden.»

Arvenbüel-Geschäftsleiterin Barbara Rüedi: «Es wird auch mit einem Zertifikat keine Veränderung an den Zahlen bringen.» Bild: arvenbüel.com
Redaktionsteam Linth24