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Rapperswil-Jona
26.08.2021
26.08.2021 11:36 Uhr

KESB-Prozess: Stadtrat verpulverte gegen 1 Million für nichts

KESB-Klage-Urteil vom Bundesgericht: «Ausser Spesen nichts gewesen». Der Stadtrat bleibt auf seinen immensen Kosten hocken.
KESB-Klage-Urteil vom Bundesgericht: «Ausser Spesen nichts gewesen». Der Stadtrat bleibt auf seinen immensen Kosten hocken. Bild: Linth24
Der Stadtrat von Rapperswil-Jona hat bis vor Bundesgericht seinen von ihm entlassenen Ex-KESB-Leiter Dr. Grob verteidigt. Erreicht hat er praktisch nichts, wie das Bundesgerichturteil jetzt zeigt. Von Bruno Hug

Die vom Stadtrat von Rapperswil-Jona im August 2016 eingeleitete KESB-Klage gegen die Obersee Nachrichten und zwei ihrer Redaktoren (Mario Aldrovandi und den hier schreibenden Bruno Hug) wurde nun vor Bundesgericht entschieden. Das Urteil fügt dem Stadtrat eine Schmach zu.

Seit zwei Jahren schweigt der Stadtrat über die bei ihm im KESB-Prozess aufgelaufenen Kosten. Am 17. Mai 2019 teilte er letztmals mit, der Prozess habe die Stadt bis dannzumal 570'000 Franken gekostet.
Dazu addierten sich danach noch die Kosten für das St. Galler Obergericht und das Bundesgericht, welche mit mindestens 200'000 Franken zu Buche schlagen dürften, sowie die Folgekosten der Entlassung von Dr. Grob. Allein die Personalsuche danach kostete die KESB gemäss Stadtrat 90'000 Franken. Deftig einschenken dürfte auch noch die Auseinandersetzung mit Dr. Grob selbst (siehe untenstehender Kommentar).

Vergeudetes Steuergeld

Die Stadtrats-Streiterei dürfte die Steuerzahler somit gegen 1 Million Franken kosten. Dazu darf man aus dem Stadthaus nun endlich Fakten erwarten.
Doppelt tragisch ist, dass auch die 10 unbeteiligten KESB-Gemeinden von Rapperswil bis Amden mitbluten müssen. Im Mai 2019 waren dies gemäss Stadtrat 260'000 Franken. Mittlerweile dürfte der Betrag auf weit über 300'000 Franken gestiegen sein. Die kleineren Obersee-Gemeinden hätten mit dem vergeudeten Steuergeld wohl lieber Gescheiteres gemacht.

Falschinfos zum Bundesgericht

Im Ergebnis kostet das stadträtliche Abenteuer die Steuerzahler eine Riesensumme und zum Schluss kann sich der Stadtrat gegenüber den Journalisten vor Bundesgericht in seinen zentralen Klagepunkten nicht durchsetzen. Dies versucht er in seiner heutigen Medienmitteilung (siehe PDF am Ende dieses Artikels) mit streckenweise falschen und irreführenden Aussagen zu beschönigen.
Gemäss dem nun vorliegenden Bundesgerichtsurteil haben die beklagten Journalisten zur Hälfte obsiegt. Damit schickt das Bundesgericht die Sache zurück ans Kantonsgericht zur Neuverteilung der Kosten.
Seinerseits teilte das Bundesgericht seine Gerichtskosten hälftig zwischen Stadt/Dr. Grob und den Journalisten. Die Anwaltskosten haben die Parteien selbst zu berappen.

Ebenfalls falsch versucht die Stadt in ihrer Medienmitteilung darzustellen, das Bundesgericht habe die städtische Klage wegen einer persönlichkeitsverletzenden Kampagne geschützt. Das ist irreführend: Weil die angebliche Kampagne Schnee von gestern ist, äussert sich das Bundesgericht dazu nicht und schreibt die Klage in dieser Frage als gegenstandslos ab.

Stadtrat läuft ins Leere

Mit seiner bombastischen Klage und seiner sturen Prozessführung läuft der Stadtrat somit rundum ins Leere. Er wollte die Beklagten mit astronomischem Aufwand in die Knie zwingen. Das misslang. Die gewünschte Feststellung einer persönlichkeitsverletzenden (Medien-)Kampagne scheitert vor Bundesgericht.

Mit seinen 25 Unterlassungsbegehren – für Nichtanwälte könnte man dies mit «Schreibverbot» umschreiben – scheiterte der Rat mehrheitlich bereits vor den Vorinstanzen. Von seinen Forderungen wurden nur 10 gutgeheissen. Und: Entgegen der Medienmitteilung der Stadt wurde die Genugtuungsforderung von Dr. Walter Grob nicht akzeptiert. Vielmehr war diese bereits von den Vorinstanzen auf rund einen Drittel zusammengestrichen worden.

Insgesamt unterliegt die Stadt gegen die Journalisten Bruno Hug und Mario Aldrovandi grossmehrheitlich, was die St. Galler Richter – welche nun noch über die Kostenverteilung richten werden – wohl entsprechend gewichten werden. Denn die Fakten sind unumstösslich: Von ursprünglich insgesamt 38 Klagebegehren drang die Stadt schliesslich nur mit 11 durch, und auch das nur teilweise.

Kommentar von Bruno Hug

Der Stadtrat hatte sich im KESB-Prozess in eine denkbar schlechte Position manövriert. Obwohl die KESB-Fälle von Marco H. auf dem Jugendschiff, die tatsächlichen und versuchten Psychiatrie-Einlieferungen von Maria Langenegger, von Peider Vital oder Frau F. B. aus Schänis, der Abstill-Befehl an eine Mutter oder die Kindeswegnahme von Michael die Öffentlichkeit quer durch die Schweiz empörten, stand der Stadtrat wie eine Eins hinter seinem KESB-Leiter. Statt sich die Kritik genauer anzusehen.

Entlassung Grob

Die auf Fakten beruhenden Berichte der ON aus den Jahren 2014 bis 2016 gehörten schon lange der Vergangenheit an, als der Stadtrat im Oktober 2018 seinen KESB-Leiter Grob entlassen musste und per sofort freistellte. Ebenfalls dessen Stellvertreterin.

Der Stadtrat teilte damals mit, Dr. Grob sei wegen «kleiner Fehler» entlassen worden, was unglaubwürdig war: Wer stellt schon einen Spitzenbeamten wegen «kleinen Fehlern» per sofort frei? Obendrein gab ein Stadtrat noch zu, Dr. Grob und der Rat hätten vor dessen Entlassung ein halbes Jahr lang nur noch per Anwalt verkehrt – was übrigens zumindest bis vor Kurzem immer noch der Fall war.

Dr. Grob klagt gegen Stadtrat

Dr. Walter Grob, selbst Anwalt von Beruf, nahm den stadträtlichen Steilpass an und klagte den Stadtrat nach seiner Entlassung wegen «missbräuchlicher Kündigung» ein und forderte von der Stadt «eine grössere finanzielle Entschädigung».

Im September 2020 war Grobs Klage vor Gericht noch «pendent», wie die Stadtkanzlei Linth24 damals bestätigt hat. Danach gab es zu diesem Streitfall keine Auskunft mehr.

Mehrmals verpasster Frieden

Klar ist heute: Der Stadtrat hat mit dem vielen Steuergeld de facto nichts erreicht. Dabei hat er, und das wiegt doppelt schwer, gezielt mehrere Gelegenheiten ausgelassen, aus der KESB-Klage auszusteigen:

Ausstieg Nummer 1 liess der Stadtrat nach der Wahl von Martin Stöckling zum Stadtpräsidenten Anfang 2017 sausen. Er hätte die Chance gehabt, die ihn nichts angehende Altlast abzuschütteln. Ich habe zu dieser Zeit mehrmals mit Stadtrat Thomas Rüegg konferiert und einen Vergleich vorgeschlagen. Der Stadtrat unter dem neuen Stadtpräsidenten Stöckling hat dies abgelehnt.

Ausstieg Nummer 2 verpasste der Stadtrat im August 2018. Die den Gesamtrat vertretenden Stadträte Thomas Rüegg und Kurt Kälin besprachen mit mir einen Vergleich. Nach diesen Gesprächen wurde ein gegenseitig abgesprochener, schriftlicher Einigungs-Vorschlag verfasst. Doch der Stadtrat lehnte diesen am 7. September 2018 –selbst zum Ärger einzelner Stadträte – ab. Er schrieb, ein Vergleich wäre der Öffentlichkeit «schwierig zu kommunizieren».

Ausstieg Nummer 3 liess der Stadtrat schon zwei Monate später im Zuge von Dr. Grobs Entlassung an sich vorbeiziehen. Jetzt, wo Dr. Grob und die Stadt im Streit lagen, wäre ein Klage-Ausstieg ein Akt der Vernunft gewesen. Doch auch diese Chance liess der Rat bewusst vorbeiziehen.

Ausstieg Nummer 4 lag vor dem Gang ans Bundesgericht vor. Der immer noch in den Prozess involvierte Churer Verlag Somedia, zu dem die ON und die «Linth-Zeitung» gehören, unterbreitete dem Stadtrat am 28. August 2019 einen ausgewogenen Vorschlag zur Streitbeilegung.
10 Tage später schrieb der Stadtrat zurück, er habe «an der gestrigen Sitzung den Vergleichsvorschlag beraten». Aufgrund des Urteils des Kantonsgerichts lehne er diesen ab beziehungsweise «verzichte auf Vergleichsverhandlungen».

Fazit: Wäre der Stadtrat zum Beispiel nach Dr. Grobs Entlassung aus dem sinnlosen Abenteuer ausgestiegen, hätten die Steuerzahler mindestens 200'000 bis 300'000 Franken gespart. Aber Geld hat diese Stadt ja offenbar genug.

Bruno Hug, Linth24