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Kanton
25.04.2020
26.04.2020 14:08 Uhr

Die Vorteile des Lock-Downs

Tulpen im morgendlichen Gegenlicht: Zeit für die Natur.
Tulpen im morgendlichen Gegenlicht: Zeit für die Natur.
Warum der Bundesrat richtig gehandelt hat, Jammern in vielen Fällen überflüssig ist und Politiker sich mit dem befassen sollten, was sie verstehen. Ein Meinungsbeitrag.

Hörbares Vogelgezwitscher, promenierende Enten in der Stadt, weniger Fluglärm in der Südschneise, kaum Stau aus dem Seedamm, genug freie Parkplätze, fröhliche Menschen auf Fahrrädern, befreit von den vier Wänden in klarer Luft. Die Natur liebt den Wahnsinns-Stopp und umweltsensible Menschen geniessen es mit ihr.

Einigen Beizern und anderen Dienstleistern geht die Luft aus. Sie werden schliessen müssen, obwohl sie Kredit von den Banken erhalten könnten. Es sind einige dabei, die kaum zwischen Einnahmen und Gewinn unterscheiden können und schon früher alle drei Monate Mühe hatten, die fällige Mehrwertsteuer zu bezahlen. Viele haben sich jahrelang aus ihrer eigenen Küche ernährt und im wahrsten Sinn von der Hand in den Mund gelebt.

Schadensminderung

Viele KMU’s schnappen nach Luft. Sie mussten ihre sauer und in weiser Voraussicht angelegten Reserven anzapfen und - sie mussten kreativ sein und Schadensminimierung betreiben: Sie erfanden Mitnahme-Menüs, Gutschein-Leistungen, Online-Lieferdienste. Und sie nehmen zu Recht die Kurzarbeitsentschädigung – den garantierten Lohn. Sie werden als vernünftig wirtschaftendes Gewerbe überleben.

Einige Coiffeursalons werden ab Montag volle Auftragsbücher haben. Schliesslich haben sie sich über Jahre mit gutem Service eine Stammkundschaft aufgebaut. Die wartet sehnsüchtig auf den nächsten Schnitt, die neueste Mesh. Nicht dazu gehören werden jene Politiker, die sich die Haare von ihrer Frau schneiden liessen, dies stolz auf Facebook posteten und damit den Coiffeusen den Verdienst stahlen. Es sind übrigens oft dieselben Politiker, die poltern, der Bundesrat tue zu wenig fürs Gewerbe.

Überforderte Politiker und sich erholende Wirtschaft

Einige Politikern haben komplett überbordet. Das gilt für jene Grünen und Linken, die Sitzungsgelder wollen für Sitzungen, die gar nicht stattgefunden haben. Das gilt für jene rechten Schwätzer, die nun behaupten, dass es ja gar nicht so schlimm rausgekommen sei und man darum den Lockdown ganz schnell beseitigen solle. Das Tragische: Sie merken nicht einmal, dass sie sich damit argumentativ in den Schwanz beissen.

Die Wirtschaft wird sich erholen. Konsumenten geben das gesparte Geld gerne wieder für Shoppen, Reisen und Geniessen aus und Firmen werden die auferlegte Sparsamkeit weiterleben. Sicher geht das Bruttosozialprodukt zurück und auch der Bund wird ein paar Millionen an geliehenem Geld verlieren. Aber das ist alles aufholbar, in den kommenden Monaten und Jahren.

Der Bundesrat wird weiterhin vorsichtig sein. Hoffentlich. Er wird die Maskenpflicht obligatorisch erklären, sobald genug Masken zu vernünftigen Preisen verfügbar sind. Und er wird sich bitte das Thema Kurzarbeitsentschädigung genauer anschauen. Die Frage da: Beziehen Alle Kurzarbeitsentschädigungen zu Recht? Zum Beispiel Redaktionen wie die NZZ oder SRF, die ja in Zeiten der Krise per Definition mehr zu tun haben, um das Publikum zu informieren oder zu unterhalten? Und wieviele Firmen fordern Kurzarbeitsentschädigung, wickeln aber ihre Arbeit gleichzeitig mit Homeoffice und Zoom Konferenzen ab, haben also kaum einen Nachteil und möchten sich am Staats-Euter laben?

Notfall ohne Bobo-Patienten

Das Gesundheitswesen ist gereift. Heute gibt es Covid-Spitäler und solche mit dem normalen Service. Die Zurückhaltung bei aufschiebbaren Operationen wird nun abgelegt. Insgesamt kamen Spitäler nicht bis zum Anschlag, wie in Frankreich und Italien. Und es ist kein Nachteil, dass viele Bobo-Patienten aus Angst vor Ansteckungen die Notfallabteilungen weniger belagerten, als gewöhnlich.

Der Bund hat ein paar Fehler gemacht. Kleine. So musste Bundesrat Berset erst lernen, dass das Händeschüttelverbot auch für ihn gilt. BAG-Fachmann Daniel Koch hat unterdessen realisiert, dass trockene Statements ohne Erklärung manchmal zu trocken sein können. Zu den Fehlern gehörte auch, dass der Gesamt-Bundesrat der Migros, Coop&Co ab 27. April das volle Sortiment öffnen wollte und damit einen Nachteil geschaffen hätte für die Spezialgeschäfte. Dieser Fehler wurde korrigiert, auch weil es genug laute Proteste gab.

Kritisch nachfragen und auch protestieren gehört genauso zur Krisenbewältigung wie das Vertrauen in die Fähigkeiten, die Krise zu bewältigen. Jammern hilft nicht.

Mario Aldrovandi, Linth24