Die Grünen haben an der Aprilsession eine Motion eingereicht, die verlangt, dass die Gemeinden einen Spielraum bei der Ausgestaltung der politischen Rechte erhalten. Dieser Spielraum soll es ihnen ermöglichen, das Stimmrechtsalter 16 sowie das Ausländerstimmrecht in Gemeindeangelegenheiten einzuführen.
«Hat die Regierung den Kompass verloren?»
Die Regierung zeigt sich in ihrer Stellungnahme an den Kantonsrat offen für eine solche Debatte und beantragt die Gutheissung der Motion mit geändertem Wortlaut, stgallen24 berichtete. Die Beteiligung eines möglichst grossen Anteils der ansässigen Bevölkerung am gesellschaftlichen und politischen Diskurs trage zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bei.
Dass die Grünen ein Ausländerstimmrecht sowie die Senkung des Stimmrechtsalters wollen, überrasche die SVP nicht, wie sie in einer Mitteilung schreibt. Dass die Regierung, zusammengesetzt in der oft genannten «bürgerlichen Mehrheit», dies unterstützt, jedoch schon. Die SVP lehnt das Ausländerstimmrecht klar ab und fragt sich, ob die Regierung den Kompass verloren hat.
Sprachbarriere ein Hindernis?
Sie findet, dass man mit dem Schweizer Stimmrecht dank der direkten Demorkratie viel weiter als in anderen Ländern gehe und es handle zum um ein «sehr kostbares Gut». Bereits heute können sich gut integrierte Ausländer einbürgern lassen und an den damit zusammenhängenden Rechten und Pflichten teilhaben. Die Anforderungen für Einbürgerungen wurden dabei in den vergangenen Jahren sogar wiederholt gesenkt, etwa für die dritte Ausländergeneration (sog. «Terzos») und im Rahmen des «Nachtrags zum Gesetz über das St.Galler Bürgerrecht».
Weiter schreibt die bürgerliche Partei: «Dass die Regierung das Ziel der sozialen Integration zur Begründung einer Ausweitung des Stimmrechts missbraucht, ist fragwürdig. Die Integration in eine Gesellschaft erfolgt nicht über das Stimmrecht, sondern durch langjährigen Kontakt mit der lokalen Bevölkerung, die Arbeit und die Aneignung der Sprache sowie geltender Gesetze und Sitten. Dies zeigt sich auch in jenen Schweizer Gemeinden, die bereits ein Ausländerstimmrecht kennen und dieses nur von einer kleinen Minderheit wahrgenommen wird. Sicherlich sind dabei die Sprachbarrieren nicht zu unterschätzen – denn wie soll sich ein Ausländer mit schlechten Deutschkenntnissen einen Überblick über komplexe Abstimmungsvorlagen verschaffen? Die Einbürgerung und damit der Erwerb der politischen Mitbestimmungsrechte sollen daher das Resultat einer erfolgreichen Integration bleiben.»
Abstimmungsunterlagen auf Albanisch, Arabisch und Englisch
Auch aus staatspolitischer Sicht sei die Einführung sinnfrei, so die SVP: «Es kann nicht sein, dass Ausländer beispielsweise ohne klare Anforderungen an Aufenthaltsdauer und Sprachkenntnisse stimmberechtigt werden. Ersteres gefährdet, dass Entscheidungen im langfristigen Interesse der Gemeinde gefällt werden; Letzteres würde bedeuten, dass auch Personen, welche keine Amtssprache sprechen, stimmberechtigt werden. Aus Sicht der SVP kann es nicht das Ziel einer Stimmrechtsrevision sein, dass die Gemeinden letztendlich Abstimmungsunterlagen auf Albanisch, Arabisch und Englisch anbieten müssen.»
Der Kanton St.Gallen wie auch die meisten anderen Kantone würden heute ein austariertes Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten kennen. So seien beispielsweise nur Schweizer Bürger wehrpflichtig, während Ausländer und Menschen unter 18 davon befreit sind. «Nachdem bereits vor einem Jahr eine Reduktion des Stimmrechtsalters abgelehnt wurde, sollten die Grünen und die Regierung diesen Parlamentsentscheid akzeptieren», sagt die SVP abschliessend.