- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Man wähnt sich im falschen Film: In politischen Videobotschaften der Ja-Kampagne für das CO2-Gesetz machen prominente Klimaforscher wie Reto Knutti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) ungeniert Abstimmungspropaganda. Selbst Knuttis oberster Chef, ETH-Ratspräsident Michael Hengartner, von Haus aus Biologe und Wurmforscher, rührt im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 13. Juni die Werbetrommel für ein Ja.
Anmassende Professoren
Die Professoren Knutti und Hengartner sind bei weitem nicht die einzigen. Insgesamt über 100 Wissenschaftler aus allen möglichen Disziplinen geben dieselbe Abstimmungsempfehlung ab.
Dabei unterliegen sie einem fundamentalen Irrtum.
Es beginnt schon mit einer völlig wissenschaftsfernen Anmassung: «Stellungnahme der Wissenschaft zum CO2-Gesetz» nennen die Unterzeichner ihr Pamphlet.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: «Die» Wissenschaft – mit dem bestimmten Artikel – sagt uns ungebildeten Bürgern, wo’s politisch langgeht.
Geht’s noch?
Mumpitz und Wahrheit
Das ist natürlich Mumpitz. Denn erstens haben Hunderte, ja Tausende von Schweizer Wissenschaftlern diese Stellungnahme nicht unterzeichnet. Die überwiegende Mehrheit macht also nicht mit.
Und zweitens lernt man schon im ersten Semester an der Uni, dass es nicht «die» Wissenschaft und schon gar nicht «die» Wahrheit gibt.
Lässt sich die Erderwärmung in die gewünschte Richtung lenken?
Vollends ins Abseits argumentieren sich die – ja was denn nun: Wissenschaftler? Aktivisten? Kampagnenclaqueure?, wenn sie sich von ihren Kathedern herab in die Tagespolitik einmischen.
Selbst unter der Prämisse, dass es den Klimawandel gibt, dass er menschgemacht ist und dass er sich durch politische Massnahmen in die gewünschte Richtung lenken lässt – selbst unter dieser Voraussetzung ist immer noch völlig offen, welche Mittel und Wege am geeignetsten sind, um die Erderwärmung abzumildern.
Rein politischer Entscheid
Ist das revidierte CO2-Gesetz die richtige Antwort auf diese Frage?
Das ist ein rein politischer Entscheid, der mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun hat. Atmosphärenphysiker und Gletscherforscher sind diesbezüglich weder besser noch schlechter qualifiziert als Bauern oder Anwälte.
Sie sollen sich als Bürger politisch betätigen so viel wollen, klar. Aber sie dürfen nicht ihr – notabene von den Steuerzahlern finanziertes – Amt missbrauchen, um Politik zu machen. Sonst verspielen sie das wertvollste Gut, dass sie als Wissenschaftler haben: ihre Unabhängigkeit.