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Kanton
15.03.2021

Sexismus-Shitstorm gegen Kapo St.Gallen

Im mittlerweile entfernten Ratgeber wurden Frauen nur in der Opferrolle angesprochen. (Symbolbild)
Im mittlerweile entfernten Ratgeber wurden Frauen nur in der Opferrolle angesprochen. (Symbolbild) Bild: pexels
Die Kantonspolizei St.Gallen publizierte einen Ratgeber darüber, wie sich Frauen vor Vergewaltigungen schützen können. Daraufhin hagelt es Kritik.

Unter dem Titel «Kapo-Ratgeber: Frauen alleine unterwegs» publizierte die Kantonspolizei St.Gallen Tipps für Frauen, wie sie sich draussen vor Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen schützen können. 

Dort heisst es beispielsweise: «Es liegt auf der Hand, dass Sie ein leichteres Opfer sind, wenn Sie nicht bei klarem Verstand sind. Trinken Sie deshalb Alkohol nur in Massen, so, dass Sie noch klar denken können.» Weiter schlägt die Kantonspolizei St.Gallen den Frauen vor, dass sie selbstbewusst auftreten sollen. Denn: «Frauen, die Selbstbewusstsein ausstrahlen, werden weniger belästigt als verschreckte Frauen, die unsicher nach Hause huschen. Kommt Ihnen jemand zu nahe, sagen Sie laut und deutlich, dass Sie das nicht wollen.»

Vorwurf des Victim-Blamings

Die Feministin und grünliberale Politikerin Carla Reinhard teilte den Ratgeber auf Twitter und schreibt dazu: «Frauen müssen nicht weniger trinken, Männer müssen weniger Frauen belästigen. Wo bleibt der Männerratgeber?» Damit wirft sie und weitere Twitter-User und -Userinnen der Kantonspolizei St.Gallen sogenanntes «Victim-Blaming» vor. Opferbeschuldigung ist die Beschreibung für ein Vorgehen, das die Schuld für einen Übergriff beim Opfer selbst sucht.

So kommentiert eine Userin: «Absolut jenseits. Der Grund weshalb Übergriffe von Männern auf Frauen geschehen, ist weil Männer sich gegenüber Frauen übergriffig verhalten. Mit Frauen hat das rein gar nichts zu tun.»

Kapo entschuldigt sich

Mittlerweile gibt es den Ratgeber im Netz nicht mehr – die Kantonspolizei hat ihn gelöscht und entschuldigt sich in mehreren Statements: «Es tut uns leid, dass wir beim Verfassen dieser Tipps nur Frauen in der Opferrolle angesprochen haben. Der Ratgeber ist schon mehrere Jahre alt. Es wurde übersehen,dass dieser hätte angepasst werden sollte. Die Kapo SG stellt sich klar gegen Victim-Blaming oder das Schüren von Mythen.» 

Mordfall von Britin erschüttert das Netz

Der Ratgeber der Kantonspolizei St.Gallen wurde am 23. April 2019 veröffentlicht und sorgt nun knappe zwei Jahre später für Aufregung. Warum? Viele Tweets und Social-Media-Beiträge sind aktuell mit dem Hashtag «Text me when you get home» – zu Deutsch «Schreib mir, wenn du zu Hause bist» – versehen. Anlass dazu ist der Mordfall der Britin Sarah Everard.

Die junge Frau verschwand am 3. März abends auf dem Nachhauseweg und wurde sechs Tage später tot in einem Waldstück ausserhalb Londons gefunden. Als dringend tatverdächtig gilt ein Polizist, der inzwischen wegen Mordes angeklagt wurde. Der Vorfall löste eine Social-Media-Debatte über die Sicherheit von Frauen aus. Tausende teilen unter dem Hashtag ihre persönlichen Erfahrungen und Strategien, wie sich vor möglichen Angriffen schützen, wenn sie alleine unterwegs sind.

Linth24/stgallen24, Miryam Koc