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Rapperswil-Jona
15.02.2021

Alte Joner Atlaszeder wegen 17cm gefällt

Die Atlaszeder an der Kreuzackerstrasse im Lenggis, ein letztes Mal in voller Pracht (l.). Der Rest bleibt wie ein Altar, auf dem man die Liebe zur Natur opfert.
Die Atlaszeder an der Kreuzackerstrasse im Lenggis, ein letztes Mal in voller Pracht (l.). Der Rest bleibt wie ein Altar, auf dem man die Liebe zur Natur opfert. Bild: Linth24 / Markus Arnitz
Auf Verlangen musste eine 62-jährige Atlaszeder im Lenggis in Jona gefällt werden. Beim Nachbarstreit ging es um 17 Zentimeter.

Genau 17cm Abstand fehlten der Atlaszeder an der Kreuzackerstrasse 5 im Lenggis. Das war ihr Todesurteil.

Mehrere Jahre nach Einzug in die neue nachbarliche Liegenschaft reichten deren Eigentümer eine Klage ein wegen Immissionen und mangelndem Abstand zu ihrer Liegenschaft und verlangten die Fällung des imposanten Baumes. Einer ganzen Generation war die Zeder Schattenspender und Augenweide.

Hausverwaltung versäumt Schlichtungsverhandlung

Dass im Sommer 2020 keine einvernehmliche Einigung erzielt werden konnte, ist auch dem Versäumnis der Liegenschaftsverwaltung der beklagten Partei zu verdanken. Diese erschien nämlich gar nicht erst zur Schlichtungsverhandlung.

So nahmen die Dinge ihren Lauf, da es im Kanton St.Gallen keine Verjährungsfrist für Grenzabstände von Gewächsen zum Nachbargrundstück gibt. Beweisen muss man die kritisierten Immissionen auch nicht. Es reicht, wenn der Abstand nicht eingehalten wird, damit die Kläger beim Sieg um das Streitobjekt die Kettensäge anwerfen können.

Bewohnerin Heidi Back: «Ich kann nicht zusehen, wie man dem Baum fällt.» Bild: Linth24 / Markus Arnitz

«Zeder-Fällung tut mir in der Seele weh»

Heidi Back, Bewohnerin der betroffenen Liegenschaft, meint dazu: «Die Zeder ist für alle beinahe wie ein Familienmitglied. Wir wohnen schon lange im Haus und so wie wir unsere Kinder aufwachsen sahen, so erlebten wir auch das Gedeihen dieses wunderschönen Geschöpfs. Dass die Zeder nun gefällt wird, tut mir in der Seele weh. Aber die Gesetze sind nun mal so, weiterer Widerstand gegen das Ansinnen unserer Nachbarn hätte nur Zeit und Kosten versursacht, ohne Aussicht auf Erfolg.»

Am letzten Donnerstag wurden bereits die meisten Äste abgesägt, Freitagmorgen begann das grosse Abholzen mitten im Quartier. Was übrig bleibt, ist ein Mahnmal für den Umgang mit der Natur. Und eine unüberbrückbare Lücke im freundnachbarschaftlichen Zusammenleben.

Erste Vorarbeiten für das Abholzen (l.). Die Spezialisten leisten ganze Arbeit. Bild: Linth24 / Markus Arnitz

Kommentar

Der Streit und die Zerstörung alter Bäume in Siedlungsgebieten ist leider ein weiteres Zeichen unserer Zeit, welches sichtbar macht, wie sehr sich viele Menschen bereits von der Natur entfremdet haben. Man geht wandern, geniesst den Wald im Tal oder in den Bergen, aber wehe, wenn es ein wenig Blütenstaub oder ein paar Blätter auf dem eigenen Balkon hat. Dann wird die Natur zur Belästigung.

Was stört, muss weg. Nicht bloss Bäume. Egal was kreucht, fleucht oder bimmelt, der urbane Bürger sucht Hilfe bei Justitias Schwert und nicht bei der Waage. Wie wichtig alte Bäume für das Klima und die Biodiversität sind, spielt dann keine Rolle.

Im Mittelalter war das Fällen von Bäumen ohne triftigen Grund Frevel und bei härtesten Strafen verboten. Heutzutage ist ein Baum bloss noch «Holz». Der Homo urbanus muss wieder lernen, dass er der Natur Respekt schuldet.

Markus Arnitz, freier Mitarbeiter Linth24