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Kanton
05.11.2020
05.11.2020 14:05 Uhr

Vincenz soll 1/4 Million in Strip-Lokalen verpulvert haben

Laut Branchenportal "inside paradeplatz" soll Pierin Vincenz an einem Abend "locker" 5000 Franken liegen gelassen haben.
Laut Branchenportal "inside paradeplatz" soll Pierin Vincenz an einem Abend "locker" 5000 Franken liegen gelassen haben. Bild: LEADER - das Unternehmermagazin
Ex-Bankchef Pierin Vincenz aus St.Gallen ist wegen Betrugs und Bestechung angeklagt. Zudem soll er eine Viertelmillion in Striplokalen verpulvert haben - auf Raiffeisen-Kosten.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft klagt an: Dem langjährigen Chef der Bankengruppe aus St.Gallen werden Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und Bestechung vorgeworfen. U.a. soll Vincenz eine Viertelmillion in Striplokalen verpulvert haben - auf Raiffeisen-Kosten.

In den Augen der Justiz hätte Pierin Vincenz Investitionen offenlegen und den daraus erzielten Ertrag abliefern müssen, berichtet SRF.

Doppeltes Spiel

Bei der Raiffeisen hatte der Fall Vincenz für Köpferollen gesorgt: Vincenz-Nachfolger Patrik Gisel musste seinen Chefposten an Heinz Huber abgeben. Zuvor hatte die Raiffeisen-Delegiertenversammlung mit Guy Lachappelle, dem vormaligen Chef der Basler Kantonalbank, bereits einen neuen Verwaltungsratspräsidenten gewählt und weitere Verwaltungsräte aus der «Vincenz-Ära» ersetzt.

Im Visier der Ermittler stehen Pierin Vincenz und der frühere Aduno-Chef Beat Stocker. Vincenz soll als Chef von Raiffeisen Schweiz und Präsident des Bezahlspezialisten Aduno bei Firmenübernahmen ein doppeltes Spiel gespielt und sich persönlich bereichert haben. Aduno reichte im Dezember 2017, Raiffeisen im Februar 2018 Anzeige gegen Vincenz ein und brachten damit den Fall richtig ins Rollen.

Mit dem Prozess sei nicht vor 2021 zu rechnen, so finews.ch.

Dauergast im Rotlicht-Milieu

Wie das Branchenportal "inside paradeplatz" herausgefunden hat, hat Pierin Vincenz auch die sogenannte "Eventgastronomie" grosszügig unterstützt - auf Raiffeisen-Kosten: Alleine eine Viertelmillion Franken habe der ehemalige Raiffeisen-CEO in Cabarets und Striplokalen als Spesen verpulvert - Nutzniesser waren, neben vielen Zürcher Lokalen, etwas das "Tiffany" in St.Gallen. An einem Abend konnte Vincenz locker bis zu 5'000 Franken liegen lassen.

Ein besonderer Aufwand betrifft den Betrag von 3’778 Franken, berichtet "inside paradeplatz". Dieser entstand durch eine komplette Reparatur der Suite 507 im Zürcher Businesshotel Park Hyatt. Vincenz hatte dort die Nacht vom 11. auf den 12. Juni 2014 mit einer Frau verbracht. Es handelt sich um eine Cabaret-Tänzerin, zu der Vincenz eine nähere Beziehung aufbaute. In der besagten Nacht kam es zu einem schweren Streit. Das Inventar der Suite nahm derart Schaden, dass eine teure Sanierung nötig wurde. Vincenz liess auch diese Schaden über die Firmenkarte laufen.

Es ging aber auch bescheidener: Für ein Essen mit einer Tinder-Bekanntschaft lagen nur 700 Franken drin.

Total kommen die Strafverfolger bei Vincenz auf einen Betrag von 251’000 Franken, die der Ex-CEO seiner Arbeitgeberin, der Raiffeisen, für private Vergnügungen in Rechnung gestellt hatte, rechnet "inside paradeplatz" vor. In der 350 Seiten starken Anklage der Zürcher Staatsanwaltschaft gegen Pierin Vincenz und weitere dreht sich denn auch ein stolzer Teil um illegale Spesen.

 

 

 

Kommentar Linth24/Stgallen24:

Ja, Pierin Vincenz hat über die Stränge geschlagen, Geld, das ihm nicht gehörte, mit vollen Händen ausgegeben und sich wohl auch sonst Vorteile aus seiner Position, aus seinem (Insider-)Wissen, aus seinen Beziehungen verschafft. Kurz: Er hat Fehler gemacht. Viele Fehler. Und wahrscheinlich haben diese auch strafrechtliche Folgen. 

Aber.

Pierin Vincenz hat aus der eher verschlafenen Raiffeisen-Bank die Nummer 3 in der Schweiz gemacht. Er baute in seiner Amtszeit die ländliche Genossenschaftsbank zu einem der führenden Schweizer Finanzinstitute aus, professionalisierte die Strukturen und machte die Bank fit fürs 21. Jahrhundert.

Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Der Schlüssel liegt wohl in Pierin Vincenz' Persönlichkeit begründet: Der Bündner ist ein Alpha-Tier, ein Macher, vielleicht sogar ein Egomane. Ohne diese Eigenschaften wäre es ihm nicht gelungen, das Raiffeisen-Schiff in neue Gewässer zu steuern. Ohne diese Eigenschaften wäre er nicht von der vereinigten Finanz- und Politwelt hofiert und umschwärmt worden.

Die Kehrseite der Medaille: Wie im Geschäftsleben auch, kannte Vincenz offenbar auch im Privaten wenig bis keine Grenzen. Er hielt sich für den Grössten - was er in einer gewissen Beziehung ja auch war. Und er hielt sich für unfehlbar: Warum soll er sich nicht auf Raiffeisens Spesen amüsieren? Schliessllich hat er der Bank früher nie für möglich gehaltene Gewinne verschafft.

Dass er dabei die Grenzen zwischen Privat und Business nicht (mehr) zu ziehen wusste, ist unschön, vielleicht sogar strafbar. Aber man darf davon ausgehen, dass das für Pierin Vincenz persönlich kein Betrugsversuch, sondern eine Selbstverständlichkeit war. Er war der Superstar - als solchen sah er sich auch selbst. Und Superstars können sich alles erlauben.

Falsch gedacht.

Hochmut kommt vor dem Fall - das hat auch diese Affäre bewiesen. Und ehemals treue Weggefährten - und Nutzniesser seiner Grosszügigkeit - lassen ihn nun fallen. Und in der Raiffeisen-Zentrale in St.Gallen werden einige zittern und hoffen, dass im Lauf des Prozesses ihr Name nicht auch noch an die Öffentlichkeit gelangt.

Linth24/Stgallen24