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Schweiz
02.08.2025
03.08.2025 07:34 Uhr

Die Naivität der Bundespräsidentin

Erklärungsbedarf: Karin Keller-Sutter hätte sich den 1. August wohl anders vorgestellt.
Erklärungsbedarf: Karin Keller-Sutter hätte sich den 1. August wohl anders vorgestellt. Bild: Keystone SDA
Der Zollhammer von Donald Trump erschüttert die Schweizer Politik und Wirtschaft. Als grosse Verliererin steht Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter da.

Am 1. August richtete Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter das Wort via Schweizer Fernsehen an die Nation. Sie tat es vor dem Stadtweiher ihrer Wohngemeinde Wil und sprach von der Bedeutung des Ortes für die Eidgenossenschaft und über die  Defensionale von Wil, die 1647 von den 13 Alten Orten zur ersten Wehrordnung der Schweiz unterzeichnet wurde.

«Ja, es geht der Schweiz gut» 

Die Quintessenz ihrer Rede: «Ja, es geht der Schweiz gut – im Vergleich mit vielen anderen Ländern, auch in Europa, sogar sehr gut». Und: «Ich bin überzeugt, dass wir gute Voraussetzungen haben, die Erfolgsgeschichte unseres Landes weiterzuschreiben».

Und zum Schluss sagte die Finanzministerin: «Am heutigen Nationalfeiertag sollten wir daher mit Stolz, aber auch mit einer gewissen Demut auf unser Land schauen. Und mit der Zuversicht, dass wir auch weiterhin unseres Glückes Schmied sein können».

Selten stand eine Ansprache zum Nationalfeiertag derart quer in der Landschaft wie 2025. Fairerweise muss man sagen, dass sie schon am Dienstag aufgezeichnet worden war.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter während ihrer TV-Ansprache am 1. August. Bild: SRF

Im Gewitterregen

Dass Keller-Sutter dabei aber von einem heftigen Gewitter unterbrochen wurde, kann rückblickend als symbolhaft gewertet werden. Nach den von Donald Trump ausgesprochenen Strafzöllen gegen die Schweiz von 39 Prozent steht die FDP-Frau (zusammen mit ihren Bundesrats-Kolleg(inn)en) buchstäblich im Regen. 

Dabei schien Keller-Sutter noch vor kurzem die Zügel fest im Griff zu halten. Als im Frühling die ganze Welt vor Donald Trumps Strafzöllen zitterte, griff die St. Gallerin beherzt zum Telefon und sprach mit dem US-Präsidenten vermeintlich auf Augenhöhe. Sie sei optimistisch, dass die Schweiz einen guten Deal erreiche.

Und an dieser Einschätzung änderte sich lange nichts. Noch bis vor Kurzem herrschte in Bern grosse Zuversicht, das Schlimmste abgewendet zu haben.

Umfassender Scherbenhaufen

Doch nun sieht alles anders aus. Nach dem Zollhammer steht die Schweiz vor einem umfassenden Scherbenhaufen. Dass Keller-Sutter Trump darauf hinwies, dass es die Schweiz seit 1291 gibt und dass der 1. August unser Nationalfeiertag ist, wirkt wie die hilflosen Erklärungsversuche einer Fussballtorhüterin, die der Gegnerin soeben den Ball vor dem leeren Tor in die Füsse gespielt hat. 

Rat- und Hilflosigkeit

Derzeit scheint die Rat- und Hilflosigkeit im Bundesratszimmer grenzenlos zu sein, aber etwas ist glasklar: Unser Bundesrat hat die Kontrolle über das Spiel mit Donald Trump verloren - ohne dass er dies realisierte. Dies dürfte uns alle teuer zu stehen kommen. Sehr teuer.

Thomas Renggli