- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Das politische System der Schweiz ist einzigartig: Wir haben einen Staatsaufbau von unten und nicht von oben herab. Die (halb-)direkte Demokratie erlaubt eine permanente Mitgestaltung und Mitbestimmung und – was ebenso wichtig ist – eine permanente Korrektur von Regierung und Parlament. Der Föderalismus sorgt dafür, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Betroffenen sind: in den Gemeinden, Kantonen – und erst zuletzt beim Bund.
Die Eidgenossenschaft vereint vier Sprachen und Kulturen, in einem friedlichen, bereichernden Miteinander. Die bewaffnete Neutralität – als massgeschneiderte Maxime für unseren Kleinstaat – sichert Frieden und Wohlstand. Das ist die eine Seite der Medaille.
Ausverkauf der direkten Demokratie
Die andere Seite ist: Vieles von dem, was die Eigenossenschaft auszeichnet, existiert nur noch auf dem Papier oder in 1.-August-Reden.
Was nützt die direkte Demokratie, wenn Volksentscheide nicht umgesetzt werden? Was ist das für eine Unsitte in Bundesbern, dass die Volksvertreter, kaum hat das Volk entschieden, dieselben Geschäfte, die vom Volk abgelehnt wurden, gleich wieder in Gesetze giessen, als gäbe es das Volk nicht?
Die Verwaltung hat die Macht
Das ist zum Beispiel beim E-ID-Gesetz und bei den Mediensubventionen so.
Daran kann man ablesen, was die Politiker vom Volk halten: nichts.
Schaut man genauer hin, so gilt auch für die Schweiz: Die eigentliche Macht liegt nicht beim Volk, auch nicht bei Parlament und Regierung, sie liegt bei der Verwaltung.
Föderalismus muss man suchen
Auch dem Föderalismus ist es nicht mehr allzu weit her. Die Gemeinden ächzen unter gebundenen Ausgaben von 80 Prozent oder mehr. Vielfalt und Wettbewerb geraten auch bei uns unter Druck, von innen und aussen.
Zentralistische Tendenzen zerfressen unseren antizentralistischen Staat. Verantwortung diffundiert und wird nach oben delegiert.
Selbstdemontage der bewaffneten Neutralität
Oder nehmen wir die bewaffnete Neutralität: Bundesrat, Parlament und Armeespitze tun seit Jahrzehnten nichts anderes, als die Neutralität aufzuweichen und die Armee zu schwächen – eine Selbstdemontage von oben und mit Ansage.
Maulkorb-Mentalität
Es gäbe noch viel mehr, das man anführen könnte: Auch bei uns wächst die Bürokratie, auch bei uns steigen die Steuern, auch bei uns wütet ein Zeitgeist, der die Bürgerfreiheit klein hält, Maulkörbe verteilt und Vorschriften für alles und jedes erlässt.
Freier als andere
Fazit: Die Schweiz als Ideal ist grossartig. In der Praxis müssen wir aufpassen, dass wir sie nicht selbst verraten und das Erfolgsmodell nicht eigenhändig schleifen.
Besteht die Raison d'être der Eidgenossenschaft nicht darin, freier zu sein als andere?
Ist sie das nicht mehr, machen wir uns überflüssig.