Jürg Sieber schreibt:
»Eine Mehrheit der FDP, SVP und Mitte-EVP des Kantonsrats hat anfangs dieses Monats mit ihrem Angriff auf die Gemeindeautonomie wohl mehr Geschirr zerschlagen, als ihren politischen Vertreter/innen bewusst ist. Konkret ging es um die Kompetenz der Stadt St. Gallen, auf ihren Strassen Tempo-30 und Begegnungszonen mit Tempo-20 einzuführen.
Signalcharakter hat dieser wegweisende Entscheid natürlich auch für Rapperswil-Jona, denn nun liegen die Zuständigkeiten für Tempo-30-Zonen beim Kanton, nicht nur bezüglich der Kantonsstrassen, sondern auch für Gemeindestrassen, welche als Durchgangsstrassen taxiert werden. Das wird zuerst einmal die Alte Jonastrasse betreffen und zur Folge haben, dass Massnahmen wie Lichtsignalanlagen und Fussgängerstreifen – die in Tempo-30-Zonen weggelassen werden können – vom Kanton festgelegt, deren Kosten aber von der Stadt getragen werden.
Angriff auf Selbstbestimmung
Es erstaunt, dass gerade jene Parteien, welche sich für liberale Werte und gegen fremde Richter einsetzen, die Selbstbestimmung von politischen Gemeinden angreifen. Offensichtlich ging es darum, der «städtischen Willkür und ideologisch motivierten Verkehrspolitik» einen Riegel vorzuschieben (Zitat D. V., SVP-Ortsparteipräsident St. Gallen).
Sicherheit ist keine Ideologie
Temporeduktionen haben jedoch nichts mit Ideologie zu tun, sondern entsprechen einem Bedürfnis der Anwohner/innen in den Quartieren: Sicherheit für Schulkinder und ältere Menschen sowie ruhige Begegnungszonen. Dasselbe sollte auch für uns Quartierbewohner/innen in Rapperswil-Jona das Wichtigste sein. Wie viel Einsatz ist es uns wert, uns für Tempo-30-Zonen einzusetzen, die Quartiere für den Verkehr unattraktiv zu machen und den Durchgangsverkehr auf die Kantonsstrassen zu «zwingen»?
Erschreckende Unfallzahlen
Der Verkehrsunfallstatistik 2024 des Kantons kann man entnehmen, dass die Mehrzahl der Unfälle mit Todesfolge oder Schwerverletzten innerorts stattfand, dass bei 85 von 110 Unfällen mit Personenschaden, in welche Fussgänger verwickelt waren, nicht der Fussgänger Hauptverursacher war, dass es zu 26 Unfällen mit Personenschaden auf dem Schulweg und zu 80 Unfällen mit Personenschaden auf einem Fussgängerstreifen kam. Auf den Strassen der Stadt Rapperswil-Jona kam es 2024 zu 62 Unfällen mit Personenschaden (1 Todesfall, 76 Verletzte)! Und trotz dieser Fakten stellen die bürgerlichen Parteien die automobile Freiheit über alles andere!
Konfrontation statt Kooperation
Um auf das eingangs erwähnte «Geschirr» zurückzukommen: Nach dem Angriff auf den finanziellen Lastenausgleich an der Urne folgte jetzt also der kantonsrätliche Angriff auf die Gemeindeautonomie. Politiker/innen aus fast allen Gemeinden im Gasterland haben mit dieser Machtdemonstration den Stadt-Land-Graben weiter vergrössert und statt auf Annäherung auf Konfrontation gesetzt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass im Vorfeld der erwarteten Tunnelabstimmung einige Wähler/innen jenseits des Rickens sich an den letzte Woche gefällten Entscheid zurückerinnern werden.»