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Leserbrief
Rapperswil-Jona
09.01.2025
09.01.2025 16:28 Uhr

Ruedi Haug zum Interview mit Martin Stöckling

Leserbriefschreiber Ruedi Haug aus Jona ( l.) kritisiert die Abwahlversicherung und Stöcklings Aussagen.
Leserbriefschreiber Ruedi Haug aus Jona ( l.) kritisiert die Abwahlversicherung und Stöcklings Aussagen. Bild: Linth24
Ruedi Haug äussert sich in seinem Leserbrief zu Martin Stöckling's Schlussinterview in der Linth-Zeitung, zu dessen Abwahl und zur Mitschuld von Parteien, Stadträten und Medien.

Der Joner Ruedi Haug schreibt in seinem Leserbrief:

«Die Linth-Zeitung hat am 31. Dezember 2024, sozusagen zum krönenden Abschluss des Jahres, ein 2-seitiges Interview mit dem scheidenden, mittlerweile jedoch bereits Ex-Stadtpräsidenten, Marin Stöckling, veröffentlicht. Nach den «Schlag»-Zeilen der vergangenen Monate ist das Interview der Versuch, eine, über weite Strecken «verkorkste» Amtszeit positiv darzustellen. Diese Nachbetrachtung hat mich dazu bewogen, einige kritische Gedanken darüber zu verlieren.

Positive Bilanz? Ich denke nicht.

Zitat Stöckling: «Trotz allem… ich schaue überwiegend positiv auf die letzten acht Jahre zurück».

Sehen es die Einwohner der Stadt auch so? Ich denke nicht, da ja schon das Wahlergebnis des ersten Wahlganges eine ernüchternde Erkenntnis sein musste. Daran änderte auch der zweite Wahlgang, mit einer fragwürdigen und beschämenden Kampagne von sekundierenden Unterstützern nichts mehr. Götti-Hecke, Hallenbad, Schwanen, Tunnel-Geschichte und nicht zuletzt der China-Deal lassen grüssen.

Die Schuld dazu auf die Presse, hauptsächlich «Linth24» - welche zudem noch als einzige kritisch über das Politgeschehen in der Stadt Rapperswil-Jona berichtet - zu schieben, ist zu einfach. Da wird einem einzelnen Medien-Unternehmen (zu)viel «Macht» eingeräumt und der Rest liegt im Schützengraben und duckt sich weg.

Keine kritischen Töne

Selbstreflexion? Kritik? …von wegen. Alles richtig gemacht! 
Im Interview finden sich kaum kritische Töne bezüglich der Arbeit des ehemaligen Stadtpräsidenten. Es ist anzunehmen, dass der Interviewer keine kritischen Fragen stellen wollte - oder nicht durfte? Ganz nach dem Sprichwort: «Jemanden, der am Boden liegt, sollte man nicht auch noch treten». Das ist durchaus nachvollziehbar, aber in dieser Führungsposition darf erwartet werden, dass Selbstreflexion und Kritikfähigkeit zentrale Eigenschaften sind, welche zu den persönlichen Charakterzügen zählen sollten. Demut und Empathie helfen das Profil abzurunden und zu schärfen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Handlungen wären wünschenswert gewesen. Möglicherweise auch eine Entschuldigung gegenüber dem Souverän? 

Kommunikation

Zitat Stöckling: «Überrascht hat mich die offenherzige Kommunikation der Stadträte vor der Konstituierung. Ich behaupte, unter mir wäre das so nicht passiert».

Da zeigt sich ein seltsames Verständnis von Kommunikation, respektive, es spiegelt über weite Strecken die Kommunikation während den gesamten acht Amtsjahren wider: Es wurde eben nicht offen, transparent und nachvollziehbar kommuniziert. So ist es auch nicht erstaunlich, dass die Einwohner von Rapperswil-Jona bei vielen Vorlagen eine kritische, ja gar ablehnende Haltung einnahmen und die Stadtregierung abstraften. Dies auch, nachdem durch die Hartnäckigkeit von «Linth24» Dokumente zu kritischen Geschäften schlussendlich doch öffentlich gelegt werden mussten.

Goldener Fallschirm

Die legitime Forderung der Partei GLP, die Abwahlversicherung der Stadträte abzuschaffen, kontert der Ex-Stadtpräsident mit der Aussage, das sei Populismus».

Mir ist nicht klar, was soll daran «populistisch» sein? Mit welcher Begründung sollen Amtsinhaber in einer solchen Gehaltsklasse mit derart komfortablen Leistungen entschädigt werden?
Am Ende meines Leserbriefes finden Sie die durch die Öffentlichkeit bezahlten Versicherungsbedingungen abgedruckt. Für Martin Stöckling gilt: Ab dem «vollendeten 46. Altersjahr», also eine «maximale Bezugsdauer» von 4 Jahren.

Das würde manchem Amtsträger guttun

Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen gerne ausrechnen, welche Leistung der Abgewählte theoretisch bezieht.

Es gibt keine vernünftige Begründung dafür. Jeder normal arbeitende Mensch hat, wenn ihm gekündigt wird und seine Anstellung verliert, keine solch weiche Matte auf die er fällt. Findet er nach dem Verlust seiner Stelle nicht eine neue Anstellung, ist der Gang zum RAV vorprogrammiert. Diese Erfahrung würde so manchem vollbezahlten politischen Amtsträger guttun, um so die Sorgen, Nöte, Ängste und Bedürfnisse von sich in solchen Lagen befindlichen Mitmenschen verstehen zu können.

Die Überlegung die jährliche Prämie selbst zu bezahlen ist nicht nur unterstützenswert, nein, sie müsste sofort eingeführt oder der ganze Zauber abgeschafft werden. Spinnt man den Faden weiter, wäre auch in Bundesbern die Abschaffung der Ruhegehälter für ehemalige Bundesräte angebracht.

Doch noch eine Lanze brechen

Zum Schluss möchte ich doch noch eine kleine Lanze für den abgetretenen Stadtpräsidenten brechen. Er ist, trotz etwas irritierender Wahrnehmung seiner politischen Leistung, nicht allein für die Verhältnisse und die gescheiterten Projekte der Stadt Rapperswil-Jona verantwortlich. Wo waren die anderen Stadträte? Wo waren die kritischen Stimmen aus den Parteien? Wo war der Rest der Medienschaffenden? Kein Wunder also, dass es gekommen ist, wie es kommen musste.»

Die Abwahlversicherung

Leistungen der Abwahlversicherung der Thurgauer Bürgschaftsgenossenschaft Bild: zVfg
Ruedi Haug, Jona