Teilweise sind Statistiken zu einzelnen Gesetzen bzw. Gesetzesbestimmungen ersichtlich. Die Statistik betreffend verurteilte Personen aufgrund einer Straftat gegen das StGB, das BetmG, das AIG und das SVG in den Jahren 1999 bis 2019 («Jugendurteile und verurteilte Personen aufgrund einer Straftat des StGB und einer Auswahl der wichtigsten Bundesnebengesetze») kann für jeden Kanton gesondert aufgerufen werden.
Auch Statistiken der Jahre 2020 bis 2022 weisen teilweise die Kantone einzeln aus, etwa diejenigen betreffend Jugendurteile und verurteilte Personen für eine Straftat des StGB, des SVG, aufgrund von Art. 19 BetmG und die Statistik betreffend sämtliche Jugendurteile und verurteilte Personen. Noch nicht publiziert sind die Daten des Jahres 2023.
Unbegleitete minderjährige Asylsuchende werden in der Verurteilungsstatistik nicht separat ausgewiesen. Es wird lediglich unterschieden zwischen «Ausländerinnen bzw. Ausländern mit B, C, Ci-Ausweis» und «anderen Ausländerinnen bzw. Ausländern».
Unter «andere Ausländerinnen bzw. Ausländer» fallen somit ausländische Personen mit touristischem Aufenthalt aus visumbefreiten Ländern, Personen mit ausschliesslich meldepflichtiger Dienstleistungserbringung (EU/EFTA bis 90 Tage), Personen, die zwar eine Aufenthaltsbewilligung bräuchten, aber keine besitzen (mit verschiedenen Entstehungsgeschichten), Asylsuchende im Asyl- oder Rechtsmittelverfahren (N-Ausweis), ausländische Personen aus dem Asylverfahren mit vorläufiger Aufnahme (F-Ausweis), Grenzgänger (GAusweis), Kurzaufenthalter (L- Ausweis) sowie Diplomaten mit EDA-Bewilligung.
Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (SR 311.1; abgekürzt JStG) keine eigenständigen Straftatbestände enthält. Vielmehr regelt es das Verfahren und die Sanktionen, die gegenüber Personen zur Anwendung kommen, die vor Vollendung des 18. Altersjahrs eine nach dem StGB oder einem anderen Bundesgesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen haben (Art. 1 Abs. 1 Bst. a JStG).
2. Ist die Regierung bereit, sich beim Bund einzusetzen, damit kriminelle, ausländische Minderjährige ab 15 Jahren bei Straftaten konsequent ausgeschafft werden können?
Im Rahmen der Umsetzung der Volksinitiative «für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)» wurde explizit darauf verzichtet, die Bestimmungen über die Landesverweisung nach Art. 66a bis Art. 66d StGB auch bei Minderjährigen anzuwenden (BBl 2013 6013 f.). Dies deshalb, weil im Jugendstrafrecht eine resozialisierende, täterbezogene Sanktion im Vordergrund steht (Täterstrafrecht) und nicht die Tat sowie der Ausgleich zum begangenen Unrecht (Tatstrafrecht).
Im Jugendstrafrecht steht der Gedanke der Erziehung und Besserung im Vordergrund, indem davon auszugehen ist, dass bei Jugendlichen die Charakterbildung sowie die geistige und sittliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen sind und sie noch der unterstützenden Führung bedürfen (BGE 94
IV 56 Erw. 1a). Die strafrechtliche Landesverweisung, die sich ausschliesslich am Delikt orientiert, steht demnach dem Grundgedanken des Jugendstrafrechts entgegen.
Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigte
Demgegenüber ist bereits heute zulässig, gegen aufenthalts- oder niederlassungsberechtigte jugendliche Straftäterinnen und Straftäter (d.h. insbesondere mit einem B- oder C-Ausweis) verwaltungsrechtliche Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen des AIG anzuwenden. Sobald dem Migrationsamt ein Strafentscheid zugestellt wird, der entsprechende Massnahmen rechtfertigen würde, prüft es jeweils die Möglichkeit von Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen.
Wie jedes staatliche Handeln unterliegen auch ausländerrechtliche Massnahmen immer einer Verhältnismässigkeitsprüfung. Dabei sind im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere die Schwere der Straftat, die Aufenthaltsdauer und die bestehenden familiären Beziehungen in der Schweiz und im Heimatland zu berücksichtigen.
Flüchtlinge
Bei Flüchtlingen widerruft das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Asyl, wenn diese Personen die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden oder besonders verwerfliche strafbare Handlungen begangen haben (Art. 63 Abs. 2 Bst. a des Asylgesetzes [SR 142.31]), wobei der Asylwiderruf verhältnismässig sein muss.
Die Beendigung des Asylstatus hat indes keinen Einfluss auf den Bestand einer bereits erteilten fremdenpolizeilichen Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, sondern im Wesentlichen zur Folge, dass eine Person nicht mehr dem Asylgesetz, sondern den Bestimmungen des allgemeinen Ausländerrechts untersteht.
Der Entscheid über das Erlöschen bzw. den Widerruf einer ausländerrechtlichen Bewilligung liegt wiederum in der Zuständigkeit der Kantone und richtet sich nach den Art. 61 ff. AIG. Die kantonalen Behörden dürfen auch bei einer Person mit Asylstatus die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung widerrufen bzw. nicht erneuern und die Person aus der Schweiz wegweisen, ohne dass ihr zuvor das Asyl widerrufen bzw. die Flüchtlingseigenschaft aberkannt wurde (Vgl. zum Ganzen: SEM, Handbuch Asyl und Rückkehr, Stand 1. März 2019, Artikel E6, insb. Ziff. 2.1.4, 2.2.4 und 2.4. Hier abrufbar).
Besteht bei einer minderjährigen Person eine rechtskräftige Wegweisungsverfügung (z.B. mit einem Negativ-Entscheid aus dem Asylverfahren), kann die Wegweisung vollzogen werden.
Kanton kann handeln
Da somit nach der geltenden Rechtslage die Möglichkeit für die kantonalen Migrationsbehörden besteht, ausländerrechtliche Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen gegen Minderjährige auszusprechen und rechtskräftige Wegweisungsverfügungen vollzogen werden können, sieht die Regierung keinen Anlass, diesbezüglich beim Bund zu intervenieren.
3. Teilt die Regierung die Ansicht, dass bei kriminellen Jugendlichen ab 15 Jahren das Strafrecht für Erwachsene angewendet und bei eingebürgerten, kriminellen Jugendlichen bei Straffälligkeit konsequent der Schweizerpass entzogen werden sollte?
Die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Jugendliche macht insbesondere aus spezialpräventiver Sicht keinen Sinn. Das täterorientierte Jugendstrafrecht berücksichtigt, dass die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist und zielt darauf hin, dass straffällige Jugendliche durch Nacherziehung in die Gesellschaft integriert werden können. Dies gilt bei allen Jugendlichen, unabhängig davon, ob sie über die Schweizer Staatsangehörigkeit verfügen oder nicht.
Pass-Entzug in gravierenden Fällen
Ein Entzug des Schweizer Bürgerrechts ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten des bzw. der Betroffenen den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist. Denkbar wäre der Entzug des Schweizer Bürgerrechts etwa gegenüber einem verurteilten Kriegsverbrecher oder einem Terroristen (vgl. Art. 42 des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht [SR 141.0] in Verbindung mit Art. 30 der Verordnung über das Schweizer Bürgerrecht [SR 141.01]).
Es muss somit ein gravierender Fall vorliegen. Zuständig ist das SEM, welches das Schweizer-, Kantons- und Gemeindebürgerrecht mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons einer Doppelbürgerin oder einem Doppelbürger entziehen kann.
4. Wie viele Frauen wurden in den letzten 10 Jahren Geschädigte bzw. Opfer aus der Kriminalität von minderjährigen Ausländern? Wie viele Mitglieder einer Behörde oder Beamte wurden in den letzten 10 Jahren Geschädigte bzw. Opfer aus der Kriminalität von minderjährigen Ausländern? Sind diese Zahlen im Vergleich an Schweizer Staatsbürgern höher oder tiefer?
Über die Frage, wie viele Frauen Geschädigte bzw. Opfer von Straftaten wurden, die von minderjährigen Ausländerinnen bzw. Ausländern begangen wurden, gibt es keine Erhebung. Wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte nach Art. 285 StGB wurden in den Jahren von 2013 bis 2022 insgesamt 1'555 Minderjährige verurteilt, 849 davon waren Schweizer Staatsangehörige, 706 ausländische Staatsangehörige.
5. Wie viele Male wurden in den letzten 10 Jahren nur eine Schutzmassnahme für minderjährige kriminelle Ausländer angeordnet oder von einer Strafe für minderjährige kriminelle Ausländer abgesehen (Art. 21 JStG) und wie viele Male bestand die «Strafe» für minderjährige kriminelle Ausländer nur aus einem Verweis (Art. 22 JStG)?
Nach Art. 11 JStG wird bei einer Verurteilung grundsätzlich immer eine Strafe ausgesprochen (Verweis, Busse, persönliche Leistung oder Freiheitsentzug). Genügt die Strafe nicht, um die Beschuldigte bzw. den Beschuldigten von weiteren Delikten abzuhalten, kann parallel zur Strafe eine Massnahme (Aufsicht, persönliche Betreuung, ambulante Behandlung oder Unterbringung) angeordnet werden.
Darüber, wie viele straffällige ausländische Jugendliche mit einem Verweis bestraft bzw. wie viele von einer Strafe befreit wurden, wird im Kanton St.Gallen keine Statistik geführt. Dies ergibt sich auch nicht aus den Erhebungen des BFS.
6. Wie wird sichergestellt, dass bei kriminellen Ausländern ohne nachweislich bestätigtes Alter nicht fälschlicherweise das milde Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt?
In Fällen, in denen das Alter der straffälligen Ausländerin oder des straffälligen Ausländers bzw. der oder des straffälligen Asylsuchenden in Bezug auf deren bzw. dessen Volljährigkeit strittig ist, trifft das SEM Annahmen und legt gestützt darauf das Alter fest.
Dies erfolgt i.d.R. aufgrund einer Altersabklärung durch das Institut für Rechtsmedizin (IRM), in Einzelfällen aber auch aufgrund eindeutiger anderer Indizien und äusserlichen Merkmalen. In Fällen, in denen die Volljährigkeit aufgrund des Gutachtens des IRM nicht eindeutig ist, das SEM aber eine solche bejaht oder das SEM ohne entsprechende Untersuchungen die Volljährigkeit bejaht, gilt nach dem Prinzip der «Einheit der Identität» das durch das SEM festgelegte Alter auch im Strafverfahren.
Liegt keine Altersfestlegung durch das SEM vor und ist das Alter unklar, ordnen die Strafverfolgungsbehörden ein Altersgutachten beim IRM an. Teilweise erfolgt eine Alters- bzw. Identitätsnachfrage im jeweiligen Heimatland über Interpol.
7. Werden Banden- und Gewerbsmässigkeit bei minderjährigen, kriminellen Ausländern erkannt und systematisch angeklagt bzw. verurteilt?
Bei banden- und gewerbsmässigen Diebstählen handelt es sich um Offizialdelikte, die von Amtes wegen verfolgt werden. Bei Tatnachweis erfolgt eine Verurteilung mittels Strafbefehl oder es erfolgt eine Anklage beim Gericht.
8. Wie hat sich in den letzten 10 Jahren die Zahl der jugendlichen Insassen der offenen und
geschlossenen Abteilungen der St.Gallischen Jugendheime entwickelt, aufgeschlüsselt
nach Nationalitäten?
Eine Platzierung in einem Jugendheim kann sich sowohl auf eine zivil- als auch auf eine strafrechtliche Grundlage stützen. Eine offizielle Erhebung über die Staatsangehörigkeit der im Kanton St.Gallen strafrechtlich untergebrachten Jugendlichen gibt es nicht.
In Bezug auf die Anzahl strafrechtlich platzierter Jugendlicher in der gesamten Schweiz kann wiederum eine Statistik des BFS herangezogen werden, die folgende Informationen für die Jahre 2014 bis 2023 liefert (für das Jahr 2018 wurden keine Daten erfasst):»