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Benken
15.06.2024
14.06.2024 14:13 Uhr

Felix Bächtiger sagt Klassenzimmer adieu

Felix Bächtiger unterrichtet nach den Sommerferien 2024 nicht mehr.
Felix Bächtiger unterrichtet nach den Sommerferien 2024 nicht mehr. Bild: www.benken.ch
Lehrer Felix Bächtiger von der Schule Benken will sich künftig auf sein Amt als administrativer Schulleiter konzentrieren und hängt den Lehrerjob an den Nagel.

Die Gemeinde Benken hat mit Felix Bächtiger gesprochen:

«Die letzten Wochen des Schuljahres 2023/24 sind angebrochen. Diesen Sommer geben Sie, Felix Bächtiger, Ihre Tätigkeit als Mittelstufenlehrperson in der Schule Benken auf und konzentrieren sich bis zur Pensionierung auf Ihr Amt als administrativer Schulleiter. Wie fühlt sich dieser Abschied vom Klassenzimmer an?

Schon speziell! Die letzten 30 Jahre verbrachte ich sehr viel Zeit in diesem Klassenzimmer. Das Schulhaus Oberdorf ist für mich ein zweites Zuhause geworden. Hier habe ich viel erlebt! Das Vorbereiten des Unterrichts, die Arbeit mit den Kindern, Elterngespräche und -abende usw. Ist es nicht eines der schönsten Klassenzimmer überhaupt? Diese Weitsicht! Ja, ich werde es vermissen. Das Klassenzimmer, die Schüler und Schülerinnen – und das Unterrichten. Ich habe es wirklich sehr gerne gemacht.

Viele Lehrerinnen und Lehrer klagen heutzutage über eine Ermüdung in ihrem Beruf, manche erleiden gar ein Burnout. Wie konnten Sie sich über 40 Jahre lang in Benken die Motivation fürs Unterrichten bewahren?

Ich hatte das Glück, immer Freude an der Arbeit zu haben und mit Begeisterung zu unterrichten. Ja, Lehrer sein war meine Berufung. Ich habe viel Herzblut in meinen Beruf gesteckt. Aber es kam auch sehr viel zurück. Als ich administrativer Schulleiter wurde, wollte ich unbedingt auch weiter unterrichten. An der Basis sein, mit Lehrerkollegen und -kolleginnen Schule gestalten. Das am Ball bleiben, immer etwas Neues lernen, hat mich motiviert. Ich blieb über all die Jahre interessiert, ja neugierig. Auch die Kinder sind mir nie verleidet. Und die Eltern auch nicht. Benken war und ist beschaulich. Der Kontakt mit den Leuten ist nach wie vor sehr angenehm auf dem Dorf.

Mit meiner Frau Claudia habe ich mich oft ausgetauscht. Sie hatte einen anderen Blickwinkel. Einen aus der Privatwirtschaft heraus. Das hat gut getan. Zu guter Letzt habe ich auch den Ausgleich zum Lehrersein gesucht. Bewusst gelebt, nichts auf später aufgeschoben.

Hätten Sie sich in jungen Jahren auch vorstellen können, einen anderen Beruf zu wählen?

Eigentlich nicht. Ich bin in der Stadt St.Gallen aufgewachsen, in einer Lehrerfamilie. Auch meine zwei Brüder und eine Schwester sind diesen Weg gegangen. Es hat gepasst.

Blicken wir kurz auf die vergangenen vierzig Jahre zurück. Sie haben alles miterlebt – vom Matrizendrucker, über den Hellraumprojektor bis zum Visualizer. Wie würden Sie aus Ihrer Sicht diese technische Entwicklung im Schulzimmer beschreiben?

Vieles hat den Unterricht erleichtert und bereichert. In den letzten Jahren ist die Digitalisierung rasant vorangeschritten. Sie bietet meines Erachtens tolle neue Möglichkeiten für Lehrpersonen – und für Schüler. Der Unterricht lebt ganz anders. Bei aller Entwicklung braucht es sicher aber auch den gesunden Menschenverstand; mal ein Buch in die Hand, anstelle des Bildschirms vor die Augen.

Schule sieht heute generell anders aus als vor vierzig Jahren. Uns kommt spontan die «Schnüerlischrift» in den Sinn, welche die Kinder heute nicht mehr lernen müssen. Können Sie uns noch andere Beispiele nennen?

Ganz allgemein gesagt: Der Unterricht ist heute kompetenzenorientiert. Die Schüler und Schülerinnen lernen viel weniger Wissen «auswendig». Es geht darum, zu lernen wie ich zum Wissen komme. Die Kinder erforschen, recherchieren, reflektieren, vergleichen, setzen sich eigene Ziele. Wir Lehrpersonen werden zu Coaches, erklären ihnen die Fertigkeiten, begleiten sie. Weg vom Frontalunterricht und dem Diktieren, hin zum eigenen Lernportfolio und zu Gruppen- und Partnerarbeiten.

Auch die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert. Wie zeigt sich das in der Schule, im Klassenzimmer?

Die Schüler kommen mit viel mehr Wissen in die Schule. Die Lehrpersonen sind gefordert. Aber da gibt es auch die Seite der (zu) vielen Therapien für die Kinder. Und die Unterstützung der Lehrpersonen durch Teamteaching, Klassenassistenzen, die Schulische Heilpädagogik, die Begabungsförderung, die Schulsozialarbeit usw.

Die Interessen der Kinder haben sich teilweise verlagert: zum Handy und Gamen. Viele Kinder haben eine «externe» Mittagsbetreuung, weile beide Elternteile berufstätig sind. Es wird viel gefordert von den Kindern. Aber trotzdem meistern es die Kinder gut.

Was waren Ihre ganz persönlichen Highlights in ihrer langen Lehrerkarriere?

Da gibt es viele! Allgemein: Immer wieder neue Kinder und Eltern kennenlernen! Und vor 25 Jahren: Die Umstellung der 6-Tage-Woche zum freien Samstag! Viele schöne Schulfeste. Allen voran die Einweihung des Oberdorf-Schulhauses und das Dorf- und Kantonsjubiläum. Weiter unsere Exkursionen nach St.Gallen, aber auch die Übernachtung im Tipi an der Expo 02. Das war ein Abenteuer! Sehr gut kann ich mich auch an einen Sommer vor 12 Jahren erinnern, als die Schule Benken Hitzefrei ausgerufen hat und wir in Radio, Fernsehen und Zeitungen erwähnt wurden, inklusive Blick am Abend!

…und was die herausforderndsten Momente?

Die gab es natürlich auch, aber weniger. Darunter fallen die Umsetzungen der neuen Lehrpläne. Der aufwändigste war und ist sicher der Lehrplan 21. Schlaflose Nächte hatte ich teilweise, wenn Entscheidungen für den Übertritt der Schüler und Schülerinnen in die Oberstufe anstanden. Es ist nicht immer leicht, jedem Kind gerecht zu werden.

Wie Sie es bereits erwähnt haben: Sie unterrichten Schülerinnen und Schüler an der Schwelle zur Oberstufe. Erste Berufswünsche werden formuliert, wichtige Weichen gestellt. Welchen Tipp geben Sie den Kindern – und vielleicht auch den Eltern – in dieser Zeit mit auf den Weg?

Wenn es mal nicht rund läuft, nicht aufzugeben, nach vorne zu schauen. Ein Ziel kann man auch über verschiedene Wege erreichen. Den Kindern Zeit geben. Bei allen Wünschen und Vorstellung auch einmal dankbar zu sein, dass man ein gesundes Kind hat, das jeden Tag in die Schule gehen kann. Wenn jedes Kind wirklich das Beste gibt (und mehr kann man von einem Kind nicht verlangen), findet man auch den richtigen Weg. Offen sein für Neues. Positiv denken!

Zum Schluss ein Blick nach vorne. Gibt es schon Pläne für die neue gewonnene freie Zeit?

Ich hatte bereits bei meiner Geburt sehr viel Glück – deshalb auch mein Vorname. Und so hoffe ich, wird mich dieses Glück und die Gesundheit auch auf meinem neuen Lebensabschnitt nicht verlassen. Grosse Pläne haben meine Frau und ich nicht. Wir haben nie gesagt, diese oder jene Aktivität verschieben wir auf die Pensionierung, darum gibt es jetzt eigentlich auch kaum unerfüllte Wünsche. Aber etwas mehr Zeit für die Grosskinder werde ich wohl schon haben – und diese auch geniessen.»

www.benken.ch/Linth24