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Kultur
09.04.2024

Aufbruch und Sommersprossen

Die Mitglieder der Kunstvereins bewundern die Holz-, Basalt- und Marmorarbeiten von Sabine Schwarzenbach.
Die Mitglieder der Kunstvereins bewundern die Holz-, Basalt- und Marmorarbeiten von Sabine Schwarzenbach. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy
Zwei sehr unterschiedliche, aber durch ihre Aussagen doch ähnlich ergreifende Ausstellungen besuchte letzte Woche der Kunstverein Oberer Zürichsee in Kaltbrunn und Schänis.

Die persönliche und mehr als berührende Kunstinstallation «Ich wollte Sommersprossen» zeigt Massimo Milano innerhalb der Sonderausstellung «Immigration aus Italien», die im Museum für Ein- und Auswanderung «Reisebüro Linth» in Kaltbrunn gezeigt wird.

Das in einem Bauernhaus von 1568 beheimatete Museum zeigt seit seiner Eröffnung 2021 hiermit bereits seine dritte Sonderausstellung.

Den Menschen ein Gesicht geben

Präsident der Kulturkommission und Leiter des Museums, Peter Brunner, begrüsste die rund 35 interessierten Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee und betonte, dass das Museum Menschen aus Italien, vor allem aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren, ein Gesicht geben wollte.

Mangels Alternativen seien diese damals in die Schweiz gekommen, um eine neue Heimat zu finden und wären massgeblich am Aufbau und Wohlstand beteiligt gewesen, obwohl sie teilweise in einem äusserst grenzwertigen Umfeld hätten arbeiten und leben müssen.

Künstler Massimo Milano erklärt, dass die Pflanzen in Töpfen die Einwanderer, die Bäume mit Wurzeln die Einheimischen symbolisierten. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy

Skizzen von Massimo Milano

Eine besondere Freude bereitet es Brunner, dass sein ehemaliger Schul- und Fussball-Kollege Massimo Milano nun diese Sonderausstellung ausrichtete.

Der Künstler, der in Kaltbrunn aufwuchs, erklärte, dass viele seiner Werke – interessanterweise auf Stoff gedruckt und entlang Wäscheleinen aufgehängt – aus seinen über 20 Jahre geführten Tagebüchern stammen. Die grossformatigen gezeichneten Skizzen zeigen intime Einblick in sein Gefühlsleben und dies sei für ihn damit auch die persönlichste aller Ausstellungen.

Sein «Wald» besteht aus Pflanzen in Töpfen, umgeben von Bäumen, die ihre Wurzel tief im Erdreich haben. Symbolisiert werden die Einwanderer, die sich trotz der fehlenden Wurzeln einfügen möchten.

Oder die sehr berührende Zeichnung von sich selbst, seine auf Kindergrösse geschrumpften Eltern in den Armen. Der Titel «Der König, der keiner sein wollte» erzählt von den Kindern, die für ihre Eltern übersetzten und Aufgaben übernehmen mussten, für die sie eigentlich gar nicht geschaffen waren.

Milano, selbst eher der dunkle Typ, wuchs in einem Zwei-Familien-Haus auf und pflegte einen guten und familiären Kontakt zu der dort lebenden Schweizer Familie, die allesamt eher hellhäutig und voller Sommersprossen gewesen seien. Und da er genau diese Sommersprossen so gerne gehabt hätte, wurde dieser Wunsch zum Titel der Ausstellung.

Die Kinder der Einwanderer mussten teils Aufgaben übernehmen, für die sie gar nicht geschaffen waren. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy

Aufbruch aus gewohntem Rahmen

Weiter ging des für den Kunstverein ins Freizeit- und Kulturzentrum «Eichen» in Schänis.

Fritz Schoch, Präsident des Vereins Kultur Schänis, stellte die Bildhauerin Sabine Schwarzenbach-Böhm vor, deren Abschlussarbeit der Bildhauerschule in Peccia (Tessin) die Gäste im Aussenbereich beindruckt.

Werke aus Holz und Stein

Die lebensgrosse Skulptur «Aufbruch» aus Zedernholz verdeutlicht die Phase ihres Lebens, in der sie die schwierige Entscheidung weg vom Schuldienst und hin zur Kunst traf, mit all den seelischen Kämpfen, dem Loslassen und Wiederfinden und der immensen Kraft, die der ganze Prozess kostete.

Fritz Schoch (l.) stellte die Künstlerin Sabine Schwarzenbach vor, im Hintergrund ihre Skulptur «Aufbruch». Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy

Aus den eigenen Erfahrungen und vielen Gesprächen mit ähnlich Denkenden kristallisierte sich für Schwarzenbach eine elementare Aussage heraus: «Ich will so sein, wie ich bin und möchte Anerkennung für das, was ich mache.»

Die beeindruckende Ausstellung zeigt aber nicht nur das Entstehen und Werden dieser imponierenden Holzskulptur, sondern auch ihre «Lebenssteine», Basaltsäulen, die auf verschiedene Arten aufzubrechen scheinen und ihr wunderschönes Innenleben zeigen, gleich daneben die weich anmutenden Skulpturen aus kristallinem Marmor und zartem Alabaster.

Die kleinen Tonmodelle vor der Bilderstrecke der Entstehung von «Aufbruch» zeigen, welche langer Prozess hinter der Skulptur steckt. Bild: Marie-Eve Hofmann-Marsy
Marie-Eve Hofmann-Marsy, Kunstverein Oberer Zürichsee