Kolonialgeschichte ist bislang vor allem für die Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts erforscht. Die Grundlagen dafür wurden allerdings bereits im 16. Jahrhundert geschaffen – durch die koloniale Eroberungspolitik der portugiesischen und spanischen Krone. Daran hatten Kaufleute vom Bodensee grossen Anteil. Diesen bislang fast unbekannten Spuren zur frühen Kolonialgeschichte gehen die Autorinnen dieser Publikation nach.
Kunstprojekt «Virtuelles Sklavenschiff»
Begleitet wird der Themenmonat von einem Kunstprojekt der Walliser Künstlerin Sarah Montani, das ein Sklavenschiff in der virtuellen Realität erfahrbar macht. Das virtuelle Sklavenschiff wird an verschiedenen Orten während des Themenmonats projiziert und fotografiert und ist für die Öffentlichkeit via Smartphone virtuell begeh- und erfahrbar.
Das Schiff «Marie-Séraphique» war Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Atlantik unterwegs und transportierte pro Fahrt 300 versklavte Männer, Frauen und Kinder von Westafrika in die Karibik. Der transatlantische Sklavenhandel hatte damals seinen Höhepunkt erreicht. Die virtuelle «Marie-Séraphique» zeigt, wie die verschleppten Menschen im Zwischendeck untergebracht waren, platzsparend und kostengünstig – und menschenunwürdig.
Weitgehend unbekanntes Thema
Die Verflechtungen zwischen der Bodenseeregion und der Ausbeutung der Neuen Welt im 16. Jahrhundert sind noch wenig bekannt. Vom 16. Jahrhundert an wurde der transatlantische Sklavenhandel zum Monopol der spanischen und portugiesischen Krone. Zwei Kaufleute, der St.Galler Hieronymus Sailer und der Konstanzer Ulrich Ehinger, erhielten 1528 vom spanischen König Karl V. eine Lizenz – weltweit erst die zweite – für den Handel mit versklavten Menschen aus Westafrika.
Der Vertrag garantierte ihnen das Recht, 4000 Menschen aus Westafrika, davon ein Drittel Frauen, in die Karibik zu verschleppen. Gleichzeitig unterzeichneten die beiden Kaufleute einen Vertrag, der ihnen die Kolonisation Venezuelas zusicherte. Die beiden Kaufleute vom Bodensee waren als Unterhändler des Augsburger Handelshauses der Welser aktiv und wurden damit Unterzeichner dieses zweitältesten «Asiento de Negros» in der Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels überhaupt.
Sklavenhandel in der Ostschweiz
Kaufleute aus der Bodenseeregion waren damit entscheidend am transatlantischen Sklavenhandel im 16. Jahrhundert beteiligt. In das Kolonialunternehmen der Welser, das den Aufbau einer Kolonie im heutigen Venezuela sowie deren wirtschaftliche Ausbeutung verfolgte, waren nebst Hieronymus Sailer noch weitere St. Galler involviert.
So etwa Melchior Grübel, der als Konquistador auf dem lateinamerikanischen Festland die Unterwerfung der Einheimischen unter die Welserherrschaft vorantrieb, oder Michael Sailer, der in die Fussstapfen seines Onkels Hieronymus trat und über Jahrzehnte auf dem europäischen Kontinent das Finanzgeschäft der Welser organisierte.
Alle Daten des Themenmonats zu «Konquistadoren und Sklavenhändler» vom 4. April bis zum 29. Mai finden Sie hier: