Der Stadtrat von Rapperswil-Jona hat zu diesem Bericht eine Gegendarstellung verlangt. Siehe am Ende Bericht.
Dieser Artikel ist auch im Linth24 Magazin publiziert, welches in Rapperswil-Jona in alle Haushalte verteilt wurde.
Das Vorneweg:
- Das neue «Freibad mit Hallenbad» im Lido würde bis 75 Millionen Franken kosten. In Anbetracht derart hoher Kosten wäre es angebracht, dass das Projekt fundiert vorbereitet worden wäre. Es kommen aber Zweifel auf.
- Die Badi wäre gemäss den Schweizer «Grundlagen für Bäder» in vielen Bereichen am untersten Limit – oder noch darunter – dimensioniert. Und Wichtiges fehlt.
- Völlig unbekannt ist, wie und wann das geplante Hallenbad neben der starken Belegung durch Schulen überhaupt noch öffentlich genutzt werden könnte.
- Das Hallenbad im Lido stünde hinter zwei alten Wohnblöcken. Linth24 fragte Stadtrat und Bauchef Christian Leutenegger, ob die Stadt versucht habe, diese zu kaufen, um Platz für die neue Badi zu schaffen. Leutenegger: Die Stadt habe das vor seiner Amtszeit (vor dem 1. Januar 2021) versucht, er wisse aber nicht, wann.
- Linth24 fragte auch, ob es für das Badiprojekt eine «Machbarkeitsstudie» gebe. Leutenegger: «Ja, es gibt eine, aber sie wird nicht offengelegt.» Dabei muss man wissen: Die Machbarkeitsstudie ist das wichtigste Instrument beim Bau eines Bades. Ausgerechnet sie soll geheim bleiben. (Wir kommen in diesem Bericht auf diese erstaunliche Intransparenz zurück.)
- Im aktuellen Stadtjournal schreibt der Stadtrat, das «Frei- und Hallenbad» sei «das erste Projekt auf der Basis des Masterplans Lido». Dasselbe stand genauso in der Medieninfo. Nur, dieser Masterplan liegt öffentlich noch gar nicht vor. Und er stand den Wettbewerbs-Architekten auch nicht zur Verfügung.
«Beengte Platzverhältnisse»
Linth24 hat sich mit dem neuen Badiprojekt auseinandergesetzt. Dabei fällt schnell auf: Die Badi ist eng zusammengepfercht. Das stellt nicht nur Linth24 fest. Bauchef Christian Leutenegger und Stadtbaumeister Marcel Gämperli sprachen an der Badi-Präsentation Anfang Februar sogar selbst von einem «kritischen Punkt» bei den Freiflächen der Badi und von «beengten Platzverhältnissen».
Es gibt klare Vorgaben
Damit haben die beiden mehr als recht. Im alten Lido hatten die Badenden im Bereich Freibad fast 7000 m2 Liege- und Spielwiesen zur Verfügung. Im neuen 75-Millionen-Projekt sind es noch etwas über 4500 m2. Linth24 fragte deshalb Bauchef Leutenegger, ob die «Grundlagen» des Bundes bei den Badi-Liegeflächen eingehalten seien. Leutenegger antwortete, es gebe zu den Liegeflächen «keine gesetzlichen Vorgaben».
Das ist halb richtig und halb falsch. Für Badis gibt es tatsächlich keine «gesetzlichen Vorgaben». Aber es gibt vom Bundesamt für Sport, Magglingen, klare «Grundlagen». Das 147-seitige Werk der Schweizer Eidgenossenschaft nennt sich «Grundlagen für Planung, Bau und Betrieb von Bädern». Darin gibt es für den Bäderbau für fast alles Richtwerte. So wird vorgeschlagen, dass ein Badi-Grundstück 10- bis 16-mal grösser sein soll als die in der Badi verbaute Wasserfläche.
Zu wenig Grundstück- und Liegeflächen
Im neuen Freibad Lido hätten das Sport-, das Nichtschwimmer- und das Kinderbecken zusammen eine Wasserfläche von gut 1500 m2. Das würde eine Grundstückfläche für das Freibad (ohne Seebad) von rund 20’000 m2 erfordern. Vorhanden aber wäre nur rund die Hälfte.
Ähnlich eng wäre es bei den Liegeflächen. Internationale Badenormen fordern 10 m2 pro Badegast. Bei den rund 1000 Badegästen im Lido bräuchte es somit 10’000 m2 Liegeflächen. Jedoch: Im neuen Freibad hätte es davon weniger als 5000 m2.
Wiesen addieren geht nicht
Als Linth24 Stadtrat Leutenegger die Zahlen vorlegte, sagte er, er addiere eben auch die 3000 m2 der Seeufer-Wiese zu den Freibad-Wiesen. Das aber ist falsch. Gemäss den «Grundlagen» des Bundes ist diese Rechnung nicht statthaft: Die Liegeflächen von Frei- und Seebad können nicht addiert werden. Das ist auch klar, denn die am See badenden Gäste benötigen die dortige Wiese selbst. Leutenegger setzt sich darüber hinweg und sagt einfach: «Wir sind anderer Meinung.»
Die Schulen im Hallenbad
Eng würde es auch im Hallenbad werden. Nach dem Neubau der Badi Lido will die Stadt die beiden Schulbäder Schachen und Hanfländer schliessen. Linth24 hat sich die Belegungspläne dieser zwei Bäder mit total 8 Schwimmbahnen angesehen. Sie sind von Montag bis Samstagmittag praktisch ganztags mit Schulen besetzt.
Und somit wäre das neue Hallenbad Lido (mit nur 6 Schwimmbahnen und zwei kleinen Lernschwimmbecken) wohl stark mit Schulklassen belegt. Dazu kämen noch die Sport- und Seniorenschwimmer, Lebensretter, Aquafitter usw. Und überall fehlt etwas Platz. So gibt es auch keine Beiz mit Sicht auf das Hallenbad und kein 3-Meter-Sprungturm, was jede mittelmässige Badi hat.
Was waren die Grundlagen?
Es zeigt sich: Für die 75-Millionen-Badi-Investition braucht es saubere und transparente Berechnungen und Grundlagen – und nicht nur schöne Bilder. Die Bürgerschaft hat ein Recht darauf, zu erfahren, was der Stadtrat für eine Badi bestellt hat.
Wurde etwas hingezaubert?
Und so passt es ins unschöne Bild der Entstehungsgeschichte dieser Badi, dass der Stadtrat die Machbarkeitsstudie, also die Grundlage dieser Badi, geheim halten will. Muss etwas versteckt werden? Haben die Politiker, weil sie die alte Badi überstürzt abreissen liessen und jetzt unter Druck stehen, schnell etwas hingezaubert? Und was sagen die politischen Parteien dazu?
Entscheid ohne Grundlagen
Nun also sollen die Bürger von Rapperswil-Jona im nächsten Juni entscheiden, ob es im Lido künftig eine 75-Millionen-Badi mit Hallenbad geben soll, zu der die wichtige Machbarkeitsstudie unter Verschluss bleiben soll. Und damit werden wohl auch die Bedürfnisabklärung, die Belegungsstudie und die Wirtschaftlichkeitsprognose der Badi geheim bleiben – falls es diese Studien und Berechnungen überhaupt gibt.
Das heisst, die Bürgerschaft soll eine neue Badi bewilligen, über die inhaltlich wenig bekannt ist, und die sich später allenfalls als unbefriedigend entpuppen könnte.
Oder die Bürger entscheiden sich an der Bürgerversamlung im Juni, dass nur ein Freibad (ohne Hallenbad) gebaut werden soll. Aber dazu liegt kein Projekt vor.
Wieder einmal zwingt der Stadtrat die Bürger in eine von ihm vorgespurte Richtung. Es war bei der Eistrainings-Halle Grünfeld so, beim Abriss der Reithalle Grünfeld, beim Abbruch der alten Badi Lido, bei der Verschiebung des Eisstadions auf die andere Strassenseite, beim Bau der unbeliebten und teuren Plastikfläche auf der Bootshalle usw. Es ist Vorsicht angesagt und Transparenz gefordert.