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09.02.2024
10.02.2024 10:09 Uhr

Verirrt im Labyrinth des Gesundheitswesens

v.l.n.r.; Yvonne Gilli (FMH); Cornelia Hartmann (SBK); Stefan Lichtensteiger, CEO Kantonsspital; Karen Peier, Ärztegesellschaft SG, Medbase, Spitex; Regierungsrat Bruno Damann+
v.l.n.r.; Yvonne Gilli (FMH); Cornelia Hartmann (SBK); Stefan Lichtensteiger, CEO Kantonsspital; Karen Peier, Ärztegesellschaft SG, Medbase, Spitex; Regierungsrat Bruno Damann+ Bild: Markus Arnitz, Linth24
Im Dorftreff Eschenbach luden Die Mitte und die FDP zu einem Öffentlichen Podium zum Thema «Gesundheitswesen» ein.

Martin Diener von Radio Zürisee eröffnete den Abend gleich mit einem Witz, bei dem man sich fragen musste, ob Lachen oder Weinen angesagt ist: Es sei schön, bis 100 zu leben, aber die Vorsorge sei nur bis 90 berechnet. Kaum eine andere Aussage zeigt das Dilemma im Gesundheitswesen besser.

Echtzeit-Umfrage

Kein Wunder, war der Saal im Dorftreff Eschenbach bei diesem Thema bis auf den letzten Platz besetzt.  Um die Anwesenden auf die Podiumsdiskussion einzustimmen, wurden diese mit einer interaktiven Präsentation, dem Mentimeter, zeitgleich in eine Umfrage eingebunden.
Fragen waren zum Beispiel «Was ist Ihnen bei der Gesundheitsversorgung wichtig?»
oder «Wie lange sind Sie bereit, auf einen Termin beim Arzt zu warten? (kein Notfall)»
Jeder konnte mit seinem Mobiltelefon den QR-Code scannen und live die eigenen Voten abgeben. Die Resultate waren ich Echtzeit sichtbar und bildeten die Grundlage für die weitere Diskussion.

Hausärzte fördern

Martin Diener kam gleich auf den Ärztemangel zu sprechen. Die Meinungen der Ärzte und Ärztinnen unter den Podiumsteilnehmern; Regierungsrat Bruno Damann, Yvonne Gilli und Karen Peier;  zeigten ein klares Bild: die Ausbildung, Stärkung und Förderung von Hausärzten sei zentral für Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen. Diese müssten in der Schweiz ausgebildet werden. Ein grosser Vorteil sei zudem die kommende Rolle des Advanced Practice Nursing. Als Advanced Practice Nurses sind diese dazu befähigt, in einem Spezialgebiet der Patientenversorgung oder der Gesundheitsprävention sowohl praktisch als auch wissenschaftlich tätig zu werden und Leitungsfunktionen einzunehmen. Ein weiterer wichtiger Faktor, um die Attraktivität von medizinischem Fachpersonal sicherzustellen, ist, dass diese einen substantiellen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit erhalten.

Fachkräftemangel im Pflegesektor

Yvone Gilli (FMH) und Cornelia Hartmann (SBK) wiesen eindrücklich auf die immense Arbeitsbelastung der Pflegekräfte hin. Man könne deshalb die Leute zu wenig im Beruf halten. Pflegekräfte seien gut ausgebildet, würden aber nur 3-4 Jahre im Beruf bleiben. Die Gründe sind vielfältig. Es ist immer noch ein Frauenberuf, viele haben Familie. Ein weiterer Knackpunkt ist der Schichtbetrieb, der zu wenig gut abgegolten wird. Hinzu kommt mangelnde Wertschätzung, zunehmend auch von Patientenseite und die oft starren hierarchischen Strukturen in den Spitälern. Man müsse Bedingungen schaffen, welche die Freude am Beruf erhalten, so würden die Pflegefachleute auch bleiben.

Spitaldirektor Stefan Lichtensteiger nahm den Faden auf und stellte klar, dass ein Spital von der interdisziplinären Arbeit zwischen Ärzten und Pflege lebe. Man könne nicht auf Schichtarbeit verzichten, ein Spital sei ein 24-Stunden-Betrieb. Man sei daran, Wege zu finden, um die ungeliebten Dienste anders zu gestalten und zu entlöhnen. Karen Peier meinte, APN werde in der Praxis schon umgesetzt. Mehr Zeit für die Pflegenden zu haben, komme sehr gut an. Ärzte,  die das nicht gewohnt seien, müssen lernen, zu delegieren. APN’s bekommen von Seiten der Ärzte genug Wertschätzung, so Cornelia Hartmann, bei den Spitalleitungen gebe es noch Nachholbedarf.

  • Verirrt im Labyrinth des Gesundheitswesens Öffentliches Podium zum Thema «Gesundheitswesen» Bild: Markus Arnitz, Linth24
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Tarife anpassen

Regierungsrat Bruno Damann meinte, er sei nicht mehr so nah am Beruf als Arzt wie zur seiner Praxiszeit. Er stelle fest, dass APN in den Tarifen immer noch zu wenig berücksichtigt sind. Eine Tarifanpassung sei nötig.

Überraschung bei den Antworten auf die Umfrage

Yvonne Gilli war erstaunt, dass viele Anwesende hohe Medikamentenpreise oder hohe Löhne für den Kostenanstieg im Gesundheitswesen nannten. Es gibt Medikamente, die durch exzessive Produktion so billig sind, dass man sie nicht mehr in Europa produzieren kann. Kaugummi ist mittlerweile teurer als Dafalgan. Viele neue Medikamente werden in den USA produziert und sind deswegen teuer.

Ärzte arbeiten heute immer noch mit Tarifen aus den 90er-Jahren. Der gleiche Eingriff, der früher 15 Min. dauerte, brauche aufgrund des technologischen Fortschritts heute die Hälfte der Zeit. Deshalb sind die neuen Tarife nicht mehr so hoch, da sie mit der fortschreitenden technologischen Entwicklung schneller angepasst werden können.

Eine Überraschung für alle war diese Antwort der Anwesenden in der Umfrage: Qualitätsmedizin, um die wir in der Schweiz froh sind, kostet halt einfach etwas. Karen Peier meinte, es gäbe Praxen die Qualität machen, aber keinen Unsatz. Andere hingegen hätten als Geschäftsmodell das Gegenteil. Praxen die sich engagieren werden so bestraft; die anderen machen Umsatz, aber die Qualität leidet.

Spitaldirektor Stefan Lichtensteiger überraschte der kleine Anteil derer, welche die Nähe der Spitäler zum Wohnort als wichtig sahen. Bruno Damann freute sich, dass die Leute bereit sind, bis zu drei Monaten auf eine Operation zu warten. Die Meinung, dass das Gesundheitswesen billiger wird, ist nicht machbar. Die Kosten sollten das Bruttosozialprodukt nicht übersteigen. Es braucht mehr ambulante als stationäre Behandlungen und mehr Möglichkeiten für die Nachsorge. Viele Prozesse seien im Vergleich mit anderen Ländern noch nicht digitalisiert, das verursache auch Kosten.

Wie geht es weiter mit den Spitälern?

Spitaldirektor Stefan Lichtensteiger meinte, der Kanton St. Gallen sei gut aufgestellt und auch im Fokus anderer Kantone. Spitäler sind geschlossen, Leistungen konzentriert. Jetzt gibt es noch vier Standorte, die zu einer Firma fusionieren. Die Angst vieler, man hätte zu wenig Betten, sei unbegründet. Nicht die Betten, sondern das fehlende Personal ist das Problem.

Pflegeinitiative und Eigenverantwortung

Zum Schluss wies Cornelia Hartmann einmal mehr zu Recht auf die Wichtigkeit der Pflegeinitiative hin, dort herrsche Notstand.

Die Antwort auf die Schlussfrage am Abend, «Welche Massnahmen braucht es, damit die Gesundheitskosten für alle bezahlbar bleiben?», war so einfach wie einleuchtend: Mehr Eigenverantwortung, nicht wegen jeder Kleinigkeit in den Notfall und eine Lebensgestaltung die nicht auf Kosten der Gesundheit geht.

Markus Arnitz, Linth24