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28.12.2023
29.12.2023 06:58 Uhr

Der Traum vom Fliegen – Teil 5

Flugzeuge und Flugzeugschuppen auf dem Breitfeld im Jahr 1938
Flugzeuge und Flugzeugschuppen auf dem Breitfeld im Jahr 1938 Bild: StadtASG, PA Foto Gross
Oliver Ittensohn vom Stadtarchiv St.Gallen hat die Geschichte der Fliegerei aufgearbeitet – Heute: Der erste und letzte Flughafen in St.Gallen – Das Breitfeld.

Schauplatz der vielen Pioniertaten von Kunkler und Mittelholzer ist das Breitfeld in St.Gallen-Winkeln. Kaum mehr als eine grüne Wiese, bietet es immerhin genügend Platz für die Start- und Landemanöver der Fluggeräte. Hier finden auch die ersten Flugtage und -feste statt. In einer «St.Galler Jahresmappe» ist ausführlich das Flugfest vom 13. und 14. August 1911 geschildert. Unter grossem Andrang des Publikums werden Darbietungen aller Art geboten. Ein kleiner Auszug: «Das […] gilt von dem berühmten deutschen Luftakrobaten Dimpfel, der sich am Trapez in beträchtlicher Höhe produzierte und sich u.a. an den Zähnen hängend, seiner Kleider entledigte. Bei den waghalsigen Sturzflügen hielt er sich aussen am Apparat fest.»(1)

Professionalisiert und zum eigentlichen Flugplatz (oder Flughafen) wird das Breitfeld durch die Gründung der Fluggenossenschaft «Ostschweizerische Aero-Gesellschaft». Die Gesellschaft bietet Post-, Waren- und Personentransport nach Zürich und Basel an. Mit einer aufwendigen Eröffnungsfeier wird die Fluglinie St.Gallen-Zürich-Basel am Sonntag, 7. August 1927 auf dem Breitfeld eingeweiht. Das Programm ist vielseitig: Diverse Rundflüge, Fallschirmabsprünge, Besichtigung der Flugzeuge und ein Konzert, gegeben von der Bürgermusik Herisau.

Leider schlägt die anfängliche Begeisterung schnell in Ernüchterung um

Die «Aero-Gesellschaft» ist ständig in Finanznot. Im Februar 1928 weist sie bereits ein Defizit von knapp 50'000 Fr. auf. Der Ausbau der Fluglinie nach München scheitert. Die Beförderung von Passagieren bewegt sich im niedrigen dreistelligen Bereich. Zum Vergleich: Schweizweit werden im Jahr 1928 insgesamt 18'557 Passagiere befördert, auf die «Aero-Gesellschaft» entfallen dabei 217 Passagiere. Erfolgsversprechender ist die Beförderung von Briefen und Paketen (ca. 13 Tonnen) und Fracht (knapp 1 Tonne).

Stadt, Kanton und Bund sind bereit, mit Finanzspritzen und Subventionen unterstützend einzugreifen. Der St.Galler Stadtrat will den Anschluss an den Schweizer Flugverkehr nicht verpassen. Die schlechte Finanzlage der «Aero» hat aber noch andere Gründe: Das Breitfeld ist als Flugplatz ungeeignet. Nicht nur ist die Bodenbeschaffenheit nicht ideal, sondern es dient vor allem gleichzeitig als Weide für Vieh und als Exerzierplatz für die Armee.

Konflikte um die Nutzung entbrennen schnell, die «Astra» will Flüge ausbauen, stört aber gleichzeitig das Militär bei ihren geplanten Manövern. Dazu kommen diverse private Anbieter, die mit ihren Flugzeugen Rundflüge und Passagiertransporte anbieten wollen – diese werden erst abgewiesen, müssen aber auf Dauer mit Spezialbewilligungen ebenfalls zugelassen werden.

So erstaunt es kaum, dass bereits früh das Gespräch mit dem Flugplatz «Altenrhein» gesucht wird. Mit Ausbruch des 2. Weltkriegs übernimmt die Armee das Breitfeld vollständig. Die privaten Flugaktivitäten werden eingestellt und nach Kriegsende schliesslich nicht mehr aufgenommen. Als Verkehrsflugplatz war das Breitfeld bereits im Mai 1931 aufgegeben und sämtliche Flugaktivitäten nach Altenrhein verlegt worden.

(1)Jahresmappe, 1911, S. 33f.

Oliver Ittensohn