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12.09.2023
12.09.2023 17:48 Uhr

Missbrauch im Bistum St. Gallen

Hat auch er weggeschaut?  Bischof Markus Büchel.
Hat auch er weggeschaut? Bischof Markus Büchel. Bild: Bistum St.Gallen / Kommunikation
Mehrere Schweizer Bischöfe stehen im Verdacht, sexuelle Missbrauchsfälle ignoriert oder gar vertuscht zu haben. Auch das Bistum St. Gallen steht im Fokus.

Der erste grosse Bericht zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz listet ungeheure Vorwürfe an die obersten Verantwortlichen auf.

Zum einen erhebt der Berner Pfarrer Nicolas Betticher schwere Vorwürfe, die nun untersucht werden. Zum anderen werden die Bistumsherren durch den Forschungsbericht der Uni Zürich belastet.

Vertuschung in St. Gallen

Auch das Bistum St. Gallen befindet sich unter Verdacht. Hier berichten die Forschenden von einem exemplarischen Fall für das Vertuschen von Übergriffen. Sie fanden im Personaldossier eines Priesters einen Brief aus den 70er-Jahren, in dem er «gegenüber dem damaligen Bischof von Fantasien berichtete, die im Rahmen des strafrechtlich Relevanten liegen würden, und anschliessend um Hilfe bat», wie im Forschungsbericht steht. Doch offenbar geschah auch in diesem Fall nichts.

Bischof mit beschuldigtem Priester eng befreundet

2002 erhielt das kirchliche Fachgremium für sexuelle Übergriffe die erste Meldung einer Frau, die von Übergriffen von ebendiesem Priester erzählte – und meldete dies dem damaligen Bischof Ivo Fürer. Das Gremium verlangte die Absetzung des Priesters.

Trotzdem hat der Bischof keine Voruntersuchung eingeleitet «und den Fall, soweit aus den vorhandenen Unterlagen nachvollziehbar, auch nicht der Glaubenskongregation in Rom gemeldet», wie der Forschungsbericht der Uni Zürich festhält. Briefe zeigten zudem, dass der Bischof und der beschuldigte Priester eng befreundet gewesen seien. 

«Pfarrer Tätscheli»

Bis ins Jahr 2005 meldeten sich weitere Betroffene. Eine Frau berichtete, dass sie mit demselben Priester im Bett habe liegen müssen. Bei den Kindern habe der Priester den Übernamen «Pfarrer Tätscheli» gehabt. Doch trotz mehrfacher Warnungen und Aufforderungen durch das Fachgremium, Massnahmen zu ergreifen, blieben solche auch unter dem neuen und jetzigen Bischof Markus Büchel aus, wie die Forschenden schreiben.

Der Pfarrer sei zwar 2012 aus der Seelsorgeeinheit in ein Kloster versetzt worden. Doch noch im Januar 2023 seien Eucharistiefeiern mit dem Kleriker nachgewiesen.

Erst der Anfang

Der Churer Bischof Bonnemain hat eine Voruntersuchung gegen vier Bischöfe eingeleitet, und das Forschungsteam der Uni Zürich beginnt im Januar 2024 ein weiteres Projekt von drei Jahren. Der jetzige Bericht sei erst der Anfang, heisst es von den zuständigen Historikerinnen.

Thomas Renggli