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Leserbrief
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21.08.2023

Ärger über Bahnersatz

Bild: Werner Hofstetter, Linth24
Werner Roggenkemper aus Schmerikon hat zusammen mit 50 weiteren Kunden der Bahn einen äusserst unangenehmen Samstag erlebt. Linth24 veröffentlicht seinen Erfahrungsbericht und wird eine Stellungnahme der Verantwortlichen einholen.

Einen guten Ruf aufzubauen braucht sehr lang. Den guten Ruf ruinieren, das kann man dagegen sehr schnell. Wer sich jemals mit Marketing beschäftigt hat, weiss das. Die SOB liefert – wohl unfreiwillig – an diesem Wochenende dafür ein Beispiel fürs Lehrbuch.

Wenn der Bahnverkehr eingestellt wird und Busse dafür eingesetzt werden, dann sind die Kunden nicht immer glücklich: Der Bahnersatzverkehr braucht in der Regel deutlich länger und ist nicht so pünktlich und verlässlich wie die Bahn.

Pünktliche Postauto und Schneider Reisen

Während der Sommerferien haben Postauto und Schneider-Reisen mit ihren grossen Gelenkbussen auf der Strecke Rapperswil – Uznach das Gegenteil bewiesen. Sie waren extrem zuverlässig: Wenn ein Bus mal 2 Minuten Verspätung hatte, dann war das sehr viel. Als autofreier Bahnfan habe ich das an sehr vielen Tagen erlebt. Und die Fahrer:innen waren zudem sehr freundlich, haben die Gäste begrüsst und den Grund für den Bahnersatzverkehr genannt.

Wiederholt habe ich ihnen deshalb ein Kompliment gemacht und auch den SOB-Beamten in Rapperswil habe ich das gesagt – gute Leistungen muss man würdigen.

Wie die SOB ihren Ruf zerstört

Den guten Ruf und die hohe Zufriedenheit ihrer Kunden – ich habe auf meinen Fahrten mit vielen anderen Kunden gesprochen – hat die SOB an diesem Wochenende im Nu zerstört.

An diesem Wochenende sind Reise-Cars von Domo als Bahnersatzbusse im Einsatz: Komfortable Reise-Cars, zweifelsohne. Nur leider überhaupt nicht geeignet für den Linienverkehr.

Zwei Beispiele gefällig: Gestern Morgen 10.18 h hatte der Bus von Rapperswil nur 7 Minuten Verspätung. Wer also rennen konnte, der erwischte die S-Bahn nach St. Gallen. Ich schaffte es nur, weil andere Reisende für mich die Tür blockierten.

Gestern Abend um 17.17 h warteten weit über 50 Reisende aus St. Gallen auf den Bahnersatzbus nach Rapperswil. Es wurde 17.43 h, bis der Bus ankam. Der Anschluss nach St. Gallen war also weg, es dauerte zudem mehrere Minuten, bis alle aus dem oberen Stock den Bus verlassen hatten – ein Reise-Car ist eben nicht für solche schnellen Passagierwechsel gebaut. Nach mehr als 25 Minuten nach der geplanten Abfahrtszeit setzte sich der Bus dann in Richtung Rapperswil in Bewegung – und klar: Er wird auch dort wieder zu spät abfahren und die Verspätung mitnehmen.

Warten ohne Informationen

Diese Verspätung und sehr unzufriedene Kunden waren gestern die Regel (und ich denke, dass wird heute nicht anders sein) – wir hatten ja genügend Zeit, uns während der Wartezeit in Uznach auszutauschen.

Es war niemand da, der uns informierte. Es gab nirgends eine Telefonnummer, die uns Auskunft erteilen konnte. Nichts.

Einfach warten und hoffen, dass dann irgendwann der Bus kommt – das war das Schicksal der Gestrandeten. Immerhin kamen wir in den Genuss eines Gratis-Konzertes des mitreisenden Drehorgelspielers.

Kritik an der SOB

Leider war es vorhersehbar, dass es an diesem Wochenende zu ständigen Problemen kommen würde. Wer bei der SOB diesen Entscheid gefällt hat, der hat ganz sicher nicht seinen normalen Menschenverstand benutzt, denn

  • die eingesetzten Reise-Cars haben nur zwei enge Ein- und Ausgänge, ein grosser Teil der Gäste muss zudem von oben über die enge Treppe nach unten kommen.
  • sie haben in Rapperswil keine Busbevorzugung an den Ampeln – das ist aber genau der Punkt, der Schneider-Reisen und Postauto so pünktlich machte. Das Debakel war also vorhersehbar.
  • die Reise-Cars haben keinen Staubereich im Fahrgastbereich wie die grossen Gelenkbusse: Ein Kinderwagen im Bus und der zweite Kinderwagen kann hoffen, dass er 30 Minuten später Glück hat und mitfahren darf.
  • die Reise-Cars sind nicht rollstuhlgängig – ich befürchte, die SOB haben damit nicht nur diese Kunden massiv verärgert, die besonders auf den ÖV angewiesen sind, sondern vermutlich auch gegen rechtliche Bestimmungen verstossen: Der ÖV muss für alle zugänglich sein.

Die SOB muss Stellung beziehen

Um es nochmals klar zu sagen: Ich bin Bahn-Fan. Und die SOB ist meine Lieblingsbahn, weil ihre Mitarbeitenden im Zug keine Kondukteure, sondern Kundenbegleiter sind und das ernst nehmen und leben.

Aber liebe SOB: Hier habt ihr am falschen Ort gespart!! Und das auf Kosten Eurer Kunden. Irre ich mich? Dann bin ich auf eine Klarstellung der SOB gespannt. Wie Ihr Eure verärger-ten Kunden wieder an Bord holt, ist eine andere Sache. Ich bin auf jeden Fall gespannt.

Werner Roggenkemper, Schmerikon