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16.07.2023

Invasive Exoten Tiere

Die asiatische Hornisse ist auch bei uns auf dem Vormarsch.
Die asiatische Hornisse ist auch bei uns auf dem Vormarsch. Bild: LID
Nicht nur exotische Pflanzen können das Schweizer Ökosystem gefährden, sondern auch exotische Tiere.

Die globale Reise- und Handelstätigkeit hat zu einer zunehmenden Anzahl von gebietsfremden Arten in der Schweiz geführt. Während die meisten sich unauffällig in unsere Ökosysteme einfügen, können einige invasiv sein und erhebliche Schäden verursachen.

Diese Arten sind unter anderem für die Umwelt und die Landwirtschaft ein grosses Problem.

Für uns Menschen und die Güter, die wir transportieren, stellen natürliche Barrieren wie Meere, Gebirge, Wüsten oder Flüsse heute keine unüberwindbaren Hindernisse mehr dar.

Mit der globalisierten Reise- und Handelstätigkeit haben wir Menschen aber nicht nur Güter, sondern auch lebende Organismen in neue Gebiete gebracht, in die sie ohne menschliche Hilfe niemals gelangt wären. Diese eingeschleppten, gebietsfremden Arten, haben sich in der Schweiz etabliert und ihre Zahl nimmt stetig zu. Doch nicht alle sind harmlos. Einige von ihnen werden als invasiv bezeichnet und können erhebliche Schäden für die Umwelt, die biologische Vielfalt und die nachhaltige Nutzung der Ökosysteme verursachen.

Laut dem Bericht «Gebietsfremde Arten in der Schweiz» des Bundesamts für Umwelt BAFU sind in der Schweiz Stand 2022 insgesamt 1305 etablierte gebietsfremde Arten bekannt, darunter 430 Tiere, 730 Pflanzen und 145 Pilze. Von diesen werden 197 Arten als invasiv eingestuft. Das bedeutet, dass sie bekanntermassen oder wahrscheinlich Mensch und Umwelt gefährden, die biologische Vielfalt beeinträchtigen oder die Ökosystemleistungen und ihre nachhaltige Nutzung stören können.

Mit 31 Prozent stammen die meisten der in der Schweiz etablierten gebietsfremden Arten aus Asien, gefolgt von Europa mit 26 Prozent und Nordamerika mit 24 Prozent. Werden nur die invasiven gebietsfremden Arten angeschaut, stammen 41 Prozent aus Asien und 30 Prozent aus Nordamerika. Die Einbringung der hier gebietsfremden Arten kann auf verschiedene Weise erfolgen: 40 Prozent der etablierten Arten wurden absichtlich eingeführt und dann versehentlich in die Umwelt entlassen. Weitere 32 Prozent wurden unbeabsichtigt mit Handelswaren in neue Gebiete eingeschleppt. Bei 18 Prozent der Arten fehlen klare Informationen über den Einbringungsweg.

Gebietsfremde Tiere in der Landwirtschaft

Die Auswirkungen der eingeschleppten Arten auf die Tier- und Pflanzenwelt können vielfältig sein. Die meisten gebietsfremden Arten fügen sich unauffällig in die Ökosysteme ein und verursachen keine Schäden. Einige jedoch haben nachweislich negative Auswirkungen. Sie können einheimische Arten verdrängen, mit ihnen hybridisieren, ökologische Funktionen beeinträchtigen oder Krankheiten und Parasiten übertragen. Darüber hinaus können sie beim Menschen Gesundheitsprobleme durch toxische oder allergene Stoffe auslösen.

Auch wirtschaftliche Schäden sind möglich – so können Neobionten in der Land- und Forstwirtschaft zu erheblichen Problemen führen und beispielsweise grosse Ertragseinbussen verursachen. Nebst invasiven Pflanzenarten, die Anbauflächen übernehmen und Ernteerträge verringern, oder sogenannten Neomyzeten wie Pilzen und Bakterien, die Pflanzenkrankheiten verursachen, gibt es auch diverse eingeschleppte Schädlinge, welche die landwirtschaftlichen Kulturen angreifen und grosse Schäden verursachen können. Dies kann zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten für Landwirtinnen und Landwirte führen.

Asiatische Invasoren

So stellt unter anderem der Japankäfer eine Bedrohung für die Schweizer Landwirtschaft dar. In Europa ist der Japankäfer erstmals in den 1970er-Jahren auf den Azoren aufgetaucht. 2014 wurde er dann in Norditalien nachgewiesen und 2017 wurde der Käfer erstmals in der Schweiz im Kanton Tessin entdeckt. Seither breitet sich der Japankäfer im Südkanton aus – 2022 wurden im Kanton Tessin bereits 625’606 Exemplare in Massenfangfallen gefangen. Isolierte Funde gab es aber auch schon nördlich der Alpen: 2021 hat die Stadtgärtnerei in Basel den Fund eines Japankäfers verzeichnet. Der Japankäfer ist gefrässig und ernährt sich von über 300 verschiedenen Pflanzenarten: Er richtet sowohl als Engerling im Boden als auch als Käfer in vielen Kulturpflanzen massive Schäden an und befällt unter anderem Apfel- und Steinobstbäume, Brom- und Himbeersträucher, Mais oder auch Weinreben. In der Schweiz hat der Japankäfer keine natürlichen Feinde.

Die Asiatische Hornisse bereitet vor allem Imkerkreisen grosse Sorgen. Nachdem sie 2017 erstmals gesichtet wurde, hat die Anzahl der Funde im Jahr 2022 deutlich zugenommen. Dank günstiger Wetterbedingungen breitet sie sich nun in der Romandie und der Nordwestschweiz aus. Asiatische Hornissen jagen zur Ernährung ihrer Larven Insekten – insbesondere Wild- und Honigbienen. Gegen Ende des Sommers, wenn das Nahrungsangebot in der Natur knapper wird, greifen sie auch vermehrt Bienenvölker an. «Zum Schutz der einheimischen Insektenfauna und der Honigbienenvölker ist eine rasche Zerstörung möglichst vieler Nester der invasiven Art darum sehr wichtig», erklärt Fabian Trüb, Fachspezialist Bienengesundheit beim Schweizer Bienengesundheitsdienst BGD. Er ist überzeugt, dass die Schweizer Imkerinnen und Imker früher oder später Möglichkeiten finden werden, um ihre Bienenvölker vor der der Asiatischen Hornisse zu schützen. Ohne Verluste von Bienenvölkern und ohne Anpassungen der Betriebsweise der Imkerei wird das allerdings kaum gehen. Nicht weniger Sorgen macht er sich um die hiesigen Wildbienen: «Die Wildbienen stehen sowieso schon unter Druck und wenn es so weitergeht, könnten die hiesigen Wildbienen dereinst ganz verschwinden – das wäre verheerend», erklärt er.

Nützliche Neozoen

Nicht alle eingeschleppten Organismen sind für die Landwirtschaft schädlich. Einige eingeführte Tierarten können sich als effektive Schädlingsbekämpfer erweisen und dazu beitragen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Ironischerweise werden die Nützlinge unter den Neozoen aber oft zur Bekämpfung von anderen gebietsfremden Arten eingesetzt. So untersucht Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für die Forschung in der Land- und Ernährungswirtschaft, unter anderem die Eignung des exotischen Parasitoiden Ganaspis brasiliensis für die klassische biologische Bekämpfung der Fruchtfliege Drosophila suzukii.

Auch um der Marmorierte Baumwanze entgegenzuwirken, wird der Einsatz mit einer eigentlich ebenfalss gebietsfremden Art erwogen: 2020 startete Agroscope einen Freisetzungsversuch mit der Samuraiwespe. Die Marmorierte Baumwanze, auch als Stinkwanze bekannt, ist ein schädlicher Insektenschädling im Obst- und Gemüsebau. Sie stammt ursprünglich aus Asien und wurde 2004 erstmals in der Schweiz entdeckt. Seitdem hat sie sich zu einem ernsthaften Schädling in der Landwirtschaft entwickelt. Agroscope überwacht ihre Verbreitung und untersucht verschiedene Strategien, um die Schäden zu reduzieren. Die Bekämpfung mit der Samuraiwespe ist eine mögliche Lösung. Die Samuraiwespe, ein natürlicher Feind der Baumwanze, parasitiert die Eier der Baumwanze und kann dadurch deren Population kontrollieren. Die Schlupfwespe legt ihre Eier in die Eigelege der Baumwanze und begrenzt dadurch ihre Vermehrung. Ähnliche Methoden werden bereits erfolgreich gegen andere Schädlinge eingesetzt.

Druck wird sich noch erhöhen

Insgesamt ist das Thema der Neozoen in der Schweizer Landwirtschaft komplex und erfordert eine ausgewogene Herangehensweise. Während einige Arten Herausforderungen mit sich bringen können, bieten andere potenzielle Vorteile. Eine umfassende Überwachung, Regulierung und Bildung sind wesentlich, um die Auswirkungen von Neozoen auf die Schweizer Landwirtschaft zu bewältigen und gleichzeitig einen nachhaltigen und effizienten landwirtschaftlichen Sektor zu gewährleisten.

Grundsätzlich ist zu erwarten, dass auch in Zukunft neue invasive gebietsfremde Arten in die Schweiz gelangen und sich in der Umwelt etablieren. Modellberechnungen für Europa gehen bis zum Jahr 2050 von weiteren 2500 gebietsfremden Arten aus. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, Massnahmen zu ergreifen, um die Einbringung und Ausbreitung invasiver Arten zu kontrollieren und ihre Auswirkungen auf die Umwelt, die biologische Vielfalt und die nachhaltige Nutzung der Ökosysteme einzudämmen. Nur so kann die Funktionalität unserer natürlichen Lebensräume bewahrt werden.

LID/Linth24