Das Desaster um die Tunnel-Abstimmung von Rapperswil-Jona vom 10. September nimmt irrwitzige Züge an, die nun auch von der Linth-Zeitung gegeisselt werden.
Bekannt ist: Der Stadtrat lässt die Bevölkerung über ein Stadttunnel (und über Tunnel-Varianten) abstimmen, besprach das aber nicht mit dem Kanton, der dafür gegen 1 Milliarde bezahlen müsste. Der Tunnel wäre notabene das grösste Bauprojekt, das der Kanton St. Gallen je finanziert hätte.
Hingesudelte Abstimmung
Der Stadtrat gab mehrfach vor, der Kanton verlange die Tunnel-Abstimmung. Das scheint wieder einmal eine Falschinformation gewesen zu sein. Ausserdem wurde dem Volk weisgemacht, es brauche die Abstimmung, um den Tunnel ins kantonale Strassenbauprogramm 2024 bis 2028 zu bringen.
Fakt aber ist: Der Kanton arbeitet am Bauprogramm schon seit Monaten. Der Kantonsrat verabschiedet es im Herbst, eine Woche nach der Rappi-Abstimmung. Fazit: Die Tunnel-Abstimmung kommt nicht nur unvorbereitet, sondern auch viel zu spät. Sie war zuerst auf 2022 geplant, dann auf Sommer 2023 und wurde nun auf kommenden Herbst noch schnell, so macht es den Eindruck, hingesudelt. (Dafür war man dann zu früh mit dem unverständlichen Abriss der Badi Lido.)
Linth-Zeitung geisselt Führungsversagen
Zu Recht schreibt die Linth-Zeitung: Man reibe sich über das Tun ungläubig die Augen. Die Zeitung geisselt die «strategische und kommunikative Nonchalance», mit der der Stadtrat das Generationenprojekt angehe. Das zeuge «von schwacher strategischer Führung», ja von «Führungsversagen».
Linth-Zeitungsredaktor Pascal Büsser beendet seine Standpauke mit dem Fazit, falls der Stadttunnel durchkomme, dann trotz – und nicht dank dem Stadtrat.
Drama ist noch grösser
Leider ist das Drama noch grösser. So wurde ich vom Kommunikationsleiter der Tunnel-Abstimmung angefragt, ob ich im Ja-Komitee mitmachen würde. Doch ich sagte mit Kopie an den Stadtrat ab, noch bevor das Debakel öffentlich wurde. Und das, obwohl ich für den Tunnel bin.
Ich schrieb: Ich würde das Abstimmungs-Prozedere für «miserabel» aufgegleist halten. Mir sei ausserdem bekannt, dass das St. Galler Baudepartement diese Abstimmung als nicht zielführend und falsch einstufe.
Flapsiges Beiseitelassen
Unverständlich sei auch, wie Bauvorstand Leutenegger an der Info-Veranstaltung von Ende April zur Variante Tagbau über dem Bahntrasse der S 7 gesagt habe, man habe 2015 (also vor 8 Jahren!) mal mit der SBB geredet. Aber man wisse ja, wie schwierig es mit der SBB sei.
Damit wurde klar: Man hat die städtebaulich interessante Überdeckung der S 7 – in Kombination mit dem Meienbergtunnel und dem Anschluss der Goldküste an den Bahnhof Jona – «flapsig» beiseitegelassen.
Strategielos
Bedenklich sei auch, schrieb ich dem Stadtrat, wenn drei Wochen vor dem ersten Informationsabend zur Abstimmung noch schnell jemand gesucht werden musste, der für das Tunnel einstand. Es sei vom Stadtrat, der offenbar ein Tunnel befürworte, strategielos, der Bürgerschaft statt Visionen zur Stadterneuerung «faktisch nur ein Loch» verkaufen zu wollen.
Dieser Kommunikations-Gau dauert an. Die diese Woche dem Stadtjournal beigefügte Beilage (wobei im Journal fast nichts zum Tunnel steht) ist eine Text-, Farb- und Kästchenwüste, die kreuz und quer alles erklären will, aber emotionslos ist und damit kaum jemanden packt oder gar zum Lesen bringt. Schon der Titel «Stadttunnel als Chance». Chance für was?
Falsche Varianten-Frage
Nachlässig habe auch angemutet, so meine Analyse an die Stadt, dass rund 5 Monate vor der Abstimmung nicht einmal die Abstimmungs-Frage formuliert war. Auch die Frage nach Tunnelvarianten sei unverständlich. Man könne das Volk nicht etwas fragen, was die Fachleute selbst nicht wüssten.
Zu denken gebe auch, dass der Präsident des Pro-Tunnelvereins verj wegen Unstimmigkeiten zurückgetreten sei und rund 3 Monate vor Verteilung der Abstimmungsunterlagen zum Tunnel noch kein Nachfolger dastünde.
Und jetzt noch schnell ein Komitee
Genauso bedenklich sei, dass mehrere Wirtschaftsführer der Stadt schon vor rund 2 Jahren mit Stadtpräsident Martin Stöckling und Vertretern der Kantonsregierung an einem Gespräch ihr Interesse in der Tunnel-Sache angeboten, dann aber von der Stadt nie mehr etwas gehört hätten. Mir wurde vom damaligen verj-Präsidenten dazu gesagt: Der Stadtpräsident wolle das Tunneldossier selbst in der Hand behalten.
Und nun, wenige Monate vor der Abstimmung, so meine Nachricht an den Stadtrat, wolle man noch schnell ein Tunnel-Ja-Komitee aufbauen.
Das alles zeige, wie gedankenlos diese für Rapperswil-Jona fundamental wichtige Abstimmung aufgegleist worden sei. Vom Stadtrat hörte ich auf diese Mail natürlich nichts.