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Rapperswil-Jona
08.04.2023
09.04.2023 07:11 Uhr

Noch viel zu tun bei der Pflege

v.l.n.r. Cornelia Hartmann, Barbara Gysi, Gabriela Tarnutzer, Manuel Stadtmann, Yvonne Ribi
v.l.n.r. Cornelia Hartmann, Barbara Gysi, Gabriela Tarnutzer, Manuel Stadtmann, Yvonne Ribi Bild: Markus Arnitz, Linth24
Hochkarätige Referentinnen und Referenten beleuchteten die Umsetzung der Pflegeinitiative im RaJoVita Bühl in Jona.

Am 28. November 2021 wurde die Initiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» von Volk und Ständen angenommen. Der Bundesrat beschloss daraufhin, den neuen Artikel 117b der Bundesverfassung (BV) sowie die Übergangsbestimmungen in Artikel 197 Ziffer 13 in zwei Etappen umzusetzen.
Die Pflege ist ein wichtiger Pfeiler der medizinischen Versorgung und der Bedarf steigt aufgrund der demografischen Alterung der Gesellschaft laufend. Damit die Qualität der Pflege erhalten bleibt und alle Menschen Zugang zu einer guten Pflege haben, müssen mehr Pflegende ausgebildet werden und die Berufsverweildauer verlängert werden.

Ausbildungsoffensive

Die Ausbildungsoffensive als erste Etappe ist verabschiedet. Sie beinhaltet Beiträge an Gesundheitseinrichtungen, Ausbildungsbeiträge an Studierende der Tertiärstufe und Beiträge an Höhere Fach- und Fachhochschulen für zusätzliche Ausbildungsplätze. Zusätzlich sollen Pflegefachpersonen bestimmte Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen abrechnen können. Der zweite Teil der Umsetzung ist jetzt in Planung. 

  • Barbara Gysi, Nationalrätin, Ständeratskandidatin, Standortbestimmung zur Umsetzung der Pflegeinitiative Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Ursula Hartmann, Präsidentin SBK Sektion SG TG AR AI Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Yvonne Ribi, Geschäftsführerin SBK Schweiz Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Gabriela Tarnutzer, Pflegeexpertin MScN Bild: Markus Arnitz, Linth24
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Referate und Podiumsdiskussion

Den Start machte Nationalrätin Barbara Gysi, welche eine federführende Rolle bei der Initiative innehatte. (Dokument unten). Sie zeigte die dringendsten Sofortmassnahmen auf, denen sie mit Hilfe einer Interpellation Nachdruck verlieh und welche die Kantone in die Pflicht nimmt. Yvonne Ribi, Geschäftsführerin SBK hielt einen flammenden Vortrag zur Arbeitssituation der Pflegefachkräfte an der Front. Zehntausende offene Stellen, ein Drittel Aussteiger wegen Überlastung und mangelnde Wertschätzung waren die Kernpunkte. Ribi: «Klatschen vom Balkon für Pflegfachleute reicht nicht.» Nicht viel anders schilderte Cornelia Hartmann, Präsidentin SBK Sektion SG/TG/AI/AR die Situation im Kanton St. Gallen. Mut mache ihr das Bekenntnis von Regierungsrat Dammann, welcher die Not erkenne und bestmögliche Unterstützung zusage. Gabriela Tarnutzer sprach aus der Sicht der Pflegenden im täglichen Einsatz und betonte die Wichtigkeit bestmöglichster Unterstützung aller Stufen. Die mentale, emotionale und physische Belastung im Beruf sei vielen Entscheidungsträgern nicht ansatzweise bewusst.

In der Podiumsdiskussion kamen vor allem belastende Arbeitsbedingungen zur Sprache. Die Aussagen zeigen immer noch ein Bild, welches dem Einsatz der Pflegefachkräfte nicht gerecht wird. Ungenügende Bezahlung im Verhältnis zu Beanspruchung und Verantwortung, überbordende Administration, fehlende Zeit am Patienten; die Liste war lang, eindrücklich und machte betroffen. Manuel Stadtmann, Leiter Kompetenzzentrum Psychische Gesundheit an der OST, informierte in seinem Ausführungen über die Ausbildung angehender Führungskräfte, die immensen Belastungen ihres Fachpersonals in der Einsatz- und Arbeitsplanung an der Front zu beachten und Schäden zu vermeiden.

Zum Abschluss ging die Bitte ans Publikum, die mehr als berechtigten Anliegen der Pflegefachkräfte ernst zu nehmen und ihnen jede denkbare Unterstützung zukommen zu lassen.

Kommentar: Man darf sich keinen Illusionen hingeben: die Milliarde die vom Bund für die nächsten 8 Jahre gesprochen wurde, sieht auf den ersten Blick nach «viel» aus. Ist sie aber nicht. Herunter gerechnet sind es jährlich 125 Millionen - welche dann noch auf alle Kantone aufgeteilt werden müssen. Bedeutet de facto, 2 Mio. pro Kanton/Jahr. Sieht man, was der Bund im Vergleich zur Pflege, ohne rot zu werden jährlich für Belangloses projektiert und ausgibt, sind Fragen erlaubt . Für Ausbildung und gerechte Abgeltung der Leistungen der Pflegefachberufe wendet man einen Bruchteil davon auf.  Die ganzen Diskussionen zum Thema bewegen sich zu sehr auf der intellektuellen und rein betriebswirtschaftlichen Ebene. Ein Teil der horrenden Profite im Gesundheitswesen werden auf dem Buckel der Pflegefachkräfte erwirtschaftet. Zynisch betrachtet, sieht es aus wie der Kolonialismus einer entfesselten Elite aus Pharma, Medizin und Politik. Völlig ausgeblendet wird das emotionale Dilemma, in welchem sich die Pflegenden tagtäglich am Bett der Patienten wiederfinden. Medikamente wo Gespräche angebracht wären, künstliche Ernährung statt Fürsorge, weil Zeit und Personal fehlen. Hinzu kommen noch Patienten, die vergessen, dass ein Spital kein 5* Hotel mit Room Service ist. Es braucht wieder die Sicht auf das was Pflege ausmacht: die uneingeschränkte Passion zum Helfen. Und das Bewusstsein, dass Pflegefachleute eine unverzichtbare Säule unserer Gesellschaft sind und bleiben. 

Markus Arnitz, Linth24