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Kanton
09.02.2023
10.02.2023 08:37 Uhr

«Die Gender-Diskussion hat fanatische Züge angenommen»

Anwärterin fürs Stöckli: Esther Friedli (mit Partner Toni Brunner).
Anwärterin fürs Stöckli: Esther Friedli (mit Partner Toni Brunner). Bild: zVg
Sie will als erste SVP-Frau in den Ständerat. Sie bezieht klar Stellung. Esther Friedli (45) sagt, weshalb sie gerne im Service hilft und wo sie sich besonders stark für Ihre Heimat einsetzen will. Von Thomas Renggli und Mihajlo Mrakic

Esther Friedli, wir treffen Sie heute im Haus der Freiheit, dem Landgasthof Sonne im oberen Toggenburg, den Sie zusammen mit Ihrem Partner und ehemaligem SVP-Präsident Toni Brunner betreiben. Wie wichtig ist Ihnen die Ihre Tätigkeit als Gastronomin?
Sehr wichtig. Ich finde es von grosser Bedeutung, dass wir in der Schweiz ein Milizparlament haben, in dem die gewählten Politikerinnen und Politiker auch ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen.

Wer bei Ihnen oft zu Gast ist, weiss, dass Sie im Service mithelfen. Auch auf Ihrem Wahlplakat sind sie mit Servierbrett zu sehen. Ist dies ein Garant für Sie, dass Sie den Kontakt zum Boden, zur Realität, den einfachen Leuten nicht verlieren?
Ja, ich arbeite so oft wie möglich selber im Betrieb und helfe mit, auch im Service. Dabei versuche ich auch immer mit den Gästen ein Gespräch zu führen, um ihre Anliegen oder auch Probleme zu kennen. Wenn man nah dran ist, bleibt man auch mit allen Herausforderungen von Arbeitgebern und -nehmern besser vertraut.

Hat Ihr Betrieb während Corona einen Verlust erlitten?
Während Corona wurden alle Restaurants zwei Mal staatlich geschlossen. Diese Zeit war äusserst schwierig und unsicher, da wir nicht wussten, wie es wieder weitergeht. Wir versuchten immer, vor allem gegenüber den Mitarbeitenden, Zuversicht und den Glauben an die Zukunft zu vermitteln. Ich bin froh, dass es jetzt wieder normal läuft.

«Auf dem Bauernbetrieb bin ich für die administrativen Belange zuständig, Toni für das Wohl der Tiere.»
Esther Friedli

Gleichzeitig haben Sie einen Bauernbetrieb mit 50 Eringern, mit denen Sie sogar regelmässig an Kuhkämpfen im Wallis teilnehmen. Wie sieht die Arbeitsteilung bei Ihnen rund um den Bauernhof aus?
Ich bin für die administrativen Belange zuständig, Toni für das Wohl der Tiere. Dabei wird er von einem Mitarbeitenden unterstützt. Zudem werden die Tiere noch gealpt.

Und in ähnlichem Ambiente haben Sie im vergangenen Oktober Ihre Ständeratskandidatur bekanntgegeben – zwischen Wein, Vieh und Volksmusik in Mels. Was sind die Beweggründe für Ihre Kandidatur?
Zuhören, analysieren, umsetzen. Das sind wichtige Eigenschaften von mir. Ich mache eine sach- und lösungsorientierte Politik, bei der für mich die Bürgerinnen und Bürger im Zentrum stehen. Dies möchte ich in Zukunft für die St.Gallerinnen und St.Galler im Ständerat einbringen.

Weshalb braucht es ausgerechnet jetzt eine SVP-Frau im Stöckli, nachdem dieser eine St.Galler Ständeratssitz die letzten 12 Jahre in SP-Hand gewesen ist?
Ich bin überzeugt, dass eine bürgerliche St.Galler Vertretung im Ständerat unserem Kanton und seinen Bürgern mehr bringt. Bei einer geteilten Standesstimme heben sich die beiden Stimmen auf und verlieren so an Bedeutung. Zusammen mit Ständerat Beni Würth könnte ich für den Kanton St.Gallen vieles bewegen. Er als Städter, ich als Vertreterin vom Land. Das wäre für den vielfältigen Kanton St.Gallen ein Gewinn.

Welche politischen Akzente wollen Sie bei einer Wahl setzen?
Ich setze mich für den Ausbau  von Infrastrukturprojekten (Strasse, Schiene, Energie und Bildung) im Kanton St.Gallen ein. Die Ostschweiz und namentlich der Kanton St.Gallen müssen bei der Vergabe von nationalen Geldern hier verstärkt berücksichtigt werden. Bei allen neuen Gesetzen gilt es aber auch zu berücksichtigen, welche Auswirkungen dies in den Kantonen hat. Hier will ich mich einsetzen, dass wir die Bürokratie – für die Kantone, aber auch die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen – so schlank wie möglich halten können. Zudem stehe ich mit einer bürgerlichen und werteorientierten Politik für die Sicherheit und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger ein. Und dies in allen Belangen.

Was verstehen Sie genau unter werteorientierter Politik?
Für mich ist die Familie die zentrale Einheit unserer Gesellschaft. Ihr müssen wir Sorge tragen. Dabei setze ich mich dafür ein, dass jede Familie die Freiheit hat, ihr Leben selbst zu gestalten..

Es kandidieren nur Frauen. Gibt es in St.Gallen keine fähigen Männer?
(lacht) Es ist doch schön, dass es eine reine Frauen-Auswahl gibt – ganz ohne Quote. Das zeigt, dass der Wettbewerb spielt. Schliesslich ist in St.Gallen die Hürde für eine Kandidatur niedrig. Es braucht nur 15 Unterschriften.

«Ich fühle mich als St.Gallerin. Im Toggenburg bin ich heimisch.»
Esther Friedli

Sie kommen ursprünglich aus Worb – und tönen auch sprachlich nicht wie eine Ostschweizerin. Könnte dies ein Nachteil sein?
Nein. Ich fühle mich als St.Gallerin, lebe und arbeite hier seit über 16 Jahren. Im Toggenburg bin ich heimisch.

Zusammen mit Ihrer Partei haben Sie sich den Kampf gegen die Gender- und Woke-Kultur auf die Fahne geschrieben. Gibt es keine wichtigeren Themen?
Doch, wir sind derzeit mit ganz grossen Herausforderungen konfrontiert – beispielsweise die drohende Strommangellage und die künftige Sicherstellung der Energieproduktion, Krieg in Europa, ein Asylsystem am Anschlag. Doch eine kleine linke Minderheit kümmert sich lieber um den Genderstern oder verbietet Auftritte von Musikern mit Frisuren, die ihnen nicht genehm sind. Diese Kreise wollen der Gesellschaft und damit uns allen vorschreiben, was man heute noch sagen und essen darf oder wie man sich verhalten soll. Diese kleine Minderheit nimmt für sich in Anspruch, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen. Das geht so nicht. Da müssen wir hinstehen.

Wo sind Sie direkt mit dieser Thematik konfrontiert?
Beispielsweise in unserem Restaurant in Ebnat-Kappel. Wir verkaufen dort Mohrenköpfe – und werden immer wieder gefragt, ob man diesen Ausdruck überhaupt noch verwenden darf. Die Diskussion hat religiös-fanatische Züge angenommen. Unter dem Deckmantel der Wachsamkeit wollen linke Aktivisten bestimmen, was man heute noch sagen darf. Studenten berichten uns auch, sie müssten in ihren Arbeiten eine gendergerechte Sprache anwenden, sonst drohten ihnen Notenabzüge. Das ist quasi wichtiger als der wissenschaftliche Mehrwert oder die Grammatik. Und in Basel-Stadt wird über ein neues Gleichstellungsgesetz beraten, das die Bezeichnungen von «Frau» und «Mann» streicht. Jetzt kämpfen glücklicherweise ältere linke Feministinnen dagegen: Denn sie haben sich jahrelang für die Gleichstellung eingesetzt.

Ein anderes Thema ist die drohende Strommangellage. Wie wollen Sie gegen schwankenden Energiepreise und den Ressourcenmangel vorgehen?
Wir müssen zügig die Kapazitäten der Stromproduktion im Inland erhöhen – und zwar technologieoffen.  Die letzten Monate haben uns gezeigt: Wenn’s knapp wird, wird’s teuer. Der Strompreis wird an einer Börse bestimmt. Und dort gibt es selbstredend immer auch Spekulanten. In der Verantwortung stehen die grossen Stromkonzerne, die sich überwiegend im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Hier fehlt mir die Aufsicht. Das heisst nicht, dass ich für mehr staatliche Eingriffe votiere. Aber in diesem Fall sind die Kantone und Städte in der Pflicht, ihre Kontrolle als Besitzer auszuüben. Sonst bezahlt am Schluss der normale Bürger und das KMU.

«Zur Sicherheit gehören: Gewährleistung von genügend einheimischer und bezahlbarer Stromversorgung. Sicherstellung der Produktion von genügend Nahrungsmitteln. Aber auch sichere Renten und eine einsatzfähige Armee.»
Esther Friedli

Wo sehen Sie grundsätzlich die grössten Herausforderungen für unser Land?
Die Sicherheit. Dazu gehören: die Gewährleistung von genügend einheimischer und bezahlbarer Stromversorgung. Die Sicherstellung der Produktion von genügend Nahrungsmitteln. Aber auch sichere Renten und eine einsatzfähige Armee gehören dazu. Daneben müssen wir das Bevölkerungswachstum in den Griff bekommen. Bereits 2023 ist die 9-Millionen-Schweiz Realität, wir haben das höchste Bevölkerungswachstum Europas. Die Auswirkungen davon sehen wir jeden Tag: Mehr Staus, überfüllte Züge, wachsende Kriminalität, Zubetonierung und Zersiedelung. Hier braucht es Massnahmen.

Und für den Kanton?
Im Grundsatz die Gleichen wie für die ganze Schweiz. In Bezug auf die Infrastrukturprojekte muss die Ostschweiz von Bundesbern besser berücksichtigt werden. Hier sehe ich neben der Strasse und der Schiene auch Potential bei Bildungseinrichtungen. Der Kanton St.Gallen ist ein herausragender Bildungs- und Innovationsplatz. Diesen müssen wir noch verstärken.

Ein anderes Thema, welches die Bürger beschäftigt, ist die «Pöstchenjagd» in Bundesbern. Bekanntlich erhalten Ständerätinnen und Ständeräte haufenweise Mandatsanfragen von Verbänden. Wie werden Sie damit umgehen?
Ich bin klar der Meinung, dass man als Ständerätin dem Kanton und seinen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verpflichtet ist. Dadurch, dass ich ein eigenes Unternehmen habe, lehnte ich auch in der Vergangenheit fast alle Angebote ab. Ich bin einzig in Organisationen dabei, wo ich aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit eine enge Nähe habe (z.B. GastroSuissse). Ich will meine Zeit neben der beruflichen Tätigkeit für die Bürgerinnen und Bürger einsetzen.

Am 13. Februar haben Sie einen Aufritt im Kreuz in Jona. Zusammen mit Altbundesrat Christoph Blocher und Nationalrat Roger Köppel. Worüber werden Sie sprechen?
Ich werde ausführen, wofür ich einstehe, was meine Werte sind und warum es notwendig ist, jetzt eine bürgerliche St.Galler Vertretung in den Ständerat zu schicken. Ich freue mich sehr, dass alt Bundesrat Christoph Blocher und Nationalrat Roger Köppel für diesen Abend in den Kanton St.Gallen kommen.

«In verschiedenen Städten wie Rapperswil-Jona wird generell mit Tempo 30 als Antwort auf die verstopften Strassen reagiert. Das ist aus meiner Sicht keine gute Lösung.»
Esther Friedli

Ein grosses Thema in Rapperswil-Jona ist das notorische Verkehrschaos. Wie könnte man dieses Problem lösen? 
Es ist schwierig, dieses Problem aus der Distanz zu lösen. Rapperswil-Jona ist ein Verkehrsknotenpunkt, und mit dem Seedamm gibt es auch noch ein Nadelöhr, das berücksichtigt werden muss. Hier sind die Behörden vor Ort in der Pflicht. In verschiedenen Städten wird generell mit Tempo 30 als Antwort auf die verstopften Strassen reagiert. Das ist aus meiner Sicht keine gute Lösung. Dort, wo eine Temporeduktion sicherheitsrelevant ist, macht sie Sinn. Auf Hauptverkehrsachsen und Einfallsstrassen aber kaum. Schliesslich wird nicht nur der motorisierte Verkehr gebremst, sondern auch der öV. Das führt zu viel höheren Kosten und unattraktiveren Innenstädten.

Welchen Bezug haben Sie zum Bezirk See-Gaster?
Er ist für uns Toggenburgerinnen und Toggenburger das Tor zum Zürichsee. Immer wenn ich etwas südländisches Flair möchte, freue ich mich auf einen Abend in Rapperswil-Jona an der Seepromenade.

Thomas Renggli