Die aktuelle Situation mit dem Krieg in der Ukraine, Kernkraftausfällen in der französischen AKW-Flotte und der Trockenheit im Sommer hätte uns vor Augen geführt, wie stark unsere Energieversorgung von anderen Ländern – und beim Gas von einem einzigen Land – abhängt. Langfristig sollte daher eine schnellere Dekarbonisierung von Gebäuden, Verkehr und Strom angegangen werden. Kurzfristig helfen allerdings nur Massnahmen, welche auf dem Verhalten beruhen – also der Verzicht.
Ist die Mangellage eine Tatsache?
«Die Lage ist angespannt», hielt Stefano Garbin, CEO der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK, fest. Ein haushälterischer Umgang mit der Energie in der Schweiz werde wichtiger.
Auch Energie Kreuzlingen befindet sich in einer herausfordernden Situation. Direktor Guido Gross erklärte, dass der Energieversorger das Gas von den Stadtwerken Konstanz bezieht. Gute nachbarschaftliche Beziehungen seien daher von grosser Wichtigkeit.
FDP-Nationalrätin Susanne Vinzenz-Stauffacher betonte, dass das fehlende Stromabkommen mit der EU die aktuelle Krisensituation noch verschärft.
Neue Wege aus der Krise sind gefragt
Um aus der aktuell schwierigen Lage herauszufinden wäre gemäss SVP-Ständerat Dr. Jakob Stark ein nationaler Krisenstab angebracht. Gleichzeitig sollten neue Modelle, wie beispielsweise die gleitende Marktprämie geprüft werden.
Auch Franziska Ryser, Grüne Nationalrätin, sieht Potenzial in neuen Herangehensweisen. Ihr schwebt eine Auktionsplattform für planbare Verzichtsmassnahmen bei Unternehmen vor. Denn gerade beim Verbrauchermarkt sieht sie noch Einsparpotenzial.
Der Kanton St.Gallen könnte seine Winterlücke schliessen
Im IHKdirekt-Gespräch mit Markus Bänziger, Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell, liess die St.Galler Baudirektorin Susanne Hartmann durchblicken, wie sich der Kanton auf die Mangellage vorbereitet. Neben kurzfristigen Massnahmen im Hinblick auf diesen Winter, würden auf kantonaler Ebene auch längerfristige Sicherungsmassnahmen geprüft.
So werden derzeit 17 Windkraftgebiete definiert, welche den Kanton mit genügend Winterenergie versorgen könnten – aber noch nicht im kommenden Winter. Denn bis zur Realisierung sind noch einige Hürden auf verschiedenen Ebenen zu nehmen. «Es braucht auch auf Bundesebene Gesetzesanpassungen», hält die Mitte-Regierungsrätin fest.
Mangellage verhindern hat Priorität
Weder die aktuelle Energiestrategie noch ein nationaler Alleingang garantieren die Versorgungssicherheit. Daher identifizieren die IHK Thurgau und die IHK St.Gallen-Appenzell gemeinsam vier Handlungsfelder, in welchen deutliches Verbesserungspotenzial besteht. Kurzfristig müsse ganz klar das Verhindern einer Energiemangellage Priorität haben, hält Markus Bänziger fest. «Die Schweiz kann sich als Land der Sicherheiten eine Energiemangellage mit Kontingentierung oder gar rotierenden Netzabschaltungen schlichtweg nicht leisten.»
Das Schadenspotenzial einer unzuverlässigen, lücken- oder mangelhaften Versorgung ist enorm. Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen nun Hand in Hand arbeiten.
Schliesslich muss die staatsvertragliche Kooperation mit dem Ausland wieder verbessert werden. Ohne Strommarktabkommen mit der EU fehlt die langfristige Garantie für die Schweizer Netzstabilität und zuverlässige Importe.