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Leserbrief
Kultur
10.06.2020
10.06.2020 15:58 Uhr

Risiken des gemeinsamen Singens

Symbolbild
Symbolbild Bild: Internet
Viele Leute hoffen, bald wieder beim Kirchenbesuch gemeinsam zu singen. Alastair Gurtner warnt aber in seinem Leserbrief vor den damit verbundenen Risiken im Zusammenhang mit dem Coronavirus.

Seit langem hoffen viele Leute, bald wieder gemeinsam Singen und musikreichen Kirchenbesuch wieder erleben zu können.  Aber da sind viele Leute verunsichert, weil es ja mehrere Singproben mit tragischen Ausgang gab, anderseits gestern gab es im Tagi ein Artikel, der besagt, dass Aerodynamiker kein Problem sehen.  Ich möchte da ein paar Aspekte erwähnen, weil bislang die ganze Virenübertragungssache völlig unsystematisch angegangen wurde, satt in disziplinübergreifenden Teams aufgearbeitet zu werden, haben sich Fachleute einzelner Teilaspekte in Szene gesetzt und nur Teileinflüsse erwähnt   -   teilweise  zudem ausgehend von fehlerhaften WHO-Informationen.

Die Risiken beim Chor sind die Folgenden:
Gesungen wird mit lauter Stimme. Normal spricht man mit 60 dBA, zwei Leute am Tisch mit 55 dBA, ein Lehrer knapp auf 70 dBA, Sänger vermutlich um 75 dBA. und zeitweise mehr.  Klingt alles sehr ähnlich, doch 70 dB ist nicht 20% mehr Energie in der Luft und im Rachen als 55 dB, sondern 3000%.  dB sind ein logarithmisches Mass (75 dBA sind 100-mal mehr Schall-/ Rachenenergie als 55 dBA).  Dadurch entsteht viel mehr Sputter im Rachen, welches ausgeatmet  wird.  Darüber hinaus wird mit lauter Stimme mehr geatmet - da kommt zusätzlich die Aerodynamik ins Spiel.  Dies ist auch der Grund für die starke Virenverbreitung in Stadien, dort wird noch lauter „gesprochen“  -  geschrien.

  • Wenn 50 oder mehr Leute laut singen, produzieren sie auch Wärme - je engagiert singende Person um 100-200 Watt - im Chor entstehen also  einige Kilowatt Heizleistung. Das führt im Raum zu einem Anstieg der warmen Luft über den Sängern. Oder anders formuliert: Im Raum findet eine Luftwalze statt, die eine Verwirbelung der Tropfen und Aerosole bewirkt - je länger desto homogener und dichter  -  die Virendichte in der Luft wird immer grösser; die Aerosole fallen nicht auf den Boden, sondern schweben in der Luft über Stunden. 

Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis - falls jemand krank ist, ein Grossteil aller anderen auch infiziert sind.

Abhilfen:

  • In Räumen ohne Klima-Anlage gilt obiges  -  solange nicht jeder geimpft ist, es keine virentötenden Masken gibt (ein EMPA Projekt) sieht die Sache in Räumen ziemlich betrüblich aus - sängertaugliche Schutzmasken (spezielle Form) gibt es hingegen schon.
  • In Räumen mit Klimaanlagen (Kirchgemeindehaus ?) wird üblicherweise ein Teil der Abluft der neuen Frischluft beigemischt, um Heiz- / Kühl-Energie zu sparen. Dabei werden die Tröpfchen und Aerosole im Kreis herum geblasen und aus einem lokalen Virenbeitrag im Raum kann ein raumdeckende Virenverteilung werden.  Die Klimaanlage kann dann - je nach Mischverhältnis, und dies ist wiederum von Arbeitspunkt der Anlage abhängig - das Infektions-Risiko erheblich verschärfen.   Da stellt sich die Frage, wie man bei der Anlage dafür sorgen kann, dass nur Frischluft als Zuluft genutzt wird.  Das bedarf einer speziellen Steuerungseinstellung und dies sollte in der aktuellen Wettersituation energetisch kein Problem sein.
  • Alternativ wird zum Energie sparen statt oben Erwähntem oft ein Energietransportrad eingesetzt, ein Rad voller feiner, luftdurchlässiger Lamellen, welches zur einen Hälfte in der Abluftkanal steht (und aufgewärmt resp. abgekühlt wird, und mit der anderen Hälfte in der Zuluft. Durch ein langsames Drehen dieses grossen Rades erfolgt der Wärme- / Kältetransport von der Abluft zur Zuluft. Hier besteht die Abhilfe primär mal darin, das Wärmetransportrad abzustellen und dafür zu sorgen, dass die Viren-"Undichtigkeit" zwischen beiden Luftkanälen (Radhälften) mittels Schaumgummi oder sonst was reduziert wird.  Die Anlage sollte dabei - zwar mit mehr Energiebedarf - die gleiche Luftqualität (Temperatur, Luftfeuchte) wie üblich liefern können.  Auch hier braucht es für die Einstellungen einen Fachmann.

Was ich Ihnen damit mitteilen will, ist folgendes: Während solche Veranstaltungen im Freien ein unbekanntes, aber geringeres  Risiko darstellen, ist in Räumen das Risiko hoch. Ich glaube es lohnt sich sehr, da nicht forsch Ponier sein zu wollen, sondern abzuwarten, bis aus kontrollierten*** Versuchen Erfahrungen vorliegen.

*** Kontrollierte Veranstaltungen:  Zulass hat nur wer ab zuhause, während der Veranstaltung und bis wieder zuhause sein Handy mit der ETH/ Salathe Tracing App dauerhaft eingeschaltet hat.

Leserbrief von Alastair Gurtner